Выбрать главу

»Was ich nicht verstehe ...«, begann Sharpe. Dann legte er eine Pause ein, weil die Haustür geöffnet wurde und Mrs Savage, Witwe und Mutter der vermissten Tochter, in den Sonnenschein heraustrat. Sie war eine gut aussehende Frau Anfang vierzig: dunkelhaarig, groß und schlank, mit blassem Gesicht und hohen Augenbrauen. Sie eilte die Treppe hinab, als eine Kanonenkugel grollte und alarmierend nahe Musketenfeuer einsetzte, so nahe, dass Sharpe die Treppe zur Veranda hinaufstieg und zur Kuppe des Hügels spähte, wo die Straße nach Braga zwischen einer großen Taverne und einer kleinen Kirche verschwand.

Eine portugiesische Sechspfünder-Kanone war soeben bei der Kirche eingesetzt worden und feuerte jetzt auf den unsichtbaren Feind. Die Kräfte des Bischofs hatten auf dem Hügel neue Schanzen angelegt und die mittelalterliche Mauer mit hastig errichteten Palisaden verstärkt, doch der Anblick des kleinen Geschützes, das aus seiner provisorischen Stellung mitten auf der Straße feuerte, ließ darauf schließen, dass diese Verteidigungsanlage nicht viel nutzte.

Mrs Savage schluchzte, dass ihre Tochter für immer verloren sei. Captain Hogan schaffte es, die Witwe zum Einsteigen in die Kutsche zu bewegen. Zwei Diener mit vollgestopften Kleiderbeuteln folgten ihrer Herrin in das Fahrzeug.

»Sie werden Kate suche?« Mrs Savage öffnete die Kutschentür und blickte Captain Hogan flehend an.

»Ihr kostbarer Liebling wird schon bald wieder bei Ihnen sein«, sagte Hogan zuversichtlich. »Mister Sharpe wird dafür sorgen«, fügte er hinzu. Dann schloss er die Kutschentür für Mrs Savage. Sie war die Witwe eines der vielen Weinhändler, die in der Stadt Oporto lebten und arbeiteten. Sie war reich, nahm Sharpe an, wohlhabend genug, um eine prächtige Kutsche und das mondäne Haus Beautiful zu besitzen, aber sie musste auch dumm sein, denn sie hätte die Stadt vor zwei oder drei Tagen verlassen sollen, doch sie war geblieben, weil sie offenbar der Versicherung des Bischofs geglaubt hatte, dass er Marschall Soults Armee zurückschlagen könnte.

Colonel Christopher, der einst im Haus Beautiful logiert hatte, hatte an die britischen Kräfte südlich des Flusses appelliert, Männer zu schicken, die Mrs Savage als Eskorte sicher fortgeleiteten, und Captain Hogan war der nächstranghohe Offizier. Sharpe und seine Schützen hatte Hogan beschützt, während der Pionier das nördliche Portugal kartografisch erfasst hatte, und so war Sharpe mit vierundzwanzig seiner Männer über den Douro nach Norden marschiert, um Mrs Savage und andere bedrohte britische Bewohner von Oporto in Sicherheit zu eskortieren. Was eine simple Aufgabe gewesen wäre. Doch dann hatte die Witwe Savage entdeckt, dass ihre Tochter ausgerissen war.

»Ich verstehe einfach nicht, dass sie ausgebüxt ist«, beharrte Sharpe.

»Vermutlich hat sie sich verliebt«, meinte Hogan. »Dafür sind neunzehnjährige Mädchen aus respektablen Familien anfällig bei all den Liebesromanen, die sie lesen. Ich sehe Sie in zwei Tagen wieder, Richard, oder vielleicht schon morgen? Warten Sie einfach auf Colonel Christopher.« Er neigte sich aus dem Sattel zu Sharpe hinab und senkte die Stimme, sodass nur Sharpe ihn hören konnte. »Halten Sie ein Auge auf den Colonel, Richard. Ich mache mir Sorgen um ihn.«

»Sie sollten sich um mich Sorgen machen, Sir.»

»Das mache ich auch, Richard, wirklich«, sagte Hogan. Dann richtete er sich auf, winkte zum Abschied und ritt hinter der Kutsche her, die durch das Tor des Anwesens fuhr zum Strom der Flüchtlinge, die auf dem Weg zum Douro waren.

Die Geräusche der Kutsche verklangen. Die Sonne kam gerade hinter einer Wolke hervor, als eine französische Kanonenkugel in einen Baum auf der Hügelkuppe schlug und eine rötliche Wolke entstand, die über den Hang trieb. Daniel Hagman starrte auf den Feuerball.

»Sieht fast wie bei einer Silvesterfeier aus«, sagte er und blickte auf, als eine Musketenkugel von einem Dachziegel abprallte. Er zog eine Schere aus der Tasche. »Soll ich Ihnen die Haare schneiden, Sir?«

»Warum nicht, Dan«, sagte Sharpe. Er setzte sich auf die Verandatreppe und nahm seinen Tschako ab.

