»Ich habe sie in Oporto gefunden«, sagte Christopher. »Sie gehörte einem armen Kerl, der im Gefängnis an Fieber starb, und ein Schneider änderte sie passend für meine Figur.«
»Das hat er gut gemacht«, sagte Argenton bewundernd. »Jetzt brauchen Sie nur noch die cadenettes.«
»Die cadenettes?«
»Die Zöpfe«, erklärte Argenton und berührt seine Schläfen, wo die französischen Husaren ihr Haar lang wachsen ließen, um anzuzeigen, dass sie Elite-Kavalleristen waren. »Einige Männer werden kahl und lassen von Perückenmachern falsche cadenettes anfertigen, die sie an ihren Helmen befestigen.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich Zöpfe haben will«, sagte Christopher belustigt, »aber vielleicht kann ich eine Frau mit schwarzem Haar finden und ihr die Zöpfe abschneiden.«
»Eine gute Idee«, meinte Argenton. Er beobachtete anerkennend, wie seine Eskorte Posten aufstellte. Dann lächelte er einem sehr verdrossen aussehenden Luis zu, der ihm und Christopher Gläser mit vinho verde füllte, dem goldenen Weißwein aus dem Douro-Tal. Argenton nippte an dem Wein und war überrascht vom guten Geschmack. Er war ein schlanker Mann mit freundlichem, offenem Gesicht und roten Haaren, die feucht vom Schweiß waren. Er lächelte oft, ein Zeichen auf seine vertrauensvolle Natur. Christopher neigte dazu, den Franzosen zu verabscheuen, doch er wusste, wie nützlich er sein würde.
Argenton trank seinen Wein aus. »Haben Sie von dem Brückeneinsturz in Oporto gehört, bei dem viele Menschen ertrunken sind?«, fragte er.
»Mein Diener sagt, Sie hätten die Brücke zerstört.«
»Das sagt man wohl.« Argenton blickte bedauernd drein. »Die Brücke stürzte unter dem Gewicht der Flüchtlinge ein. Es war ein Unfall. Ein trauriger Unfall, aber wenn die Leute zu Hause geblieben wären und unseren Männern ein anständiges Willkommen bereitet hätten, dann hätte es keine Panik auf der Brücke gegeben. Alle würden noch leben. So gibt man uns die Schuld, aber es hatte nichts mit uns zu tun. Die Brücke war nicht stark genug, und wer hat sie gebaut? Die Portugiesen.«
»Ein trauriger Unfall, wie Sie meinen«, sagte Christopher, »aber trotzdem muss ich Ihnen zur schnellen Einnahme von Oporto gratulieren. Es war eine bemerkenswerte Großtat Ihrer Soldaten.«
»Sie wäre noch viel bemerkenswerter gewesen«, bemerkte Argenton, »wenn die Gegner bessere Soldaten gewesen wären.«
»Kann ich daraus entnehmen, dass Ihre Verluste nicht übermäßig gewesen sind?«
»Eine Hand voll«, sagte Argenton und zuckte mit den Schultern, »aber die Hälfte unseres Regiments ist nach Osten geschickt worden, und es verlor einige Männer bei einem Hinterhalt am Fluss. Ein Hinterhalt ...«, er blickte Christopher anklagend an, »... an dem einige britische Schützen teilnahmen. Ich hatte nicht gedacht, dass noch irgendwelche britischen Soldaten in Oporto sind.«
»Das sollten sie auch nicht sein«, sagte Christopher. »Sie sollten südlich des Flusses sein, wie ich befohlen habe.«
»Dann haben sie Ihnen nicht gehorcht«, sagte Argenton.
»Sind irgendwelche Schützen gefallen?«, fragte Christopher und hoffte zu hören, dass Sharpe tot war.
»Ich war nicht dort. Ich bin in Oporto stationiert, wo ich mich um Quartiere und Verpflegung kümmere und die Botengänge des Krieges erledige.«
»Was Sie bewundernswert tun«, sagte Christopher schmeichlerisch. Dann führte er seinen Gast in das Bauernhaus, wo Argenton die Fliesen am Kamin und den einfachen Kronleuchter bewunderte, der über dem Tisch hing. Die Mahlzeit war alltäglich: Hühnchen, Bohnen, Brot, Käse und ein guter Landrotwein. Hauptmann Argenton lobte sie dennoch.
»Wir haben knappe Rationen gehabt«, sagte er, »aber das sollte sich jetzt ändern. Wir haben viele Nahrungsmittel in Oporto gefunden und ein Lagerhaus, das bis obenhin mit gutem britischen Pulver und Munition vollgestopft ist.«
»Sind Sie daran auch knapp?«, fragte Christopher.
