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Ich zögerte und suchte nach einer Antwort, die nicht direkt eine Lüge war. »Die Wahrheit zu sagen ist einfacher für mich, als zu versuchen, sie zu verbergen.«

Er schien mit meiner ausweichenden Antwort zufrieden zu sein.

»Ich habe Hunger«, sagte ich und befreite mich aus seiner Umarmung.

»Das hab ich mir gedacht. Ich habe dir was Feines aufbewahrt.«

Ich seufzte. »Brot ist schon in Ordnung.«

»Komm schon, Wanda. Ian sagt, du bist viel zu aufopferungsvoll.«

Ich schnitt eine Grimasse.

»Ich glaube, damit hat er Recht«, murmelte Jamie. »Sogar wenn dich alle hierhaben wollen, gehörst du erst dann wirklich hierher, wenn du das selbst beschließt.«

»Ich werde nie hierhergehören. Und niemand will mich wirklich hierhaben, Jamie.«

»Ich schon.«

Ich widersprach ihm nicht, aber was er sagte, war nicht die Wahrheit. Er log nicht direkt, denn er glaubte an das, was er sagte. Aber wen er wirklich hierhaben wollte, war Melanie. Er trennte uns nicht so, wie er es tun sollte.

Trudy und Heidi backten in der Küche Brötchen und teilten sich einen hellgrünen, saftigen Apfel. Sie wechselten sich mit dem Abbeißen ab. Jede biss immer zweimal.

»Schön, dich zu sehen, Wanda«, sagte Trudy, wobei sie ihren Mund mit der Hand abdeckte, weil sie immer noch an ihrem letzten Bissen kaute. Sie meinte es ernst.

Heidi begrüßte mich mit einem Kopfnicken und versenkte dann ihre Zähne in dem Apfel. Jamie stieß mich gewollt unauffällig in die Seite, um mich darauf aufmerksam zu machen, dass mich die Leute mochten. Einfache Höflichkeit ließ er nicht gelten. »Habt ihr das Abendessen für sie aufbewahrt?«, fragte er aufgeregt.

»Haben wir«, sagte Trudy. Sie bückte sich zum Ofen und kam mit einem Tablett in der Hand wieder zum Vorschein. »Ich habe es warm gehalten. Es ist inzwischen wahrscheinlich zäh und ungenießbar, aber immer noch besser als das, was es sonst so gibt.«

Auf dem Tablett lag ein ziemlich großes Stück rotes Fleisch. Mir lief das Wasser im Mund zusammen, als ich die Portion, die mir zugedacht war, ablehnte.

»Das ist zu viel.«

»Wir müssen alle verderblichen Lebensmittel in den ersten Tagen aufessen«, drängte Jamie mich. »Alle essen, bis ihnen schlecht ist. Das ist schon Tradition.«

»Du brauchst das Eiweiß«, fügte Trudy hinzu. »Wir haben schon viel zu lange nur die Höhlenration gegessen. Erstaunlich, dass das niemandem stärker zugesetzt hat.«

Ich aß mein Eiweiß, während Jamie mit Adleraugen beobachtete, wie Bissen für Bissen vom Tablett in meinen Mund wanderte. Ihm zuliebe aß ich alles auf, obwohl ich von dem vielen Essen Bauchschmerzen bekam.

Gegen Ende meiner Mahlzeit begann sich die Küche wieder zu füllen. Ein paar hielten Äpfel in der Hand - die sie alle mit jemand anderem teilten. Neugierige Augen musterten meine wunde Gesichtshälfte.

»Wieso kommen um diese Zeit alle hierher?«, flüsterte ich Jamie zu. Es war dunkel draußen, die Zeit fürs Abendessen vorbei.

Jamie sah mich einen Moment lang verständnislos an. »Um dir zuzuhören.« Sein Tonfall ergänzte das fehlende »Wozu denn sonst?«.

»Machst du Witze?«

»Ich habe dir doch gesagt, dass sich nichts geändert hat.«

Ich blickte mich in dem schmalen Raum um. Es war nicht voll. Doc war heute nicht da und keiner der zurückgekehrten Beutejäger, einschließlich Paige. Kein Jeb, kein Ian, kein Walter. Ein paar andere fehlten ebenfalls: Travis, Carol, Ruth Ann. Aber es waren mehr da, als ich gedacht hätte - wenn ich überhaupt gedacht hätte, dass irgendjemand nach einem solch ungewöhnlichen Tag dem gewöhnlichen Ritual folgen würde.

»Können wir bei den Delfinen weitermachen, wo wir aufgehört haben?«, fragte Wes und unterbrach damit meine Bestandsaufnahme. Es war mir klar, dass er nur den Ball ins Rollen bringen wollte und nicht wirklich an den Verwandtschaftsverhältnissen auf einem fremden Planeten interessiert war.

Alle sahen mich erwartungsvoll an. Offensichtlich hatte sich das Leben nicht so sehr verändert, wie ich gedacht hatte.

