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Jamie sah Sharon an und seufzte, bevor er mir antwortete. »Nein, Doc geht es gut.«

»Tante Maggie? Ist sie verletzt?«

Er schüttelte den Kopf.

»Wo ist Walter?«, fragte ich immer noch flüsternd. Ich war verrückt vor Angst, dass einem meiner Gefährten hier etwas zugestoßen sein konnte, sogar jenen, die mich hassten.

»Ich weiß es nicht. Aber es geht ihm bestimmt gut.«

Erst jetzt stellte ich fest, dass Jamie genauso traurig war wie alle anderen hier.

"Was ist los, Jamie? Worüber machst du dir Sorgen?«

Jamie sah auf sein Rührei hinunter, das er jetzt langsam und bedächtig aß, und antwortete mir nicht.

Schweigend beendete er seine Mahlzeit. Ich versuchte ihm meine Schale hinüberzuschieben, aber er warf mir einen so grimmigen Blick zu, dass ich sie zurücknahm und den Rest ohne weitere Einwände aufaß.

Wir stellten unsere Schalen in die große Plastikwanne mit dem schmutzigen Geschirr. Sie sah voll aus, daher nahm ich sie vom Tresen. Ich wusste nicht, was heute in den Höhlen los war, aber Geschirrspülen sollte eigentlich eine sichere Aufgabe sein.

Jamie ging mit wachsamem Blick neben mir her. Das gefiel mir nicht. Ich würde ihm nicht erlauben, meinen Beschützer zu spielen, wenn es nötig werden sollte. Aber als wir um das große Feld herumgingen, trafen wir auf meinen bisherigen Beschützer, so dass es bei der theoretischen Überlegung blieb.

Ian war dreckig; er war von Kopf bis Fuß mit hellbraunem Staub bedeckt, der an den Stellen, wo er schweißnass war, dunkler aussah. Die braunen Streifen in seinem Gesicht konnten seine Erschöpfung nicht verbergen. Es überraschte mich nicht, dass er genauso geknickt war wie alle anderen. Aber der Staub machte mich neugierig - er war nicht rotschwarz wie der Staub innerhalb der Höhlen. Ian war heute Morgen draußen gewesen.

»Da bist du ja«, murmelte er, als er auf uns zukam. Er ging schnell, und als er uns erreichte, wurde er nicht langsamer, sondern nahm mich stattdessen am Ellbogen und schob mich vorwärts. »Lass uns einen Moment hier reingehen.«

Er zog mich in den schmalen Tunnel, der zum östlichen Feld führte, wo der Mais beinahe reif war. Er ging nur so weit ins Dunkle, dass wir von der großen Halle aus nicht gesehen werden konnten. Ich spürte, wie Jamies Hand locker auf meinem anderen Arm ruhte.

Nach einer halben Minute hallten tiefe Stimmen durch die große Höhle. Sie waren nicht übermütig - sie waren düster, niedergeschlagen wie die Gesichter, die mir heute Morgen aufgefallen waren. Die Stimmen kamen näher und bewegten sich an uns vorbei, ganz nah an dem Spalt, in dem wir uns versteckt hatten, und Ians Hand spannte sich an; seine Finger drückten in die Mulde über meinem Ellbogen. Ich erkannte die Stimmen von Jared und Kyle. Melanie kämpfte gegen meine ohnehin schon schwache Kontrolle an. Wir wollten beide sein Gesicht sehen. Zum Glück hielt Ian uns zurück.

»... weiß nicht, warum wir ihn das weiter versuchen lassen. Wenn es vorbei ist, ist es vorbei«, sagte Jared gerade.

»Diesmal dachte er wirklich, er hätte es raus. Er war sich seiner Sache so sicher ... Oh, Mann. Wenn er es irgendwann hinkriegt, war es das alles wert«, widersprach Kyle.

»Wenn«, schnaubte Jared. »Wahrscheinlich ist es ein Glück, dass wir diesen Brandy gefunden haben. Doc wird bis heute Abend die komplette Kiste gekippt haben, wenn er in dem Tempo weitermacht.«

»Er wird rechtzeitig einschlafen«, sagte Kyle, dessen Stimme in der Entfernung immer leiser wurde. »Wenn doch bloß Sharon ...« Und dann konnte ich nichts mehr verstehen.

Ian wartete, bis die Stimmen vollständig verklungen waren und dann noch ein paar Minuten länger, bevor er schließlich meinen Arm losließ.

»Jared hat es versprochen«, raunte ihm Jamie zu.

»Ja, aber Kyle nicht«, antwortete Ian.

Sie traten zurück ins Licht. Ich folgte ihnen langsam, unsicher, was ich fühlte.

