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Das verstehe ich nicht. Ich dürfte eigentlich keine Wahl haben. Wer ist dieses Monster? Ich habe noch nie von einem gehört, das das Gesetz bricht. Ich antworte auf die einzig mögliche Weise. »Na los«, zische ich zwischen den Zähnen hervor. »Tu's einfach. Ich will kein dreckiger Parasit werden!«

Ich warte auf das Messer und mir bricht das Herz. Jeder Herzschlag hat einen Namen. Jamie, Jamie, Jamie. Was wird jetzt aus dir?

»Ganz schön gerissen«, murmelt der Mann und es klingt nicht so, als würde er mit mir sprechen. »Muss eine Sucherin sein. Also ist das hier eine Falle. Woher wussten sie davon?« Der Stahl verschwindet von meinem Hals, nur um von einer eisernen Faust ersetzt zu werden.

Ich bekomme kaum noch Luft.

»Wo sind die anderen?«, fragt er, während er zudrückt.

»Ich bin allein!«, krächze ich. Ich darf ihn bloß nicht zu Jamie führen. Was wird Jamie tun, wenn ich nicht zurückkomme? Jamie hat Hunger!

Ich ramme ihm meinen Ellbogen in den Magen -und das tut höllisch weh. Seine Bauchmuskeln sind genauso eisenhart wie seine Hand. Was äußerst seltsam ist. Um solche Muskeln zu bekommen, muss man entweder ein hartes Leben führen oder besessen sein, und auf die Parasiten trifft keins von beidem zu.

Er ächzt noch nicht mal bei meinem Schlag. Verzweifelt ramme ich ihm meinen Absatz in den Spann. Das trifft ihn unvorbereitet und er wankt. Ich reiße mich los, aber er packt meine Tasche und zieht mich wieder zu sich heran. Seine Hand umklammert erneut meinen Hals. »Ganz schön rebellisch für einen friedliebenden Bodysnatcher, oder?«

Seine Worte ergeben keinen Sinn. Ich dachte, sie wären alle gleich. Aber ich vermute mal, dass es auch unter den Parasiten ein paar Durchgeknallte gibt.

Ich kratze und schlage um mich, um seinen Griff zu lockern. Meine Nägel erwischen seinen Arm, aber er umfasst meinen Hals nur noch fester.

»Ich bring dich wirklich um. Ich bluffe nicht.« »Na, dann los, tu's doch!«

Plötzlich keucht er und ich frage mich, ob irgendeine meiner kämpfenden Gliedmaßen ihn getroffen hat. Ich spüre allerdings keine neuen blauen Flecken.

Er lässt meinen Arm los und packt mich an den Haaren. Das war's dann wohl. Jetzt schneidet er mir die Kehle durch. Ich mache mich auf die Messerklinge gefasst.

Aber seine Hand tastet an meinem Nacken herum, seine Finger fühlen sich rau und warm an auf meiner Haut. Der Griff um meinen Hals lockert sich.

»Unmöglich«, schnauft er.

Die Hand verschwindet wieder von meinem Nacken und irgendwas fällt klappernd zu Boden. Hat er etwa das Messer weggeworfen? Ich überlege, wie ich drankommen könnte.

Vielleicht, wenn ich mich hinfallen lasse? Der Griff um meinen Hals ist jetzt locker genug, dass ich hindurchrutschen könnte. Ich glaube, ich habe gehört, wohin das Messer gefallen ist.

Er dreht mich zu sich herum, wobei er meinen Hals weiterhin umfasst hält. Ein Klicken ertönt und ein Lichtstrahl blendet mein linkes Auge. Ich keuche und versuche mich automatisch wegzudrehen. Aber die Hand umklammert meine Kehle. Dann strahlt mir das Licht ins rechte Auge.

»Ich glaub's nicht«, flüstert er. »Du bist noch ein Mensch.« Er nimmt mein Gesicht zwischen beide Hände. Bevor ich ausweichen kann, drückt er seine Lippen fest auf meine.

Einen kurzen Augenblick lang bin ich wie erstarrt. Noch nie in meinem Leben hat mich jemand geküsst. Zumindest nicht richtig geküsst. Abgesehen von den Küssen meiner Eltern auf die Wange oder Stirn, vor so vielen Jahren. Ich hatte nicht geglaubt, dass ich das jemals erleben würde. Ich kann es aber gar nicht richtig spüren. Da ist zu viel Angst, zu viel Entsetzen, zu viel Adrenalin. Mit einer heftigen Bewegung reiße ich mein Knie hoch. Er stößt einen erstickten Laut aus und lässt mich los. Anstatt wieder in Richtung Vordertür zu laufen, wie er erwartet, ducke ich mich unter seinem Arm hindurch und hechte durch die offene Terrassentür. Ich glaube, ich kann ihn trotz meiner Last abhängen. Ich habe einen kleinen Vorsprung und er stößt immer noch Schmerzenslaute aus. Ich weiß, wo ich hinmuss - ich werde keine Spuren hinterlassen, die er in der Dunkelheit finden kann. Das Essen habe ich die ganze Zeit über festgehalten und das ist gut. Die Müsliriegel habe ich allerdings verloren, fürchte ich.

