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»Bewaffnete Menschen sind nicht einfach Unfälle«, murmelte jemand. Ich nahm heiße Brötchen vom Blech und sah weder, wer sprach, noch erkannte ich die Stimme.

»Ja, das stimmt«, pflichtete ich ruhig bei.

»Du weißt also nicht, womit sie Krankheiten heilen?«, fragte Geoffrey nach. »Woraus bestehen ihre Medikamente?«

Ich schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, ich weiß es nicht. Das war nichts, wofür ich mich besonders interessiert habe, als ich noch Zugang zu diesen Informationen hatte. Ich fürchte, ich habe es für selbstverständlich gehalten. Gesundheit war auf allen Planeten, auf denen ich gelebt habe, einfach eine gegebene Tatsache.«

Geoffreys glühende Wangen wurden noch röter. Er blickte zu Boden, die Lippen wütend zusammengekniffen. Womit hatte ich ihn verärgert? Heath, der neben Geoffrey saß, tätschelte seinen Arm. Es herrschte gespanntes Schweigen im Raum.

»Ähm ... um noch mal auf die Geier zurückzukommen ...«, sagte Ian gezwungen und wechselte damit bewusst das Thema. »Ich weiß nicht, ob ich da was verpasst habe, aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass du irgendwann erklärt hättest, inwiefern sie >gar nicht nett< sind ...?«

Das hatte ich in der Tat noch nicht erklärt, aber ich war mir ziemlich sicher, dass es ihn eigentlich nicht übermäßig interessierte - es war einfach die erste Frage, die ihm eingefallen war. Mein informeller Unterricht endete früher als gewöhnlich. Die Nachfragen kamen schleppend und die meisten stellten Jamie und Ian. Geoffreys Fragen hatten alle anderen betrübt zurückgelassen.

»Na dann, morgen müssen wir alle früh raus aufs Maisfeld ...«, sagte Jeb nach einem weiteren unangenehmen Schweigen und beendete damit die Zusammenkunft. Die Leute standen auf, streckten sich und unterhielten sich leise, aber sie wirkten angespannt.

»Was habe ich denn gesagt?«, flüsterte ich Ian zu.

»Nichts. Sie denken nur gerade viel über Vergänglichkeit nach.« Er seufzte.

Mein Menschenhirn machte einen jener Gedankensprünge, die sie Intuition nannten.

»Wo ist Walter?«, wollte ich, immer noch flüsternd wissen.

Ian seufzte erneut. »Er ist im Südflügel. Es geht ihm nicht gut.«

»Warum hat mir das keiner gesagt?«

»Die Dinge waren in letzter Zeit ... nicht leicht für dich, daher ...« Ich schüttelte ungeduldig den Kopf. »Was fehlt ihm denn?« Jamie stand inzwischen neben mir; er nahm meine Hand. »Einige von Walters Knochen sind gebrochen, sie sind zu spröde«, sagte er mit gedämpfter Stimme. »Doc ist sich sicher, dass es Krebs ist - im Endstadium, meint er.«

»Walt muss schon eine ganze Weile verschwiegen haben, was für Schmerzen er hat«, fügte Ian düster hinzu.

Meine Kehle schnürte sich zusammen. »Und man kann nichts dagegen tun? Gar nichts?«

Ian schüttelte den Kopf und hielt seine leuchtenden Augen auf mich gerichtet. »Wir nicht. Selbst wenn wir nicht hier festsäßen, gäbe es jetzt keine Hilfe mehr für ihn. Es ist uns nie gelungen, ein Mittel dagegen zu finden.«

Ich biss mir auf die Lippen, um meinen Vorschlag für mich zu behalten. Natürlich konnte man nichts mehr für Walter tun. Jeder dieser Menschen würde lieber langsam und qualvoll sterben, als seinen Geist für die Heilung des Körpers einzutauschen. Ich konnte das verstehen ... inzwischen.