Ian bemerkte erst jetzt, was ich trug. »Kein Abwasch jetzt«, erklärte er mir. »Gib ihnen Gelegenheit, sich zu waschen und wieder zu verschwinden.« Ich dachte daran, ihn zu fragen, warum er so dreckig war, aber wahrscheinlich würde er sich wie Jamie weigern zu antworten. Während ich Vermutungen anstellte, drehte ich mich um und starrte in den Tunnel, der zu den Flüssen führte. Ian machte ein wütendes Geräusch.

Erschrocken fuhr ich wieder herum und begriff dann, was ihn so aufgebracht hatte - ihm war gerade mein Gesicht aufgefallen.

Er hob die Hand, als wollte er mein Kinn anheben, aber ich zuckte zurück und er ließ sie sinken. »Das macht mich echt krank«, sagte er und seine Stimme klang wirklich so, als wäre ihm übel. »Und zu wissen, dass ich das möglicherweise gemacht hätte, wenn ich nicht hiergeblieben wäre, ist noch schlimmer ...«

Ich schüttelte den Kopf. »Es ist nichts, Ian.« »Das sehe ich anders«, murmelte er und wandte sich dann an Jamie. »Du solltest wahrscheinlich langsam mal in die Schule gehen. Je eher wir wieder zur Normalität zurückkehren, desto besser.«

Jamie maulte. »Sharon ist heute bestimmt der reinste Albtraum.«

Ian grinste. »Da musst du wohl durch, Junge. Ich beneide dich nicht.«

Jamie seufzte und trat nach den Steinchen auf dem Boden.

»Pass auf Wanda auf.«

»Mach ich.«

Jamie schlurfte davon. Alle paar Schritte warf er uns noch einen Blick zu, bis er in einem anderen Tunnel verschwunden war.

»Komm, gib das mir«, sagte Ian und nahm mir die Wanne mit dem Geschirr ab, bevor ich antworten konnte.

»Es war mir nicht zu schwer«, erklärte ich.

Er grinste wieder. »Ich komme mir komisch vor, wenn ich hier mit leeren Händen herumstehe, während du diese Wanne schleppst. Verbuch es unter Galanterie. Los - lass uns ein ruhiges Plätzchen suchen und uns ausruhen, bis die Luft rein ist.«

Seine Worte irritierten mich und ich folgte ihm schweigend. Warum sollte zu mir jemand galant sein?

Er ging bis zum Maisfeld und dann in das Maisfeld hinein, wobei er zwischen den Halmen in die Furchen trat. Ich folgte ihm, bis er irgendwo mitten im Feld anhielt, das Geschirr abstellte und sich auf die Erde setzte.

»Das ist allerdings ein ruhiges Plätzchen«, sagte ich, als ich mich im Schneidersitz neben ihm niederließ, »aber sollten wir nicht arbeiten?«

»Du arbeitest zu viel, Wanda. Du bist die Einzige, die sich nie einen freien Tag gönnt.«

»So bin ich wenigstens beschäftigt«, murmelte ich. »Alle gönnen sich heute eine Pause, also kannst du das auch tun.«

Ich sah ihn neugierig an. Durch das reflektierte Licht warfen die Maishalme von beiden Seiten Schatten, die ein gekreuztes Zebramuster auf sein Gesicht malten. Unter den Streifen und dem Dreck wirkte er blass und erschöpft.

»Du siehst schon aus, als hättest du heute gearbeitet.« Seine Augen verengten sich. »Aber jetzt ruhe ich mich aus.«

»Jamie will mir nicht sagen, was los ist«, murmelte ich.

»Nein. Und ich werde es auch nicht tun.« Er seufzte. »Es ist sowieso nichts, was du gerne wissen würdest.«

Ich starrte zu Boden, auf die dunkelrote und braune Erde, während mein Magen rebellierte. Ich konnte mir nichts Schlimmeres vorstellen, als nichts zu wissen, aber vielleicht lag das an meiner mangelnden Vorstellungskraft.

»Es ist ein bisschen unfair«, sagte Ian nach einem Moment des Schweigens, »da ich deine Frage ja nicht beantworten werde, aber macht es dir etwas aus, wenn ich dich etwas frage?«

Ich war froh über die Ablenkung. »Frag ruhig.«

Er sprach nicht sofort, deshalb sah ich auf, um den Grund für sein Zögern herauszufinden. Er starrte zu Boden und betrachtete die Dreckstreifen auf seinen Handrücken.

»Ich weiß, dass du nicht lügst. Mittlerweile weiß ich das«, sagte er ruhig. »Ich werde dir also glauben, egal, wie deine Antwort lautet.«

Ich wartete wieder, während er weiterhin den Dreck auf seiner Haut anstarrte.

»Ich habe Jeb seine Geschichte bisher nicht abgekauft, aber er und Doc sind ziemlich überzeugt ... Wanda?« Er sah mich plötzlich an. »Ist sie immer noch mit dir da drin? Das Mädchen, dessen Körper du bewohnst?«