»Warte!«, schreit er.

Halts Maul, denke ich, aber ich schreie nicht zurück.

Er kommt hinter mir her, ich kann hören, wie seine Stimme näher kommt. »Ich bin keiner von denen!«

Ja klar. Ich habe meinen Blick auf den Sand geheftet und renne. Mein Vater hat immer gesagt, ich wäre so schnell wie ein Gepard. Ich war die Schnellste in meiner Laufmannschaft, Meisterin in meinem Bundesstaat - damals, vor dem Ende der Welt.

»Hör mir zu!« Er schreit immer noch aus vollem Hals. »Ich beweise es dir. Bleib einfach stehen und sieh mich an!«

Wohl kaum. Ich verlasse den sandigen Pfad und flitze zwischen den Mesquite-Sträuchern hindurch.

»Ich hab nicht damit gerechnet, dass sonst noch jemand übrig ist! Bitte, ich muss mit dir reden!« Seine Stimme überrascht mich - sie klingt zu nah. »Tut mir leid, dass ich dich geküsst habe! Das war dumm von mir! Ich bin einfach schon so lange allein!«

»Halt's Maul!« Ich sage es nicht sehr laut, aber ich weiß, dass er es hört. Er kommt immer näher. Noch nie hat mich jemand eingeholt. Ich treibe meine Beine an.

Außer seinem Atem ist jetzt ein leises Stöhnen zu hören, als er ebenfalls schneller wird.

Etwas Großes stürzt sich von hinten auf mich und ich falle hin. Ich habe Erde im Mund und werde von etwas so Schwerem zu Boden gedrückt, dass ich kaum Luft bekomme. »Warte ... einen ... Moment«, schnauft er.

Er verlagert sein Gewicht und dreht mich um. Dann setzt er sich auf meine Hüfte und klemmt meine Arme unter seine Beine. Er zerdrückt das Essen. Ich knurre und versuche mich unter ihm hervorzuwinden.

»Sieh mich an! Sieh her!«, sagt er. Er zieht ein kleines zylinderförmiges Ding aus seiner Gesäßtasche und dreht an einem Ende. Ein Lichtstrahl schießt heraus.

Er richtet die Taschenlampe auf sein eigenes Gesicht. Das Licht lässt seine Haut gelb aussehen. Es zeigt hervorstehende Wangenknochen neben einer langen, dünnen Nase und ein kantiges Kinn. Seine Lippen sind zu einem Grinsen verzogen, aber ich kann sehen, dass sie voll sind für einen Mann. Seine Augenbrauen und Wimpern sind von der Sonne ausgebleicht. Aber das ist es nicht, was er mir zeigt.

In seinen Augen, die in dieser Beleuchtung von einem hellen, glänzenden Gelbbraun sind, spiegelt sich nichts als menschliches Funkeln. Er wechselt mit dem Lichtstrahl von einem Auge zum anderen. »Siehst du? Siehst du? Ich bin genau wie du.«

»Zeig mir deinen Nacken.« Meine Stimme ist voller Misstrauen. Ich lasse den Gedanken nicht zu, dass das hier mehr ist als ein Trick. Ich verstehe nicht, was hinter diesem Theater steckt, aber ich bin sicher, irgendeinen Grund wird er dafür haben. Es gibt keine Hoffnung mehr.

Seine Mundwinkel verziehen sich. »Nun ja ... Das wird nicht wirklich viel helfen. Reichen dir die Augen nicht? Du weißt, dass ich keiner von denen bin.«

»Warum willst du mir dann deinen Nacken nicht zeigen?«

»Weil ich dort eine Narbe habe«, gibt er zu.

Ich versuche erneut, mich unter ihm hervorzuwinden, und seine Hände drücken meine Schultern zu Boden.

»Ich habe sie mir selbst zugefügt«, erklärt er. »Ich glaube, ich habe es ziemlich gut hingekriegt, obwohl es höllisch wehgetan hat. Ich habe schließlich nicht so viele schöne Haare, um meinen Nacken zu verdecken. Es hilft mir, nicht aufzufallen.«

»Geh runter von mir.«

Er zögert, dann steht er mit einer geschmeidigen Bewegung auf, ohne sich mit den Händen abstützen zu müssen. Er streckt mir eine geöffnete Hand entgegen.

»Bitte lauf nicht weg. Und, äh, ich wäre dir auch dankbar, wenn du mich nicht noch mal treten würdest.«

Ich rühre mich nicht. Ich weiß, dass er mich kriegen kann, wenn ich versuche wegzulaufen. »Wer bist du?«, flüstere ich.