Aber jetzt war der alte Thron von Portugal unbesetzt. Die königliche Familie war aus Furcht vor der französischen Invasion nach Brasilien geflüchtet, und Soult wollte den leeren Thron einnehmen. Zu Beginn hatte Colonel Christopher die Geschichte nicht geglaubt, doch der Gefangene hatte geschworen, dass sie wahr sei. Christopher hatte mit einigen der Gefangenen, die an der nördlichen Grenze Portugals gefangen genommen worden waren, gesprochen, und alle hatten behauptet, sie hätten die gleiche Geschichte gehört. Es sei kein Geheimnis, hatten sie gesagt, dass Soult König werden wollte, doch sie hatten Christopher auch erzählt, dass die Offiziere wegen der Ambitionen des Marschalls sauer waren, denn es gefiel ihnen nicht, so weit von zu Hause zu kämpfen und zu leiden, nur damit Nicolas Soult einen leeren Thron besteigen konnten. Es gab Gerede von Meuterei, und Christopher hatte sich gefragt, ob er feststellen könnte, wie viel von dem Gerede ernst war, bevor Hauptmann Argenton ihn darauf ansprach.
Argenton, mit großem Wagemut, war durch das nördliche Portugal in Zivilkleidung gereist und hatte sich als Weinhändler ausgegeben. Wenn er geschnappt worden wäre, hätte man ihn als Spion erschossen, denn Argenton erkundete nicht das Land vor den französischen Armeen, sondern versuchte, portugiesische Aristokraten zu finden, die Soult bei seinen Ambitionen ermuntern würden, denn wenn sich der Marschall selbst zum König von Portugal ernannte oder, bescheidener, zum König von Nord-Lusitania, dann musste er als Erstes überzeugt sein, dass es Männer von Einfluss in Portugal gab, die seine Machtergreifung unterstützen würden. Argenton hatte mit solchen Männern geredet und zu seiner Überraschung festgestellt, dass es viele Aristokraten, Geistliche und Gelehrte im nördlichen Portugal gab, die ihre Monarchie hassten und glaubten, dass ein ausländischer König aus dem aufgeklärten Frankreich eine Bereicherung ihres Landes sein würde. So wurden Briefe gesammelt, die Soult ermuntern würden, sich zum König zu machen.
Und wenn das geschah, würde die Armee meutern, das hatte Argenton Christopher prophezeit. Der Krieg musste gestoppt werden, hatte Argenton gesagt, oder sonst würde er wie ein Großbrand ganz Europa verschlingen. Es war Wahnsinn, hatte er gesagt, ein Wahnsinn des Kaisers, der entschlossen zu sein schien, die ganze Welt zu erobern. »Er glaubt, er wäre Alexander der Große«, hatte der Franzose düster gesagt, »und wenn er nicht gestoppt wird, dann wird nichts von Frankreich übrig bleiben. Gegen wen sollen wir kämpfen? Gegen jeden? Österreich? Preußen? Britannien? Spanien? Portugal? Russland?«
»Niemals gegen Russland«, sagte Christopher, »selbst Bonaparte ist nicht so verrückt.«
»Er ist wahnsinnig«, beharrte Argenton, »und wir müssen Frankreich von ihm befreien.« Und das würde durch die Meuterei gelingen, dachte er, die sicherlich ausbrechen würde, wenn sich Soult zum König machte.
»Eure Armee ist unglücklich«, sagte Christopher, »aber wird sie euch bei der Meuterei folgen?«
»Die werde ich nicht führen«, sagte Argenton. »Es gibt aber viele, die das tun werden. Diese Männer wollen die Armee nach Frankreich zurückholen, und ich versichere Ihnen, dass dies auch die Soldaten wünschen. Sie werden folgen.«
»Und wer sind die Führer?«, wollte Christopher wissen.
Argenton zögerte mit der Antwort. Jede Meuterei war eine gefährliche Sache, und wenn die Identität der Führer bekannt wurde, würden sie vors Erschießungskommando kommen.
Christopher bemerkte Argentons Zögern. »Wenn wir die britische Regierung überzeugen wollen, dass Ihre Pläne es wert sind, sie zu unterstützen, dann müssen wir ihr Namen nennen. Das geht nicht anders. Und Sie müssen uns vertrauen, mein Freund.« Christopher legte eine Hand auf seine Brust in Höhe des Herzens. »Ich schwöre bei meiner Ehre, dass ich diese Namen niemals verraten werde. Niemals!«
Argenton, beruhigt, zählte die Männer auf, welche die Revolte gegen Soult anführen würden. Da waren ein Oberst Lafitte, der befehlshabende Offizier seines eigenen Regiments und der Bruder des Obersten, und sie wurden unterstützt von Oberst Donadieu vom 47. Regiment. Sie sind respektiert«, sagte Argenton ernst, »und die Männer werden ihnen folgen.« Er nannte noch mehr Namen, die Christopher in seinem Notizbuch notierte. Er bemerkte, dass keiner der Meuterer über dem Rang eines Obersten war.
