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Sharpe rannte zu dem Feld, auf dem die Pferde tot, verletzt oder verängstigt waren. Ein paar Dragoner hatten versucht, ihre Pferde loszubinden, doch das Gewehrfeuer hatte sie vertrieben. So war Sharpe jetzt der Besitzer von einem Dutzend Pferden.

»Dan!«, rief er nach Hagman. »Erlöse die verwundeten Pferde von ihren Qualen! Pendleton! Harris! Cresacre! Hier rüber!« Er wies zur westlichen Seite der Koppel. Die Dragoner waren in diese Richtung geflüchtet, und er nahm an, dass sie Zuflucht zwischen einigen Bäumen gesucht hatten, die dicht beieinander nur hundert Yards entfernt standen. Drei Posten reichten nicht, um selbst mit einem halbherzigen Gegenangriff der Franzosen fertig zu werden, und so wusste Sharpe, dass er diese Posten schnell verstärken musste. Zuerst wollte er jedoch sicherstellen, dass keine Dragoner in den Häusern, Gärten und Obstplantagen des Dorfes lauerten.

Barca d'Avintas war eine kleine Ansiedlung, ein paar Häuser an der Straße, die am Fluss entlangführte, mit einer kleinen Anlegestelle für die Fähre, doch etwas von dem Rauch, den Sharpe gesehen hatte, kam von einem flachen Boot mit stumpfem Bug und einem Dutzend Ruderdollen. Jetzt lag es rauchend im Wasser, die oberen Aufbauten bis zur Wasserlinie abgebrannt und der Rumpf gelöchert und gesunken. Sharpe starrte auf das nutzlose Boot, schaute über den Fluss, der über hundert Yards breit war, und fluchte.

Harper erschien neben ihm, das Gewehr über die Schulter geschlungen. »Mein Gott«, sagte er und sah auf die Fähre. »Das taugt nicht für Mann oder Tier, oder?«

»Ist irgendeiner deiner Jungs verwundet?«

»Kein Einziger. Niemand hat auch nur einen Kratzer. Bei den Portugiesen ist es das Gleiche, sie haben sich gut gehalten, nicht wahr?« Er blickte wieder auf das verbrannte Boot. »Mein Gott, war das die Fähre?«

»Es war die verdammte Arche Noah«, blaffte Sharpe. »Was hast du denn gedacht?« Er war ärgerlich, denn er hatte gehofft, mit der Fähre seine Männer über den Douro bringen zu können, aber jetzt hatte sich die Hoffnung zerschlagen. Er ging fort und blickte sich gerade noch rechtzeitig um, um zu sehen, dass Harper ihm eine Grimasse schnitt. »Hast du die Tavernen gefunden?«, fragte er und ignorierte die Grimasse.

»Noch nicht, Sir«, sagte Harper.

»Dann finde sie, stell eine Wache bei ihnen auf und schick ein Dutzend weitere Männer auf die andere Seite der Koppel.«

»Jawohl, Sir.«

Die Franzosen hatten weitere Feuer bei den Schuppen am Flussufer gelegt, und Sharpe duckte sich jetzt unter dem Rauch und trat halb verbrannte Türen auf. In einem Schuppen schwelte ein Haufen geteerter Netze. Im nächsten befand sich ein schwarz angestrichenes Ruderboot. Der Schuppen war angezündet worden, doch die Flammen hatten das Boot noch nicht erreicht. Sharpe konnte es durch die Tür ziehen, bevor Leutnant Vicente eintraf und ihm half, es endgültig vor dem Feuer zu retten. Die anderen Schuppen brannten lichterloh, aber wenigstens dieses Boot war gerettet. Sharpe nahm an, dass es sicher ein halbes Dutzend Personen aufnehmen konnte, was bedeutete, dass es den Rest des Tages dauern würde, bis alle über den Fluss transportiert waren. Sharpe wollte gerade Vicente bitten, nach Rudern oder Paddeln Ausschau zu halten, als er sah, dass das Gesicht des jungen Mannes weiß und erschüttert aussah. Der Leutnant wirkte den Tränen nahe.

»Was ist?«, fragte Sharpe.

Vicente gab keine direkte Antwort, sondern wies nur zurück zum Dorf.

»Die Franzosen haben ihren Spaß mit den Frauen, wie?«, fragte Sharpe und ging auf die Häuser zu.

»Ich würde es nicht Spaß nennen«, sagte Vicente bitter. »Und da ist ein Gefangener.«

»Nur einer?«

»Da sind auch noch zwei andere«, sagte Vicente, »aber dieser eine ist ein Leutnant. Er hatte keine Hosen an, deshalb war er zum Fliehen zu langsam.«

Sharpe fragte nicht, weshalb der gefangen genommene Dragoner keine Hosen angehabt hatte. Das konnte er sich denken. »Was haben Sie mit ihm gemacht?«

»Er muss vor Gericht kommen«, sagte Vicente.

