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»Ja«, sagte Halvok. »Ich habe genug von …«

Der Dämon schlug auf die Rune.

Halvok fiel schlaff in den Sand, und das stete Leuchten, das von der Rune ausging, schlug in ein wildes Flackern um.

Keine Zeit für Fragen. Sham rannte zu der Stelle, wo Halvok lag, zog ihr Messer, ritzte sich die Handflächen auf und legte beide Hände auf das Goldgarn. Macht strömte infolge der Berührung durch sie, und sie schrie auf. Die Magie der Flut bäumte sich auf, und die Haut ihrer Hände rötete sich, schlug Blasen durch die wilde Kraft, die über die Grenzen ihrer Herrschaft hinausschwappte. Aber das Blut bewirkte den von ihr erhofften Effekt. Es ließ die Rune wieder zu der ihren werden, ganz gleich, wie stark die Magie brandete und dagegen ankämpfte.

Bis kurz vor dem Auftreffen der Wellen auf die Klippen durfte sie nicht zulassen, dass die Rune versagte, sonst würde es ihr nicht gelingen, das Portal zum Reich des Dämons zu öffnen, und wenn sie noch so viel Macht hätte. Sie würde die Rune zerbrechen müssen, um das Brechen der Bande zu versinnbildlichen, die den Dämon in dieser Welt hielten. Es hätte nicht schwierig sein sollen. Halvok hätte es tun können, indem er die zwei Enden des Garns getrennt fallen gelassen hätte – Sham jedoch war jetzt mit Blut an die Rune gebunden.

Sie brauchte Halvok, doch der lag stumm am Boden. Talbot kniete neben ihm. Sie hoffte, dass der adelige Magier noch lebte.

Nach wie vor schwoll die Magie an. Shamera konnte die Geistebbe nicht sehen, aber das Geräusch des Wassers, wie es über den Sand raste, war ohrenbetäubend. Ohne auf den Geruch von versengter Haut zu achten, bündelte sie die Magie weiter um sich.

»Jetzt«, brüllten Kerim und Talbot gleichzeitig.

Sham zerbrach die Rune. Infolge der Blutsbindung schmerzte der Tod der Rune und sorgte dafür, dass sich ihre Arme verkrampften, bis sie sich auf die Füße kämpfen musste, damit ihr das Garn nicht aus den Händen gezogen wurde. Die Schmerzen stellten nicht das eigentliche Problem dar oder zumindest nicht das gesamte Problem: Was wirklich zählte, war, wie sich die Schmerzen auf ihre Konzentration auswirkten.

Sie brauchte einen langen Augenblick, um die Herrschaft über die von ihr gebändigten Kräfte zurückzuerlangen.

Als sie mit dem letzten Zauber begann und bevor der Dämon erkannte, dass er nicht mehr von der Rune gehalten wurde, traf die mächtige Wellenwand ein, und die Klippen erzitterten. Wasser überzog alles, als es in riesigen, schweren Schauern hoch aufspritzte. Elsic geriet ins Stocken, und die Magie flammte wild auf, bis Shamera die ihre nicht mehr von der unterscheiden konnte, die in den Wellen war. Sham wusste nur, dass Elsic wieder zu spielen anfing, weil sie es in der durch sie fließenden Magie spürte; hören konnte sie die Musik über dem Tosen des Wassers nicht.

Ihre Stimme ging in dem Gebrüll unter, das Fegfeuer erbeben ließ, als sie aufschrie und den letzten Zauber weiterwirkte.

Durch den ersten ihrer Banne konnte sie den Dämon wahrnehmen, deshalb wusste sie es, als dieser lossprang. Sie sprach schneller und war gerade fertig, als der heiße, scharfe Schwanz des Dämons über ihre Seite kratzte.

Etwas waberte im Geflecht der Nacht, und der Dämon erstarrte, als sich die Spalte weitete. In jenem Lidschlag erkannte Sham, dass der Ort, an den sie den Dämon schicken wollte, nicht existierte, jedenfalls nicht so, wie sie den Begriff verstand. Einen Augenblick lang, der genauso gut eine Ewigkeit hätte sein können, stand sie am Portal und begriff Dinge über die Magie, die ihr nie zuvor klar gewesen waren. Kleine Dinge …

Eine zweite Wellenwand prallte auf. Sie war nicht so groß wie die erste, brachte aber viel weiteres Wasser mit sich, noch mehr Lärm, noch mehr von der Flöte beschworene Magie.