»Wir haben reichlich«, sagte Argenton, »doch das britische Pulver ist besser als unseres. Wir haben keine Vorkommen an Salpeter außer dem, was wir aus Senkgruben kratzen.«
Christopher schnitt eine Grimasse bei dem Gedanken. Der beste Salpeter, ein wesentlicher Bestandteil von Schießpulver, kam aus Indien, und er hätte nie gedacht, dass in Frankreich Mangel daran herrschen würde. »Ich nehme an, dass das Pulver der Briten ein Geschenk an die Portugiesen war.«
»Die es nun uns geschenkt haben«, sagte Argenton. »Sehr zur Freude von Marschall Soult.«
»Dann ist es vielleicht an der Zeit, dass wir dem Marschall die Freude nehmen«, sagte Christopher.
»In der Tat«, pflichtete Argenton bei, und dann verfielen sie in Schweigen, als sie das Ziel ihres Treffens erreicht hatten.
Es war ein sonderbares Ziel, aber ein aufregendes. Die beiden Männer planten Meuterei. Oder Rebellion. Oder einen Coup gegen Marschall Soults Armee. Aber wie auch immer man es beschreiben wollte, es war eine List, mit der man den Krieg beenden konnte.
Es gab, wie Argenton jetzt erklärte, starke Unzufriedenheit in Marschall Soults Armee. Christopher hatte all dies von seinem Gast schon gehört, doch er unterbrach Argenton nicht, als er die Argumente wiederholte, die seine Untreue rechtfertigen sollten. Er beschrieb, dass einige Offiziere, alle fromme Katholiken, zu Tode beschämt vom Verhalten ihrer Armee in Spanien und Portugal waren. Kirchen waren geschändet und Nonnen vergewaltigt worden. »Selbst die heiligen Sakramente sind befleckt worden«, sagte Argenton in entsetztem Tonfall.
»Kaum zu glauben«, sagte Christopher.
Andere Offiziere, wenige, waren einfach nur gegen Bonaparte. Argenton war ein katholischer Monarchist, doch er war bereit, gemeinsame Sache mit den Jakobinern zu machen, und glaubte, dass Bonaparte die Revolution verraten hätte. »Man kann ihnen natürlich nicht trauen«, sagte Argenton, »nicht auf lange Sicht, aber sie werden sich uns im Widerstand gegen Bonapartes Tyrannei anschließen.«
»Das hoffe ich«, sagte Christopher. Die britische Regierung hatte schon lange gewusst, dass im Untergrund einige französische Offiziere Bonaparte Widerstand leisteten. Sie nannten sich selbst »Philadelphes«, und London hatte Agenten auf die schwer fassbare Bruderschaft angesetzt, war jedoch zu dem Schluss gelangt, dass ihre Zahl zu gering war, ihre Ideale und ihre Unterstützer zu ideologisch zerstritten waren, sodass zu bezweifeln war, dass sie jemals Erfolg haben würden.
Hier, im entfernten nördlichen Portugal, hatten die verschiedenen Gegner Bonapartes jedoch eine gemeinsame Basis gefunden. Christopher hatte zuerst Wind von dieser Sache bekommen, als er mit einem französischen Offizier gesprochen hatte, der in Braga lebte und als Gefangener an Portugals nördlicher Grenze gewesen war. Als ihm Hafturlaub gewährt wurde, war seine einzige Beschränkung gewesen, zu seinem eigenen Schutz in der Kaserne zu bleiben. Christopher hatte mit dem unglücklichen Offizier getrunken und eine Geschichte der französischen Unzufriedenheit gehört, die ihre Wurzel in den absurden Ambitionen eines einzigen Mannes hatte.
Nicolas Jean de Dieu Soult, Herzog von Dalmatien, Marschall von Frankreich und Befehlshaber der Armee, die jetzt in Portugal einfiel, hatte andere Männer erlebt, die dem Kaiser dienten, um Prinzen und sogar König zu werden, und er nahm an, dass sein Herzogtum eine dürftige Belohnung für eine Karriere war, die all die anderen Marschälle in den Schatten stellte. Soult war seit vierundzwanzig Jahren Soldat, General seit fünfzehn und Marschall seit fünf. Bei Austerlitz, dem größten aller bisherigen Siege des Kaisers, hatte Marschall Soult Ruhm errungen und Marschall Bernadotte bei Weitem übertroffen, der jetzt trotzdem Prinz von Ponte Corvo war. Jerome Bonaparte, der jüngste Bruder des Kaisers, war ein müßiger, extravaganter Tunichtgut, doch er war König von Westfalen, während Marschall Murat, ein hitzköpfiger Prahlhans, König von Neapel war. Luis Napoleon, ein weiterer Bruder des Kaisers, war König von Holland, und all diese Männer waren unbedeutende Nichtskönner, während Soult, der seinen hohen Wert kannte, nur Herzog war. Das war nicht genug.