Ich nahm Heidi ein Blech mit Brötchen aus der Hand und drehte mich um, um es in den Steinofen zu schieben. Während ich den anderen noch den Rücken zugekehrt hatte, begann ich zu sprechen. »Also ... äh ... hmm ... das ... äh ... dritte Großelternpaar ... Sie dienen traditionellerweise der Gemeinschaft, so sehen sie es zumindest. Auf der Erde wären sie die Ernährer, diejenigen, die den Unterhalt nach Hause bringen. Die meisten von ihnen sind Bauern. Sie bauen ein pflanzenähnliches Gewächs an, dessen Saft sie melken ...«

Und das Leben ging weiter.

Jamie versuchte mir auszureden, in dem Vorratsgang zu schlafen, aber es war ein halbherziger Versuch. Es gab keinen anderen Platz für mich. Störrisch wie immer bestand er darauf, meinen Schlafplatz mit mir zu teilen. Ich nahm an, dass Jared das nicht besonders gefiel, aber da ich ihn weder an diesem Abend noch am nächsten Tag zu Gesicht bekam, konnte ich meine Theorie nicht überprüfen.

Es war ein komisches Gefühl, meinen üblichen Aufgaben wieder nachzugehen, jetzt, wo die sechs Beutejäger zurückgekehrt waren - so wie am Anfang, als Jeb mich gezwungen hatte, mich in die Gemeinschaft einzugliedern. Feindliche Blicke, wütendes Schweigen. Für sie war es allerdings schwerer als für mich - ich war schließlich bereits daran gewöhnt. Für sie dagegen war es vollkommen neu, wie mich die anderen behandelten. Als ich zum Beispiel bei der Maisernte half und Lily sich lächelnd bei mir für einen neuen Korb bedankte, fielen Andy beinahe die Augen aus dem Kopf. Oder als ich mit Trudy und Heidi vor dem Bad wartete und Heidi mit meinem Haar zu spielen begann - es wuchs und hing mir dieser Tage ständig in die Augen, weshalb ich vorhatte, es wieder abzuschneiden. Heidi versuchte eine Frisur zu finden, die mir stand, und schob die Strähnen hin und her. Als Brandt und Aaron - Aaron war der älteste Mann, der mit auf Tour gewesen war, und ich konnte mich nicht daran erinnern, ihn vorher schon gesehen zu haben - aus dem Bad kamen und sahen, wie Trudy über irgendeine alberne Scheußlichkeit lachte, die Heidi auf meinem Kopf zu kreieren versuchte, wurden beide ein bisschen grün im Gesicht und gingen schweigend an uns vorbei.

Aber natürlich waren Kleinigkeiten wie diese noch gar nichts. Kyle streunte jetzt durch die Höhlen und obwohl man ihm offensichtlich befohlen hatte, mich in Ruhe zu lassen, machte sein Gesichtsausdruck deutlich, dass ihm diese Anweisung zuwider war. Ich war immer mit anderen zusammen, wenn ich seinen Weg kreuzte, und ich fragte mich, ob das der einzige Grund dafür war, dass er nichts weiter tat, als mich anzufunkeln und unbewusst seine dicken Finger zu Fäusten zu ballen. Das ließ die ganze Panik meiner ersten Wochen hier wieder in mir aufsteigen, und ich war drauf und dran zu kapitulieren - mich wieder zu verstecken, die gemeinschaftlichen Treffpunkte zu meiden -, aber meine Aufmerksamkeit wurde in dieser zweiten Nacht von etwas Wichtigerem als Kyles mordlustigen Blicken in Anspruch genommen.

Die Küche füllte sich wieder - ich war nicht sicher, wie viel das mit meinen Geschichten zu tun hatte und wie viel mit den Schokoriegeln, die Jeb austeilte. Ich lehnte meinen ab und erklärte einem grummelnden Jamie, dass ich nicht gleichzeitig kauen und reden konnte; ich vermutete, dass er mir - dickköpfig wie immer - einen aufbewahren würde. Ian saß wieder auf seinem üblichen heißen Platz neben dem Feuer; Andy war auch da und saß mit wachsamem Blick neben Paige. Keiner der anderen Beutejäger, Jared natürlich eingeschlossen, war anwesend. Doc war ebenfalls nicht da und ich fragte mich, ob er immer noch betrunken war oder vielleicht einen Kater hatte. Auch Walter fehlte wieder.

Geoffrey, Trudys Mann, stellte mir an diesem Abend zum ersten Mal eine Frage. Auch wenn ich versuchte es nicht zu zeigen, freute ich mich, dass er offenbar jetzt zu den Menschen gehörte, die mich tolerierten. Aber ich konnte seine Frage nicht richtig beantworten, was sehr schade war. Seine Fragen waren wie die von Doc.

»Ich kenne mich mit dem Heilen eigentlich überhaupt nicht aus«, gab ich zu. »Ich war noch nie bei einem Heiler, seit ... seit ich hier angekommen bin. Ich war nie krank. Alles, was ich weiß, ist, dass wir keinen Planeten auswählen würden, bevor wir nicht in der Lage wären, die Wirtskörper in perfektem Zustand zu erhalten. Es gibt nichts, was nicht geheilt werden kann - von einer einfachen Schnittwunde oder einem gebrochenen Knochen bis hin zu Krankheiten. Altersschwäche ist inzwischen die einzige Todesursache. Sogar völlig gesunde menschliche Körper haben nur eine begrenzte Lebensspanne. Und dann gibt es natürlich auch Unfälle, obwohl die unter den Seelen selten sind. Wir sind sehr vorsichtig.«