Выбрать главу

»Stimmt schon«, unterbrach er mich kopfschüttelnd. »Aber das ist etwas anderes - Jeb hat ein Gewehr, mit dem er den Faulenzern einheizt.«

Wir sahen Jeb an, der zwinkerte, und alle brachen in Lachen aus. Jeb war ungefähr jeden zweiten Abend anwesend. Er beteiligte sich nicht am Gespräch, sondern saß nur nachdenklich hinten im Raum und grinste gelegentlich.

Er hatte Recht, was den Unterhaltungswert der Sache anging; komischerweise erinnerte mich die Situation an den Sehtang, obwohl wir alle Beine hatten. Dort hatte es eine spezielle Bezeichnung für die Unterhalter gegeben, so wie Helfer oder Heiler oder Sucher. Ich war eine der Geschichtenerzählerinnen gewesen; daher war die Wandlung zur Lehrerin hier auf der Erde keine so große Veränderung, beruflich zumindest. Ganz ähnlich war auch die Atmosphäre in der Küche nach Einbruch der Dunkelheit, wenn der Geruch nach Rauch und frisch gebackenem Brot den Raum erfüllte. Alle hockten hier fest, wie angewurzelt. Meine Geschichten waren etwas Neues, etwas, worüber man nachdenken konnte, jenseits des Gewohnten - der immer gleichen anstrengenden Arbeit der immer gleichen fünfunddreißig Gesichter, der immer gleichen Erinnerungen an andere Gesichter, die eine immer gleiche Trauer hervorriefen; jenseits der immer gleichen Angst und der gleichen Verzweiflung, die bereits über so lange Zeit vertraute Begleiter waren. Und so war die Küche bei meinem zwanglosen Unterricht immer gut besucht. Nur Sharon und Maggie waren stets auffällig abwesend.

Etwa in meiner vierten Woche als informelle Lehrerin veränderte sich das Leben in den Höhlen erneut.

Die Küche war wie immer voll. Jeb und Doc waren die Einzigen, die außer den üblichen beiden fehlten. Auf dem Tresen neben mir stand ein Blech mit dunklen, teigigen Brötchen, die zu ihrer doppelten Größe aufgegangen waren. Sie warteten darauf, in den Ofen geschoben zu werden, sobald das Blech darin fertig war. Trudy sah alle paar Minuten hinein, um sicherzugehen, dass nichts anbrannte.

Ich versuchte oft Jamie dazu zu bringen, das Reden für mich zu übernehmen, wenn er die Geschichte gut kannte. Es gefiel mir zu sehen, wie die Begeisterung sein Gesicht zum Strahlen brachte und wie er mit seinen Händen Bilder in die Luft malte. An diesem Abend wollte Heidi mehr über die Delfine wissen, also bat ich Jamie, ihre Frage so gut er konnte zu beantworten.

Die Menschen klangen immer traurig, wenn sie nach unserem neuesten Wirt fragten. In den Delfinen spiegelte sich für sie ihre eigene Situation in den ersten Jahren der Besetzung wider. Heidis dunkle Augen, die unter ihrem weißblonden Pony irritierend wirkten, waren voller Mitleid, als sie ihre Fragen stellte.

»Sie sehen eher wie riesige Glühwürmchen aus als wie Fische, stimmt's, Wanda?« Jamie wollte sich fast alles, was er sagte, von mir bestätigen lassen, wartete meine Antwort allerdings nie ab. »Sie sind aber ganz ledrig mit drei, vier oder fünf Paar Flügeln, das hängt davon ab, wie alt sie sind, stimmt's? Sie fliegen also praktisch durchs Wasser - das leichter ist als das Wasser hier, weniger dicht. Sie haben fünf, sieben oder neun Beine, abhängig von ihrem Geschlecht, stimmt's, Wanda? Es gibt drei verschiedene Geschlechter. Sie haben echt lange Hände mit starken, kräftigen Fingern, die alle möglichen Sachen bauen können. Sie errichten Unterwasserstädte aus harten Pflanzen, die dort wachsen, eine Art Bäume, aber doch anders. Sie sind nicht so weit einwickelt wie wir, stimmt s, Wanda? Sie haben nie Raumschiffe oder Telefone zur Kommunikation erfunden. Die Menschen waren fortschrittlicher.«

Trudy holte das Blech mit den fertigen Brötchen aus dem Ofen und ich bückte mich, um die nächste Ladung aufgegangener Teigstücke in das heiße, rauchende Loch zu schieben.