»Eine beeindruckende Liste«, log Christopher. Dann lächelte er. »Geben Sie mir jetzt einen anderen Namen. Sagen Sie mir, wer in Ihrer Armee Ihr gefährlichster Gegner sein würde.«
»Unser gefährlichster Gegner?« Argenton war von der Frage verwirrt.
»Natürlich ein anderer als Marschall Soult«, sagte Christopher. »Ich möchte wissen, wen wir beobachten sollten.«
»Ah.« Jetzt verstand Argenton. Er dachte kurz nach. »Vielleicht Brigadier General Vuillard«, sagte er dann.
»Von dem habe ich noch nie gehört.«
»Ein Bonaparte-Anhänger durch und durch«, sagte Argenton missbilligend.
»Buchstabieren Sie mir bitte seinen Namen«, bat Christopher. Dann schrieb er ihn nieder: Brigadier General Henri Vuillard. »Ich nehme an, er weiß nichts von unserem Plan?«
»Natürlich nicht!«, sagte Argenton. »Aber es ist ein Plan, der ohne britische Unterstützung nicht klappen wird. Steht General Cradock der Sache wohlwollend gegenüber oder nicht?«
»Cradock steht auf unserer Seite«, sagte Christopher zuversichtlich. Er hatte dem britischen General von seinen früheren Unterhaltungen berichtet, und Cradock hatte in der vorgeschlagenen Meuterei eine Alternative zur Fortsetzung des Kampfes gegen Frankreich gesehen und Christopher ermuntert, die Sache zu verfolgen. »Aber leider«, fuhr Christopher fort, »gibt es Gerüchte, dass er bald abgelöst werden wird.«
»Und der neue Mann?«, fragte Argenton.
»Wellesley«, sagte Christopher. »Sir Arthur Wellesley.«
»Ist das ein guter General?«
Christopher zuckte mit den Schultern. »Er hat gute Beziehungen. Der jüngere Sohn eines Earl. Eton, natürlich. Man hielt ihn nicht für clever genug, etwas außerhalb der Armee zu bewältigen, aber die meisten Leute meinen, dass er im letzten Jahr bei Lissabon seine Sache gut gemacht hätte.«
»Gegen Laborde und Junot!«, sagte Argenton ätzend.
»Und er hatte zuvor einige Erfolge in Indien«, fügte Christopher hinzu.
»Oh, in Indien!« Argenton lächelte. »Ein guter Ruf in Indien hält selten einer Salve in Europa stand. Aber wird dieser Wellesley gegen Soult kämpfen wollen?«
Christopher dachte über diese Frage nach. »Ich finde, dass er es vorziehen würde, nicht zu verlieren«, sagte er schließlich. »Ich glaube, dass er kooperieren wird, wenn er von der Stärke Ihrer Gefühle weiß.« Christopher war nicht annähernd so überzeugt, wie er klang. Er hatte gehört, dass General Wellesley ein kalter Mann war, der wohl kaum bei einer Eskapade mitmachen würde, deren Erfolg von so vielen Vermutungen abhing, doch Christopher hatte Wichtigeres zu tun, als sich jetzt darüber Gedanken zu machen. Er bezweifelte, dass die Meuterei jemals Erfolg haben konnte, und es war ihm ziemlich gleichgültig, was Cradock oder Wellesley darüber dachten. Aber er wusste, dass sein Wissen darüber von großem Nutzen sein konnte, und im Moment war es wichtig, dass Argenton in Christopher einen Verbündeten sah. »Sagen Sie mir, was Sie genau von uns wollen«, sagte er zu dem Franzosen.
»Britanniens Einfluss«, sagte Argenton. »Wir wollen, dass Britannien die portugiesischen Führer überredet, Soult als ihren König zu akzeptieren.«
»Ich dachte, Sie haben bereits genug Unterstützung gefunden«, sagte Christopher.
»Ich habe Unterstützung gefunden«, bestätigte Argenton, »aber die meisten Leute werden sich aus Furcht vor der Rachsucht des Mobs nicht erklären. Aber wenn Britannien sie ermuntert, dann werden sie Mut schöpfen. Sie brauchen Ihre Unterstützung nicht mal öffentlich zu machen, sondern nur Briefe an Soult zu schreiben. Und dann sind da die Intellektuellen ...«, Argenton schnaubte höhnisch beim letzten Wort, »... von denen würde jede andere als die eigene Regierung unterstützt werden, doch auch sie brauchen Ermunterung, bevor sie den Mut finden, ihre Unterstützung für Marschall Soult auszusprechen.«