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»Ich habe nur eine einzige Frage«, unterbrach uns Jared.

Ich sah ihn an und schreckte zurück - sowohl vor seinem kalten Blick als auch vor Melanies Groll.

»Du kannst dir vermutlich denken, worum es geht. Jeb und Jamie haben mich die ganze Nacht bequatscht...«

Ich wartete auf die Frage und starrte durch den dunklen Gang auf den Sack Reis mir gegenüber - mein Kissen von letzter Nacht.

Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er die Hand hob, und ich presste mich an die Wand.

»Ich tu dir nichts«, sagte er noch einmal ungeduldig. Er nahm mein Kinn in seine raue Hand und drehte mein Gesicht so, dass ich ihn ansehen musste.

Mein Herz stotterte, als er mich berührte, und plötzlich war da zu viel Feuchtigkeit in meinen Augen. Ich versuchte sie wegzublinzeln.

»Wanda.« Er sprach meinen Namen langsam aus - widerwillig, wie ich bemerkte, obwohl seine Stimme gleichmäßig und tonlos war. »Ist Melanie noch am Leben - noch ein Teil von dir? Sag mir die Wahrheit.«

Melanie griff mit der brutalen Kraft einer Abrissbirne an. Dort, wo sie versuchte, sich freizukämpfen, tat es körperlich weh wie der plötzliche Stich einer Migräne.

Hör auf. Siehst du es denn nicht?

Es war so offensichtlich an der Art, wie er die Lippen zusammenkniff, an den strengen Falten unter seinen Augen. Es spielt keine Rolle, was ich oder sie sagte.

Er hält mich sowieso für eine Lügnerin, erklärte ich ihr. Die Wahrheit interessiert ihn doch überhaupt nicht - er sucht nur nach einem Beweis, nach irgendeiner Möglichkeit, Jeb und Jamie davon zu überzeugen, dass ich eine Lügnerin bin, eine Sucherin, damit er die Erlaubnis bekommt, mich umzubringen.

Melanie weigerte sich, mir zu antworten oder auch nur zu glauben; es kostete mich viel Kraft, sie ruhigzuhalten.

Jared sah, wie mir der Schweiß auf die Stirn trat und mich ein seltsamer Schauder durchlief, und zog die Augen zusammen. Er hielt noch immer mein Kinn fest, so dass ich mein Gesicht nicht vor ihm verbergen konnte.

Jared, ich liebe dich, versuchte sie zu schreien. Ich bin hier.

Meine Lippen rührten sich nicht, aber es überraschte mich, dass er die Worte nicht Buchstabe für Buchstabe in meinen Augen lesen konnte.

Die Minuten verstrichen langsam, während er auf meine Antwort wartete. Es war qualvoll, ihm in die Augen blicken zu müssen, den Abscheu dort zu sehen. Als wäre das nicht schon genug, nagte Melanies Wut weiterhin von innen an mir. Ihre Eifersucht schwoll zu einer bitteren Flut an, die meinen Körper durchströmte und ihn beschmutzt zurückließ.

Weitere Minuten verstrichen und mir stiegen Tränen in die Augen, bis ich sie nicht mehr zurückhalten konnte. Sie liefen mir lautlos über die Wange bis in Jareds Handfläche. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht.

Schließlich hatte ich genug. Ich schloss die Augen und riss meinen Kopf nach unten. Bevor er mir wehtun konnte, ließ er die Hand sinken. Er seufzte - frustriert.

Ich nahm an, er würde gehen. Ich starrte erneut auf meine Hände, während ich darauf wartete. Mein Herzschlag maß die verstreichenden Minuten. Er rührte sich nicht. Ich rührte mich nicht. Er saß neben mir, als wäre er aus Stein gemeißelt. Diese eherne Unbeweglichkeit passte zu ihm. Sie passte zu seinem neuen, harten Gesichtsausdruck, zu seinem steinernen Blick.