»Er hat nach dir gefragt«, erklärte mir Jamie. »Na ja, er nennt manchmal deinen Namen, es ist schwer zu verstehen, was er damit meint - Doc sorgt dafür, dass er ständig betrunken ist, um seine Schmerzen zu lindern. Doc hat ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil er selbst so viel von dem Alkohol aufgebraucht hat. Schlechtes Timing, alles in allem.«

»Kann ich zu ihm?«, fragte ich. »Oder meinst du, die anderen hätten was dagegen?«

Ian runzelte die Stirn und schnaubte. »Das sähe einigen ähnlich, sich darüber aufzuregen.« Er schüttelte den Kopf. »Aber wen kümmert das schon? Wenn es Walters letzter Wunsch ist...«

»Stimmt«, pflichtete ich ihm bei. Das Wort letzter trieb mir die Tränen in die Augen. »Wenn Walter mich sehen will, dann ist es wohl egal, was die anderen denken oder ob sie deswegen wütend werden ...«

»Mach dir keine Sorgen - ich lasse nicht zu, dass irgendjemand dich belästigt.« Ians weiße Lippen bildeten eine schmale Linie.

Ich war nervös und hätte am liebsten auf die Uhr gesehen. Zeit hatte aufgehört, mir etwas zu bedeuten, aber jetzt plötzlich schien sie davonzurasen. »Ist es schon zu spät, um heute Abend noch zu ihm zu gehen? Stören wir ihn jetzt?«

»Er hat keinen regelmäßigen Tages- und Nachtrhythmus mehr - wir können ja mal nachsehen.«

Ich ging sofort los und zog Jamie hinter mir her, da er immer noch meine Hand festhielt. Das Gefühl von verstreichender Zeit, von Abschied und Vergänglichkeit, trieb mich an. Ian holte Uns mit seinen großen Schritten jedoch schnell ein.

In der mondbeschienenen Gartenhöhle kamen wir an ein paar anderen vorbei, die uns nicht weiter beachteten. Ich war so oft in Begleitung Jamies und Ians unterwegs, dass das keine Neugier weckte, obwohl wir nicht in die üblichen Tunnel einbogen.

Die einzige Ausnahme war Kyle. Er erstarrte mitten in der Bewegung, als er seinen Bruder neben mir entdeckte. Sein Blick fiel auf Jamies Hand in meiner und er kniff finster die Lippen zusammen.

Ian straffte die Schultern, als er die Reaktion seines Bruders bemerkte - sein Gesichtsausdruck spiegelte Kyles wider -, und er griff ganz bewusst nach meiner anderen Hand. Kyle machte ein Geräusch, als müsste er sich übergeben, und wandte sich ab.

Als wir die Dunkelheit des langen Südtunnels erreicht hatten, versuchte ich die Hand wieder zu befreien. Ian hielt sie fest.

»Ich wünschte, du würdest ihn nicht noch wütender machen«, murmelte ich.

»Kyle ist im Unrecht. Das ist geradezu eine Gewohnheit von ihm. Er wird länger brauchen als alle anderen, bis er darüber hinweg ist, aber das bedeutet nicht, dass wir irgendwelche Zugeständnisse machen sollten.«

»Er macht mir Angst«, gab ich flüsternd zu. »Ich will ihm nicht noch mehr Gründe geben, mich zu hassen.«

Ian und Jamie drückten im selben Augenblick meine Hände.

Sie sprachen gleichzeitig. »Hab keine Angst«, sagte Jamie.

»Jeb hat seine Meinung sehr deutlich gemacht«, sagte Ian.

»Was soll das heißen?«, fragte ich Ian.

»Wenn Kyle Jebs Regeln nicht akzeptieren kann, ist er hier nicht länger willkommen.«

»Aber das ist nicht richtig. Kyle gehört hierher.« Ian grunzte. »Er ist ja auch noch hier ... also wird er einfach lernen müssen, damit klarzukommen.« Wir sprachen den ganzen weiten Weg nicht mehr. Ich hatte Schuldgefühle - das schien ein dauerhafter Gefühlszustand hier zu sein. Schuld und Angst und ein gebrochenes Herz. Warum war ich hergekommen?

Weil du hierhergehörst, so seltsam sich das auch anhören mag, flüsterte Melanie. Sie war sich der Wärme von Ians und Jamies Händen, die sich mit meinen verschränkt hatten, deutlich bewusst. Wo sonst hast du so etwas jemals gehabt?

Nirgends, gestand ich und fühlte mich nur noch schlechter.