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»Tut gut, das zu sehen«, murmelte Jeb. »Wenn du weißt, dass jemand unter deinem Dach leidet - das fühlt sich an, wie wenn es dich juckt und du dich nicht kratzen kannst.«

Er ließ sich ein Stück von mir entfernt auf dem Boden nieder und begann leise zu summen. Bevor er den ersten Takt beendet hatte, war ich bereits eingeschlafen.

Als ich aufwachte, wusste ich, dass ich eine lange Zeit fest geschlafen hatte - länger als je zuvor, seit ich hier war. Ohne Schmerzen, ohne angsteinflößende Unterbrechungen. Ich hätte mich ziemlich gut gefühlt, wenn mich das Aufwachen auf dem Kissen nicht daran erinnert hätte, dass Jared weg war. Es roch immer noch nach ihm. Und zwar gut; nicht so, wie ich roch.

Und wieder bleiben uns nur die Träume. Melanie seufzte kläglich. Ich konnte mich nur undeutlich an meinen Traum erinnern, aber ich wusste, dass Jared darin vorgekommen war - wie immer, wenn ich tief genug schlafen konnte, um zu träumen.

»Morgen, Kleines«, sagte Jeb munter.

Ich öffnete die Augen einen Spaltbreit, um ihn anzusehen. Hatte er die ganze Nacht so gegen die Wand gelehnt dagesessen? Er sah nicht müde aus, aber ich bekam plötzlich Schuldgefühle, weil ich das bequemere Lager für mich gehabt hatte.

»Die Jungs sind inzwischen schon lange weg«, sagte er vergnügt. »Wie wär's mit einer Führung?« Mit einer unbewussten Geste streichelte er das Gewehr, das er durch einen Gurt um seine Taille gesteckt hatte. Ich öffnete die Augen ganz und starrte ihn ungläubig an. Eine Führung?

»Jetzt stell dich bloß nicht an. Kein Mensch wird dir etwas tun. Und du musst dich hier schließlich irgendwann selbst zurecht finden.«

Er streckte mir eine Hand entgegen, um mir aufzuhelfen.

Ich griff mechanisch danach, während mein Kopf sich drehte und ich zu verarbeiten versuchte, was er da sagte. Ich würde mich selbst zurechtfinden müssen? Warum? Und was meinte er mit irgendwann? Was glaubte er, wie lange ich noch am Leben bleiben würde?

Er zog mich auf die Füße und führte mich.

Ich hatte schon vergessen, wie es war, die dunklen Gänge an einer führenden Hand zu durchqueren. Es war so einfach - ich musste mich praktisch überhaupt nicht auf das Gehen konzentrieren.

»Mal sehen«, murmelte Jeb. »Vielleicht erst der linke Flügel. Da habe ich ein anständiges Plätzchen für dich vorbereitet. Dann die Küche ...« Er plante weiter seine Führung, auch noch, als wir uns durch den schmalen Spalt in den hellen Tunnel schoben, der zu dem noch helleren großen Raum führte. Als das Geräusch von Stimmen an mein Ohr drang, spürte ich, wie mein Mund trocken wurde. Jeb plauderte weiter auf mich ein; entweder bemerkte er meine Angst nicht oder er ignorierte sie schlichtweg.

»Ich wette, die Möhren sprießen inzwischen«, sagte er, als er mich in die Haupthöhle führte. Das Licht blendete mich und ich konnte nicht erkennen, wer alles dort war, aber ich konnte ihre Blicke spüren. Die plötzliche Stille war so bedrohlich wie immer. »Jawoll«, sagte Jeb zu sich selbst. »Ich finde jedes Mal wieder, dass es unheimlich schön aussieht. So ein leuchtendes Frühlingsgrün hat schon was.«

Er blieb stehen und forderte mich mit ausgestreckter Hand auf, es mir anzusehen. Ich blinzelte kurz in die Richtung, in die er zeigte; aber dann irrte mein Blick weiter durch den Raum, während ich darauf wartete, dass meine Augen sich an die Helligkeit gewöhnten. Daher dauerte es einen Moment, bis ich sah, wovon er sprach. Ich hatte auch gesehen, dass heute vielleicht fünfzehn Leute hier waren, die mich alle feindselig anstarrten. Aber sie waren eigentlich mit etwas anderem beschäftigt.

Das große dunkle Rechteck, das die Mitte der großen Höhle einnahm, war nicht mehr dunkel. Die Hälfte davon war mit einem frühlingsgrünen Flaum überzogen, genau wie Jeb gesagt hatte. Es war wirklich schön. Und erstaunlich.

Kein Wunder, dass nie jemand auf diesem Rechteck stand. Es war ein Beet. »Möhren?«, flüsterte ich.

