Выбрать главу

Unser Gemurmel war kaum lauter als ein Flüstern. Niemand schenkte uns auch nur die geringste Aufmerksamkeit. »Du kannst mich nicht rund um die Uhr bewachen.« »Wollen wir wetten?«

Ich zuckte mit den Schultern und gab nach. »Ich war wieder beim ... bei dem Loch. Wo ich ganz zu Anfang untergebracht war.«

Ian runzelte die Stirn; das gefiel ihm nicht. Aber er stand auf und ging voran in Richtung Lagerraum. Die große Höhle war jetzt wieder voll von Leuten, die um das Feld herumgingen, alle ernst die Blicke zu Boden gerichtet.

Als wir allein in dem dunklen Tunnel waren, versuchte ich ihn erneut zu überzeugen.

»Ian - was soll das alles bringen? Wird es Jamie nicht noch mehr wehtun, wenn ich noch länger lebe? Wäre es letzten Endes nicht besser für ihn, wenn ...«

»So darfst du nicht denken, Wanda. Wir sind keine Tiere. Dein Tod ist nicht unausweichlich.«

»Ich halte dich nicht für ein Tier«, sagte ich leise.

»Danke. Das war allerdings nicht als Vorwurf gemeint. Ich könnte es verstehen, wenn es so wäre.«

Damit war unser Gespräch beendet; das war der Augenblick, in dem wir beide das gedämpfte blaue Licht um die nächste Tunnelbiegung leuchten sahen.

»Psst«, hauchte Ian. »Warte hier.«

Er drückte sanft meine Schulter nach unten, als versuchte er mich dort festzunageln, wo ich stand. Dann ging er weiter, wobei er sich keine Mühe gab, das Geräusch seiner Schritte zu dämpfen. Er verschwand um die Ecke.

»Jared?«, hörte ich ihn mit gespielter Überraschung sagen.

Das Herz schnürte sich mir zusammen; allerdings eher vor Schmerz denn aus Angst.

»Ich weiß, dass es bei dir ist«, erwiderte Jared. »Komm raus, komm raus, wo immer du bist«, rief er mit harter, spöttischer Stimme so laut, dass ihn bis zur großen Höhle jeder hören konnte.

Verraten

Vielleicht hätte ich in die andere Richtung davonlaufen sollen. Aber Jared rief nach mir, wenn seine Stimme auch kalt und wütend klang, und niemand hielt mich mehr zurück. Melanie war noch ungeduldiger als ich, als ich vorsichtig um die Ecke in das blaue Licht trat; dort zögerte ich.

Ian stand nur wenige Schritte von mir entfernt, bereit, sofort zu reagieren, falls Jared mich angreifen sollte.

Jared saß auf dem Boden, auf einer der Matten, die Jamie und ich hier zurückgelassen hatten. Er sah genauso müde aus wie Ian, obwohl auch seine wachsamen Augen nicht zu seiner erschöpften Haltung passen wollten.

»Keine Aufregung«, sagte Jared zu Ian. »Ich will nur mit dem Parasiten reden. Ich habe es dem Jungen versprochen und das Versprechen halte ich.«

»Wo ist Kyle?«, wollte Ian wissen. »Der schnarcht.

Wahrscheinlich bricht eure Höhle wegen der Schwingungen bald zusammen.« Ian rührte sich nicht vom Fleck.

»Ich lüge dich nicht an, Ian. Und ich werde es nicht umbringen. Jeb hat Recht, egal, wie verkorkst diese bescheuerte Situation ist: Jamie hat genauso viel zu sagen wie ich, und er hat eine solche Gehirnwäsche hinter sich, dass ich bezweifle, dass er mir in absehbarer Zukunft sein Okay gibt.«

»Keiner hat hier eine Gehirnwäsche hinter sich«, knurrte Ian.

Jared machte eine wegwerfende Handbewegung, um die Meinungsverschiedenheit über den Begriff abzubrechen.

»Worauf ich hinauswill, ist, dass diesem Wesen von mir keine Gefahr droht.« Jetzt sah er mich zum ersten Mal an und beobachtete, wie ich mich an die Wand gegenüber drückte und wie mir die Hände zitterten. »Ich werde dir nicht noch mal wehtun«, sagte er zu mir.

Ich machte einen kleinen Schritt nach vorn.

»Du brauchst nicht mit ihm zu reden, wenn du nicht willst, Wanda«, sagte Ian schnell. »Das hier ist keine Pflicht oder eine Aufgabe, die erledigt werden muss. Niemand schreibt es dir vor. Du hast eine Wahl.«

Jared zog die Brauen nach unten - Ians Worte verwirrten ihn.