Melanie dachte über diesen Jared nach und verglich ihn mit dem Mann, der er früher gewesen war. Sie erinnerte sich an einen ganz normalen Tag auf der Flucht ...

»Uhh!«, stöhnen Jared und Jamie gleichzeitig. Jared lümmelt auf dem Ledersofa und Jamie hat sich auf dem Teppich davor ausgestreckt. Sie schauen auf dem großen Fernsehbildschirm ein Basketballspiel. Die Parasiten, die hier wohnen, sind bei der Arbeit und wir haben den Jeep bereits so voll geladen, wie es geht. Wir haben noch stundenlang Zeit, uns auszuruhen, bevor wir wieder verschwinden müssen.

Im Fernsehen haben zwei Spieler eine höfliche Meinungsverschiedenheit. Der Kameramann steht ganz in der Nähe; wir können ihr Gespräch mithören.

»Ich glaube, ich habe den Ball als Letzter berührt. Du bist dran.«

»Ich bin mir nicht sicher. Ich möchte nicht unrechtmäßig bevorzugt werden. Die Schiedsrichter sollten sich besser noch mal die Aufzeichnung ansehen.«

Die Spieler schütteln sich die Hände und klopfen sich gegenseitig auf die Schulter.

»Das ist doch lächerlich«, knurrt Jared.

»Nicht auszuhalten«, pflichtet Jamie ihm bei und imitiert Jareds Tonfall perfekt; er klingt täglich mehr wie Jared, eine der vielen Formen, die seine Heldenverehrung angenommen hat. »Kommt nicht noch was anderes?«

Jared zappt durch ein paar Sender, bis er auf einen Leichtathletikwettkampf stößt. In Haiti finden gerade die Olympischen Spiele der Parasiten statt. Offenbar sind die Außerirdischen ganz aufgeregt deswegen. Viele von ihnen haben vor ihren Häusern Olympiaflaggen gehisst. Aber es ist trotzdem nicht wie früher. Jetzt bekommt jeder Teilnehmer eine Medaille. Erbärmlich.

Aber den Hundertmeterlauf kriegen sie nicht kaputt. Die Einzelsportarten sind bei den Parasiten unterhaltsamer als Wettkämpfe, bei denen sie direkt gegeneinander antreten. In getrennten Bahnen geben sie eine bessere Figur ab.

»Mel, komm her und entspann dich«, ruft Jared.

Ich stehe einfach bloß aus alter Gewohnheit an der Hintertür, nicht, weil ich damit rechne, jeden Moment wegrennen zu müssen. Nicht, weil ich Angst habe. Eine sinnlose Gewohnheit, sonst nichts. Ich gehe zu Jared hinüber. Er zieht mich auf seinen Schoß und legt sein Kinn auf meinen Kopf.

»Ist das bequem so, fühlst du dich wohl?«, fragt er. »Ja«, sage ich, weil ich mich wirklich und wahrhaftig rundum wohl fühle. Hier, im Haus eines Außerirdischen.

Dad hat immer lustige Sachen gesagt, als würde er seine eigene Sprache sprechen: die Fliege machen, grün hinter den Ohren, Wunderfitz, wie aus dem Ei gepellt, ein hohes Tier, Fisch ohne Fahrrad und irgendwas über Kohlen, die nach Newcastle verkauft werden. Einer seiner Lieblingsausdrücke war so sicher wie ein Haus.

Zum Beispiel als er mir Fahrradfahren beibrachte und meine Mutter besorgt in der Tür stand: »Beruhig dich, Linda, diese Straße ist so sicher wie ein Haus.« Oder als er Jamie davon überzeugte, ohne Nachtlicht zu schlafen: »Das ist hier so sicher wie ein Haus, es ist weit und breit kein Monster in Sicht.«

Dann verwandelte sich die Welt über Nacht in einen entsetzlichen Albtraum und der Ausdruck wurde für Jamie und mich zu einem makabren Witz. Häuser waren jetzt die gefährlichsten Orte, die wir uns vorstellen konnten.