»Das hat der Colonel gesagt.«
»Und denken Sie das auch?«
Sharpe starrte nach Osten, Richtung Spanien. Der Himmel war dort weiß, wolkenlos, aber flimmernd vor Hitze, und dort, fern im Osten, donnerte es wie ein unregelmäßiger Herzschlag, so weit entfernt, dass es kaum zu hören war. Es war Kanonenfeuer, der Beweis, dass Franzosen und Portugiesen immer noch an der Brücke bei Amarante kämpften. »Es riecht nicht nach Frieden für mich, Pat.«
»Die Leute hier hassen die Franzosen, Sir. Und auch die Dons hassen sie.«
»Das heißt aber nicht, dass die Politiker keinen Frieden schließen können«, sagte Sharpe.
»Diese schleimigen Bastarde werden alles tun, um sich reich zu machen«, stimmte Harper zu.
»Aber Captain Hogan hat niemals den Frieden im Wind gerochen«, sagte Sharpe.
»Daran hat er nicht mal gedacht«, meinte Harper.
»Aber wir haben Befehle«, sagte Sharpe, »direkt von General Cradock.«
Harper schnitt eine Grimasse. »Sie sind gut im Befolgen von Befehlen, Sir.«
»Und der General will, dass wir hierbleiben. Gott weiß, warum. Da ist etwas Seltsames im Wind, Pat. Vielleicht ist es Frieden. Gott weiß, was Sie und ich dann tun werden.« Er zuckte mit den Schultern und ging ins Haus, um sein Fernrohr zu holen. Doch auf dem Tisch in der Halle lag nichts außer einem silbernen Brieföffner.
Christopher hatte sein Fernrohr gestohlen. Dieser Bastard!
»Der Name hat mir nie gefallen«, sagte Colonel Christopher. »Es ist nicht mal ein schönes Haus!«
»Mein Vater hat es so benannt«, sagte Kate. »Er fand es schön.«
»Mein Gott, über Geschmack kann man trefflich streiten!« Sie waren wieder in Oporto, wo Colonel Christopher die vernachlässigten Weinkeller des Hauses Beautiful geöffnet und staubige Flaschen von altem Portwein und einige vinho verde - einen fast goldfarbenen Weißwein - entdeckt hatte. Er trank jetzt davon, als er durch den Garten schlenderte. Die Blumen waren erblüht, der Rasen war kürzlich gemäht worden, und das Einzige, was diesen Tag störte, war der Gestank von niedergebrannten Häusern. Es war fast einen Monat her, seit die Stadt gefallen war, und immer noch stieg Gestank aus einigen der Ruinen in der Unterstadt, wo unter der Asche Leichen verwesten. Es gab Geschichten, dass dann und wann die Leichen von Ertrunkenen im Fluss auftauchten.
Colonel Christopher saß unter einer Zypresse und betrachtete Kate. Er fand sie erregend schön. An diesem Morgen hatte er einen französischen Schneider bestellt, Marschall Soults persönlichen Schneider, und, zu Kates Verlegenheit, hatte er bei ihr Maß nehmen lassen für eine französische Husarenuniform. »Warum sollte ich solch ein Ding tragen?«, hatte Kate gefragt, und Christopher hatte ihr verschwiegen, dass er eine Französin in solch einer Uniform gesehen hatte, die Reithose hauteng, der Rock nur bis eben über die Taille, sodass der knackige Po betont war. Und Kates Beine waren länger und gerader, und Christopher, der sich reich fühlte, weil General Cradock die Gelder freigegeben hatte, die Christopher für notwendig hielt, um Argentons Meuterer zu ermuntern, hatte dem Schneider einen ungeheuren Preis versprochen, wenn er die Uniform schnell lieferte.
»Warum diese Uniform tragen?«, erwiderte er auf ihre Frage. »Weil du feststellen wirst, dass es leicht sein wird, mit Hose ein Pferd zu reiten, weil dir die Uniform reizend steht und weil es unsere französischen Feinde überzeugt, dass du kein Feind bist, und das Beste von allem, meine Liebste, weil mich der Anblick erregt.« Er wechselte das Thema. »Gefällt dir der Name ›Haus Beautiful‹ wirklich?«
»Ich habe mich daran gewöhnt.«
»Aber du hängst nicht daran? Es ist keine Sache des Glaubens für dich?«
»Glauben?« Kate, in einem weißen Leinenkleid, blickte nachdenklich drein. »Ich betrachte mich als Christin.«
»Eine protestantische Christin«, sagte ihr Mann. »Aber ist der Name des Hauses nicht etwas protzig in einer römisch-katholischen Gesellschaft?«
»Das bezweifle ich. Mein Vater hat den Namen in einem Buch von Bunyan gelesen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass hier jemand Bunyan kennt.«
»Jemand könnte ihn kennen«, widersprach Christopher, »und man könnte sich beleidigt fühlen.« Er lächelte sie an. »Vergiss nicht, dass ich ein Diplomat bin. Es ist mein Job, das Krumme gerade zu biegen und das Unebene zu glätten.«
»Ist es das, was du hier tust?«, fragte Kate und wies auf die Stadt unter ihnen, wo die Franzosen Häuser plünderten und Leute verbitterten.