»Nein«, flüsterte ich. »Ich werde mit ihm reden.« Ich machte noch einen kleinen Schritt vorwärts. Jared hob seine Hand mit der Handfläche nach oben und winkte mich mit den Fingern näher heran.

Ich ging langsam, jeder Schritt war eine eigene Handlung, gefolgt von einer Pause, nicht Teil einer konstanten Bewegung. Einen knappen Meter vor ihm blieb ich - endgültig - stehen. Ian ließ mich nicht aus den Augen und hielt sich dicht neben mir.

»Ich würde gern allein mit dem Parasiten reden, wenn es dir nichts ausmacht«, sagte Jared zu ihm.

Ian stand neben mir wie ein Fels. »Es macht mir aber was aus.«

»Nein, Ian, ist schon in Ordnung. Geh schlafen. Ich komme schon klar.« Ich stupste sacht seinen Arm.

Ian musterte mich mit zweifelndem Gesichtsausdruck. »Und das ist nicht irgend so ein Todeswunsch? Um den Jungen zu schonen?« , wollte er wissen.

»Nein. Jared würde Jamie nicht anlügen.«

Jared runzelte die Stirn, als ich mit vertrauensvoller Stimme seinen Namen aussprach.

»Bitte, Ian«, bat ich. »Ich möchte mit ihm reden.«

Ian sah mich lange an, dann warf er Jared einen grimmigen Blick zu. Er stieß jeden Satz hervor wie einen Befehl.

»Sie heißt Wanda, nicht es oder Parasit. Du wirst sie nicht anfassen. Jegliche Spur, die du auf ihr hinterlässt, werde ich dir auf deiner wertlosen Haut doppelt heimzahlen.«

Seine Drohung ließ mich zusammenzucken.

Ian drehte sich abrupt um und marschierte in die Dunkelheit davon.

Einen Moment lang war es still, während wir beide die leere Stelle betrachteten, von wo er verschwunden war. Ich schaute Jared zuerst an, während er immer noch Ian hinterherstarrte. Als er sich umdrehte, um meinen Blick zu erwidern, sah ich zu Boden.

»Donnerwetter. Der meint es ernst, was?«, sagte Jared. Ich behandelte das als rhetorische Frage.

»Warum setzt du dich nicht?«, fragte er mich und klopfte neben sich auf die Matte.

Ich überlegte einen Augenblick, dann setzte ich mich an dieselbe Wand, allerdings dicht neben das Loch, so dass die ganze Länge der Matte zwischen uns lag. Melanie gefiel das nicht; sie wollte ihm nah sein, damit ich ihn riechen und die Wärme seines Körpers neben mir spüren konnte.

Ich wollte das nicht - und zwar nicht, weil ich Angst hatte, er würde mir etwas tun; er sah im Moment nicht wütend aus, nur müde und wachsam. Ich wollte ihm einfach nicht noch näher kommen. Etwas in meiner Brust schmerzte jetzt schon, weil er mir so nah war - weil er mich ganz aus der Nähe so sehr hasste.

Er sah mich mit schräggelegtem Kopf an; ich konnte seinem Blick nur kurz standhalten, dann musste ich meine Augen abwenden.

»Tut mir leid wegen gestern Nacht - wegen deinem Gesicht.

Das hätte ich nicht tun sollen.«

Ich starrte meine Hände an, die ineinander verkrallt in meinem Schoß lagen.

»Du musst keine Angst vor mir haben.« Ich nickte, ohne ihn anzusehen.

Er grunzte. »Hast du nicht gesagt, du würdest dich mit mir unterhalten?«

Ich zuckte mit den Schultern. Angesichts seiner Ablehnung, die zwischen uns in der Luft lag, brachte ich kein Wort heraus.

Ich hörte, wie er sich bewegte. Er rutschte die Matte entlang, bis er direkt neben mir saß - ganz wie Melanie es gehofft hatte. Zu nah - es war schwer, einen klaren Gedanken zu fassen, schwer, richtig zu atmen, aber ich war nicht in der Lage, von ihm wegzurücken. Komischerweise war Melanie plötzlich gereizt, obwohl sie doch genau das gewollt hatte.

Was ist denn los?, fragte ich sie, erschrocken über die Intensität ihrer Gefühle.

Ich will nicht, dass er so dicht neben dir sitzt. Es fühlt sich nicht richtig an. Mir gefällt es nicht, dass du ihn gerne da neben dir hast. Zum ersten Mal, seit wir gemeinsam die Zivilisation verlassen hatten, spürte ich, wie Wellen der Feindseligkeit von ihr ausgingen. Ich war schockiert. Das war nicht fair.