Von Schmerzen, Ehrfurcht und einem neuen Aufbranden der Magie erfüllt, verlor Sham die Kontrolle. Sie wurde von den Qualen der Berührung des Dämons und vom Feuer wilder Magie verzehrt. Das Portal flackerte, dann festigte es sich und wurde von jemand anderem aufrechterhalten.

Gib mir die Macht, Hexe, forderte Skys Stimme und tauchte zwischen den Wogen des Schmerzes hindurch, als Sham ihre zerbrechliche Herrschaft über die Magie zurückerlangte. Du hast meinen Namen, gib mir die Macht! Wenn du es nicht tust, tötet es dich und alle, die heute Nacht hier sind.

Krampfhaft dachte Sham nach. Mit der Macht, die sie in Händen hielt, konnte der Dämon ganz Landsend zerstören. Vermutlich wäre nicht einmal der ae’Magi in der Lage, ihn aufzuhalten. Da Sham nunmehr gezeigt hatte, wie es ging, konnte die Kreatur jederzeit nach Hause zurückkehren; wann immer sie wollte. Dämonen waren magische Wesen; im Gegensatz zu Sham mussten sie keine ungeformte Magie verwenden.

Elsic spielte weiter, und die Magie steigerte sich unablässig, als eine dritte Wellenwand heranrauschte. Sham konnte nicht einmal genug Aufmerksamkeit entbehren, um dem Jungen zuzurufen, er solle aufhören.

Du dumme Hexe – der Hass auf deinesgleichen bedeutet mir nicht so viel, dass ich dafür einen weiteren Augenblick hierbleiben würde. Gib mir die Magie, und lass mich nach Hause gehen!

»Nimm sie«, sagte Shamera, da sie wusste, dass sie die Magie ohnehin nicht mehr lange halten konnte.

Macht strömte schneller aus ihr, als sie gekommen war, und der Dämon fing sie mit schier grenzenloser Aufnahmefähigkeit auf. Als er alles hatte, was Sham geben konnte, brach sie auf dem sandigen Boden zusammen und krümmte sich angesichts der Schmerzen in ihrer Seite. Sie beobachtete, wie der Dämon das Portal zu seiner Heimat festigte.

Er drehte sich der Spalte zu, die Sham geöffnet hatte, dann zögerte er.

Sham blieb ein Atemzug lang Zeit, sich zu fragen, was sie tun sollte, falls die vermaledeite Kreatur beschloss, doch nicht zurückzukehren. Dann streifte der Schwanz erneut ihre Seite, diesmal federleicht. Die Schmerzen, die sich darin eingenistet hatten, wurden von einer kühlen Taubheit ersetzt.

Tut mir leid, sagte der Dämon mit einer Stimme so leise wie das Flüstern des Windes.

Dann war er verschwunden.

Das Portal hing offen über den zerbrochenen Teilen des Goldgarns. Sham mühte sich auf die Knie. Sie hatte ihre gesamte Magie dem Dämon gegeben, hatte nichts mehr übrig. Wenn sich das Portal nicht schloss …

Da schnappte es mit einem peitschenden Laut zu, der das donnergleiche Branden eines weiteren Wasserschwalls übertönte. Einen Augenblick lang herrschte Stille in der Nacht – dann setzten die Feuer ein.

Sie entzündeten sich in der Dunkelheit wie tausend Kerzen, verbrannten zuerst die Salzschwaden, wo sich das Portal befunden hatte, und breiteten sich dann schneller als ein natürliches Lauffeuer durch den feuchten Pflanzenwuchs aus. Als die nächsten Wellen gegen die Klippen brandeten und feine Gischt hoch in die Luft spritzen ließen, erfassten Flammen die im Wasser lebenden Algen und ließen die Tröpfchen der Gischt golden und orangefarben in der Nacht funkeln.

»Zurück!«, brüllte Shamera und rappelte sich schnellstmöglich auf die Beine. »Verdammt noch mal, geht zurück.«

Die Magie, die sie dem Dämon gegeben hatte, stammte von dieser Welt. Was der Dämon nicht verbraucht hatte, war zurückgekehrt, als sich das Portal schloss. Ein Klumpen Treibholz verwandelte sich unter einem Feuerstoß zu Asche, als die Magie nahe daran vorbeistrich.

»Shamera, geh weg von dort!« Sie meinte, es war Kerim, der gerufen hatte, doch sie war zu sehr damit beschäftigt, die spärliche ihr verbliebene Magie zu beschwören, um sich zu vergewissern.