»Oh, Kate«, sagte Christoph traurig. »Dies ist Fortschritt.«
»Fortschritt?«
Christopher erhob sich, um auf und ab zu schlendern und zu überlegen, wie er ihr erklären sollte, dass sich die Welt um sie herum schnell veränderte. »Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde, als du dir in deiner Fantasie erträumen kannst«, sagte er, und Kate, der er das mehr als einmal in ihrer kurzen Ehe gesagt hatte, unterdrückte ihren aufkommenden Ärger und hörte ihrem Ehemann zu. »Könige sind entthront worden, Kate, ganze Länder kommen jetzt ohne sie zurecht. Das hielt man früher für undenkbar! Es wäre fast einem Widerstand gegen Gottes Plan für die Welt gleichgekommen, aber wir erleben eine neue Offenbarung. Es ist eine Neuordnung der Welt. Was sieht das einfache Volk hier? Krieg! Nichts als Krieg, aber welcher Krieg zwischen wem? Zwischen Frankreich und Britannien? Frankreich und Portugal? Nein! Es ist ein Krieg zwischen dem Althergebrachten und dem neuen Weg. Der Aberglaube bröckelt. Ich verteidige nicht Bonaparte. Guter Gott, nein! Er ist ein Aufschneider, ein Großprotz und Abenteurer, aber er ist auch ein Instrument. Er brennt aus, was in den alten Regimen schlecht ist, und schafft Platz für die neuen Ideen, die kommen werden. Vernunft! Das ist es, was die neuen Regime in Schwung bringt, Kate, Vernunft!«
»Ich dachte, das wäre Freiheit«, sagte Kate.
»Freiheit! Man hat keine Freiheit außer der, Regeln zu befolgen, doch wer stellt die Regeln auf? Mit Glück, Kate, sind es vernünftige Männer, die vernünftige Regeln aufstellen. Kluge, schlaue Männer. Letzten Endes ist es eine Clique kluger Intellektueller, welche die Regeln bestimmen wird, doch sie werden sie erstellen nach den Lehren der Vernunft. Es gibt einige von uns in Britannien, ein paar, die verstehen, dass es zu dieser Anschauung kommen wird. Wir müssen auch dabei helfen. Aber wenn wir es bekämpfen, dann wird sich die Welt ohne uns erneuern und wir werden vom Verstand besiegt werden. Deshalb müssen wir daran arbeiten.«
»Mit Bonaparte?«, fragte Kate, und es klang angewidert.
»Mit all den Ländern von Europa«, sagte Christopher begeistert. »Mit Portugal und Spanien, mit Preußen und Österreich, mit Holland und, ja, mit Frankreich. Wir haben mehr Gemeinsames, als uns teilt, doch wir bekämpfen uns! Welchen Sinn hat das? Es kann keinen Fortschritt ohne Frieden geben, Kate, keinen! Willst du Frieden, meine Liebste?«
»Unbedingt.«
»Dann vertrau mir, dass ich weiß, was ich tue.«
Und sie vertraute ihm, denn sie war jung, und ihr Ehemann war so viel älter, und sie wusste, dass er vertraut mit Meinungen war, die weitaus klüger als ihre Gefühle waren.
Doch am folgenden Abend wurde dieses Vertrauen auf die Probe gestellt, als vier französische Offiziere und ihre Frauen zum Abendessen ins Haus Beautiful kamen. Die Gruppe wurde von Brigadier General Henri Vuillard angeführt, einem eleganten, gut aussehenden Mann, der Kate galant die Hand küsste und ihr Komplimente über das Haus und den Garten machte. Vuillards Diener brachte eine Kiste Wein als Geschenk mit, was kaum taktvoll war, denn der Wein war Savages bester, erbeutet von einem der britischen Schiffe, die bei der Windflaute an Oportos Kais gelegen hatten, als die Franzosen die Stadt eingenommen hatten.
Nach dem Abendessen unterhielten die drei Offiziere in Begleitung des Generals die Damen im Salon, während Christopher und Vuillard im Garten promenierten und ihr Zigarrenrauch zu den schwarzen Zypressen aufstieg.