Sergeant Harper überprüfte, dass die Posten den Norden beobachteten. Ein Trupp portugiesischer Kavallerie war auf dem Hügelhang erschienen, wo die einzige Kanone tapfer feuerte.

Das Knattern von Musketenfeuer bewies, dass einige Infanterie noch kämpfte, aber immer mehr Soldaten zogen sich am Haus vorbei zurück, und Sharpe wusste, dass der Widerstand der Stadt bald ganz zusammenbrechen würde. Hagman begann Sharpes Haare zu schneiden.

»Sie mögen es nicht, wenn es über die Ohren fällt, richtig?«

»Ich mag es kurz, Dan.«

»Kurz wie eine gute Predigt, Sir«, sagte Hagman. »Halten Sie bitte still, Sir, sonst schneide ich noch was Falsches ab.« Hagman zerschnitt eine Laus. Er spuckte auf den Blutstropfen auf Sharpes Haaren und wischte ihn ab. »Die Franzmänner werden also die Stadt einnehmen, Sir?«

»Sieht so aus«, sagte Sharpe.

»Und sie werden als Nächstes nach Lissabon marschieren?«, fragte Hagman und schnitt eifrig weiter.

»Es ist ein weiter Weg bis Lissabon«, sagte Sharpe.

»Vielleicht, Sir, aber es sind schrecklich viele und wir sind nur wenige.«

»Aber es heißt, Wellesley kommt her«, sagte Sharpe.

»Das beteuern Sie uns dauernd, aber kann er tatsächlich Wunder bewirken?«

»Sie haben in Kopenhagen gekämpft, Dan«, sagte Sharpe, »und hier an der Küste.« Er bezog sich auf die Schlachten von Rolica und Vimeiro. »Da konnten Sie es selbst sehen.«

»Von der Schützenlinie aus sieht jeder General gleich aus«, sagte Hagman, »und wer weiß, ob Sir Arthur wirklich kommen wird. Es war schließlich nur ein Gerücht, dass Sir Arthur Wellesley von General Cradock das Kommando übernimmt, und nicht jeder hat es geglaubt. Viele dachten, die Briten würden sich zurückziehen, sie sollten das Spiel aufgeben und den Franzosen Portugal überlassen. Drehen Sie den Kopf bitte ein wenig nach rechts, Sir.«

Er schnitt eifrig weiter an Sharpes Haaren herum, hielt nicht mal inne, als eine Kanonenkugel in die kleine Kirche auf dem Hügel schlug. Eine Staubwolke war neben dem weiß getünchten Kirchturm zu sehen, in dem sich plötzlich ein Riss befand. Die portugiesische Kavallerie war vom Rauch des Geschützes eingehüllt worden, und in der Ferne schmetterte eine Trompete. Musketenfeuer setzte ein, dann herrschte Stille. Ein Gebäude musste jenseits der Hügelkuppe in Brand geraten sein, denn ein großer Rauchpilz stieg auf, zerfaserte und trieb westwärts.

»Warum würde jemand sein Haus ›Beautiful‹ nennen?«, überlegte Hagman verwundert.

»Ich wusste gar nicht, dass Sie lesen können, Dan«, sagte Sharpe.

»Das kann ich nicht, aber Isaiah hat es mir vorgelesen.«

»Tongue!«, rief Sharpe. »Warum würde jemand sein Haus ›Beautiful‹ nennen?«

Isaiah Tongue, lang und dünn und gebildet, der zur Armee gegangen war, weil er als Trunkenbold seinen respektablen Job verloren hatte, grinste breit. »Weil er ein guter Protestant ist, Sir.«

»Ein guter - was?«

»Es ist aus einem Buch von John Bunyan«, erklärte Tongue. »Es heißt Pilgerreise zur seligen Ewigkeit.«

»Davon habe ich gehört«, murmelte Sharpe.

»Einige Leute betrachten es als Pflichtlektüre«, sagte Tongue. »Es ist die Geschichte der Reise einer Seele von der Sünde bis zur Erlösung, Sir.«

»Genau das Richtige für Sie, um des Nachts bei Kerzenschein zu schmökern«, sagte Sharpe.

»Und der Held, Christ, besucht das Haus Beautiful, wo er mit vier Jungfrauen redet.«

Hagman lachte. »Da geht's also zur Sache, Sir.«

»Sie sind zu alt für eine Jungfrau, Dan«, sagte Sharpe.

»Einsicht«, sagte Tongue, »Frömmigkeit, Klugheit und Liebe.«

»Was ist damit?«, wollte Sharpe wissen.

»Das sind die Namen der Jungfrauen, Sir«, sagte Tongue.