Während ich schwitzend vor dem Feuer hockte, hörte ich so etwas wie Aufruhr außerhalb der Küche, der von irgendwoher in den Höhlen durch den Gang bis hier zu hören war. Mit all den Echos und der seltsamen Akustik hier unten war es schwierig, Entfernungen abzuschätzen.

»Hey!«, rief Jamie hinter mir und ich drehte mich gerade rechtzeitig um, dass ich noch einen Blick auf seinen Hinterkopf werfen konnte, als er aus der Tür stürmte.

Ich erhob mich aus der Hocke und wollte ihm instinktiv folgen.

»Warte«, sagte Ian. »Er kommt gleich wieder. Erzähl uns noch etwas von den Delfinen.«

Ian saß auf dem Tresen neben dem Ofen - ein heißer Platz, den ich mir nicht ausgesucht hätte - wodurch er mir nah genug war, Ich war sicher, dass ich es früh genug erfahren würde, also zuckte ich ebenfalls mit den Schultern und begann die unglaublich komplexen Familienstrukturen der Delfine zu erklären, während ich Trudy dabei half, die warmen Brötchen in Plastikbehälter zu stapeln.

»Sechs der neun ... Großeltern sozusagen bleiben traditionellerweise während der ersten Entwicklungsphase bei den Larven, während die drei Eltern mit ihren Großeltern an einem neuen Flügel der Familienbehausung arbeiten, den die Jungen dann bewohnen, sobald sie mobil sind«, erklärte ich, den Blick wie immer eher auf die Brötchen in meinen Händen als auf meine Zuhörer gerichtet, als ich ein Keuchen vom anderen Ende des Raums hörte. Ich fuhr automatisch mit meinem nächsten Satz fort, während ich meinen Blick über die Menge schweifen ließ, um zu sehen, wen ich so irritiert hatte. »Die übrigen drei Großeltern sind üblicherweise damit beschäftigt...«

Niemand war meinetwegen irritiert. Alle Köpfe waren in dieselbe Richtung gedreht, in die auch ich sah. Mein Blick huschte über ihre Hinterköpfe zum dunklen Eingang.

Das Erste, was ich sah, war Jamies schmale Gestalt, die den Arm von jemandem umklammerte. Jemand, der von Kopf bis Fuß dermaßen dreckig war, dass er fast mit der Höhlenwand verschmolz. Jemand, der zu groß war, um Jeb sein zu können, außerdem stand Jeb direkt hinter Jamie. Sogar aus dieser Entfernung konnte ich erkennen, dass Jeb die Augen zusammengekniffen und die Nase krausgezogen hatte, als hätte er Angst - ein ungewohnter Anblick. Und genauso deutlich konnte ich erkennen, dass Jamies Gesicht vor Freude strahlte.

»Jetzt ist es so weit«, murmelte Ian neben mir. Über dem Knistern der Flammen war seine Stimme kaum zu verstehen.

Der dreckige Mann, den Jamie immer noch umklammerte, machte einen Schritt nach vorn. Er hob langsam, wie in einem unfreiwilligen Reflex, eine Hand und ballte sie zur Faust.

»Was hat das zu bedeuten, Jeb?« Die dreckige Gestalt sprach mit Jareds Stimme - monoton, vollkommen unbewegt.

Meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich versuchte zu schlucken und stellte fest, dass es nicht ging. Ich versuchte zu atmen und hatte keinen Erfolg. Mein Herz hämmerte unregelmäßig.

Jared!, jubelte Melanie laut - ein lautloser Begeisterungsschrei. Sie war plötzlich hellwach in meinem Kopf. Jared ist wieder da!

»Wanda bringt uns alles über das Universum bei«, plapperte Jamie aufgeregt los. Er schien Jareds Zorn nicht zu bemerken - wahrscheinlich war er einfach zu aufgeregt.