Er antwortete in normaler Lautstärke. »Die Hälfte, die da jetzt zu sprießen beginnt. Auf der anderen Hälfte wächst Spinat. Der müsste in ein paar Tagen so weit sein.«

Die anderen Leute im Raum hatten begonnen weiterzuarbeiten. Sie warfen mir ab und zu einen verstohlenen Blick zu, konzentrierten sich aber hauptsächlich auf ihre Arbeit. Es war unverkennbar, was sie da taten und wozu das große Fass auf Rädern und die Schläuche dienten - jetzt, wo ich realisiert hatte, dass es sich um ein Beet handelte.

»Sie gießen?«, flüsterte ich wieder.

»Genau. Trocknet alles ganz schön aus in dieser Hitze.«

Ich nickte zustimmend. Es war noch früh, nahm ich an, aber ich war bereits völlig verschwitzt. Die Hitze, die von der intensiven Strahlung über unseren Köpfen stammte, war hier unten in der Höhle erdrückend. Ich versuchte erneut, mir die Decke anzusehen, aber sie war zu hell.

Ich zog Jeb am Ärmel und blinzelte in das blendende Licht.

»Wie?«

Jeb lächelte, meine Neugier schien ihn zu freuen. »Genau wie bei den Zauberern - mit Spiegeln, Mädchen. Hunderte davon. Habe verdammt lange gebraucht, die alle da hochzukriegen. Wenn sie geputzt werden müssen, ist jede Hilfe willkommen. Weißt du, in der Decke sind nur vier kleine Öffnungen und die gaben nicht genug Licht für das, was ich im Kopf hatte. Was hältst du davon?«

Stolz drückte er die Brust raus.

»Brillant«, flüsterte ich. »Wirklich erstaunlich.« Jeb grinste und nickte. Er genoss meine Reaktion.

»Lass uns weitergehen«, schlug er vor. »Ich habe heute noch eine Menge zu tun.«

Er führte mich zu einem anderen Tunnel, einer breiten, natürlich geformten Röhre, die von der großen Höhle aus nach rechts abbog. Das hier war Neuland für mich. Meine Muskeln verkrampften sich; ich bewegte mich mit steifen Beinen und durchgedrückten Knien vorwärts.

Jeb tätschelte mir die Hand, aber ansonsten ignorierte er meine Nervosität. »Hier befinden sich vor allem Schlafzimmer und ein paar Lagerräume. In diesem Bereich liegen die Röhren näher an der Oberfläche, daher war es leichter, hier Licht reinzubringen.«

Er zeigte auf einen hellen schmalen Spalt in der Tunneldecke über uns, der einen weißen Fleck von der Größe einer Hand auf den Boden warf.

Wir kamen an eine große Gabelung - die eigentlich nicht wie eine Gabel aussah, dafür hatte sie zu viele Zinken. Es war eher eine krakenartige Verzweigung von Gängen.

»Der Dritte von links«, sagte er und sah mich erwartungsvoll an. »Der Dritte von links?«, wiederholte ich.

»Genau. Vergiss das nicht. Man kann sich hier leicht verirren und das ist gefährlich für dich. Es kann gut sein, dass die Leute hier dir eher ein Messer in den Rücken rammen, als dir den richtigen Weg zu zeigen.«

Ich schauderte. »Na toll«, murmelte ich mit leisem Sarkasmus. Er lachte, als hätte ihm meine Antwort gefallen. »Es bringt nichts, die Tatsachen zu leugnen. Dass man die Dinge laut ausspricht, macht sie nicht schlimmer.«

Es machte sie auch nicht besser, aber das behielt ich für mich. Ich fing gerade an, mich ein bisschen wohl zu fühlen. Es war so schön, dass wieder jemand mit mir sprach. Jeb war zumindest ein interessanter Gesprächspartner. »Eins, zwei, drei«, zählte er ab und führte mich in den dritten Gang von links. Jetzt kamen wir an runden Eingängen vorbei, die auf unterschiedliche Arten behelfsmäßig verschlossen waren. Manche waren mit gemusterten Stoffbahnen verhängt, vor anderen waren große Stücke aus Pappe mit Paketband zusammengeklebt. Vor einem Loch lehnten zwei richtige Türen - eine aus rotgestrichenem Holz und eine aus grauem Metall. »Sieben«, zählte Jeb und blieb vor einer runden Öffnung stehen, deren höchster Punkt meinen Kopf nur um wenige Zentimeter überragte. Hier sorgte ein hübscher, jadegrüner Seidenparavent für die Privatsphäre, der in einem eleganten Wohnzimmer als Raumteiler hätte dienen können. Die Seide war mit einem Muster aus Kirschblüten bestickt.