Sharpe blieb stehen und starrte den Leutnant an. »Er muss was?«, fragte er erstaunt. »Vor Gericht?«

»Natürlich.«

»In meinem Land wird ein Vergewaltiger gehängt.«

»Nicht ohne Prozess«, protestierte Vicente, und Sharpe vermutete, dass die portugiesischen Soldaten den Gefangenen auf der Stelle hatten umbringen wollen und Vicente das verhindert hatte, weil er die Gerichtsverhandlung für nötig hielt.

»Verdammt, Sie sind jetzt Soldat, kein Anwalt. Sie geben dem Feind keine Gerichtsverhandlung.«

Die meisten der Bewohner von Barca d'Avintas waren vor den Dragonern geflüchtet, doch einige waren geblieben. Die meisten davon waren jetzt bei einem Haus versammelt, das von einem halben Dutzend von Vicentes Männern bewacht wurde. Ein toter Dragoner ohne Hemd, Rock, Stiefel und Reithose lag mit dem Gesicht nach unten vor der Kirche. Er musste an der Kirchenwand gelehnt haben, als er erschossen worden war, denn er hatte eine Blutspur auf den weiß getünchten Steinen hinterlassen. Ein Hund schnüffelte an seinen Zehen.

Die Soldaten und Dorfbewohner bildeten eine Gasse, um Sharpe und Vicente ins Haus zu lassen, wo der junge Dragoneroffizier, blond, hager und mit verdrossener Miene, von Feldwebel Macedo und einem anderen portugiesischen Soldaten bewacht wurde. Der Leutnant hatte es noch geschafft, seine Reithose anzuziehen, hatte jedoch keine Zeit gehabt, sie zuzuknöpfen, und hielt sie jetzt bei den Hüften zu. Als er Sharpe sah, begann er Französisch zu brabbeln.

»Sprechen Sie Französisch?«, fragte er Vicente.

»Selbstverständlich«, sagte Vicente.

Aber Vicente, dachte Sharpe, will diesem blonden Franzosen einen Prozess machen, und wenn er den Mann verhört hat, wird er nicht die Wahrheit erfahren haben, nur die Ausreden. So ging Sharpe zur Tür und rief: »Harper!« Er wartete, bis der Sergeant auftauchte. »Holen Sie mir Tongue oder Harris her«, befahl er.

»Ich will zu dem Mann sprechen«, protestierte Vicente.

»Ich brauche Sie, um mit jemand anderem zu sprechen«, sagte Sharpe. Dann ging er ins Nebenzimmer, wo ein Mädchen - es konnte nicht älter als vierzehn sein - schluchzte und weinte. Sein Gesicht war rot, die Augen waren geschwollen. Es atmete keuchend, und immer wieder schluchzte es verzweifelt. Es war in eine Wolldecke gehüllt, und auf seiner linken Wange sah Sharpe einen blauen Fleck. Eine ältere Frau, ganz in Schwarz gekleidet, versuchte das Mädchen zu trösten, doch in dem Moment, in dem es Sharpe sah, begann es noch lauter zu weinen, und er wich verlegen aus dem Zimmer zurück.

»Finden Sie heraus, was ihr widerfahren ist«, sagte er zu Vicente. Dann wandte er sich um, als Harris eintrat. Harris und Tongue waren die beiden gebildetsten von Sharpes Männern. Tongue hatte wegen seiner Trunksucht den Job verloren und war zur Armee gegangen, während der rothaarige, stets fröhliche Harris behauptete, aus Abenteuerlust Soldat geworden zu sein. Abenteuer erlebt er jetzt viele, dachte Sharpe. »Dieses Stück Scheiße«, sagte Sharpe zu Harris und nickte zu dem blonden Franzosen hin, »wurde mit heruntergelassenen Hosen und einem Mädchen unter sich erwischt. Finden Sie heraus, wie er sich herausreden will, bevor wir den Bastard töten.«

Er ging auf die Straße hinaus und trank ausgiebig aus der Feldflasche. Das Wasser war warm und abgestanden. Harper wartete bei einem Pferd in der Mitte der Straße, und Sharpe gesellte sich zu ihm. »Alles in Ordnung?«

»Dort drinnen sind zwei weitere Franzmänner.« Harper wies mit dem Daumen hinter sich auf die Kirche. Die Kirchentür wurde von vier von Vicentes Männern bewacht.