»Soult ist besorgt«, sagte Vuillard.
»Wegen Cradock?«
»Cradock ist ein altes Weib«, sagte Vuillard verächtlich. »Es ist doch wahr, dass er sich schon im letzten Jahr zurückziehen wollte? Aber was ist mit Wellesley?«
»Der ist härter«, gab Christopher zu, »aber es ist keineswegs sicher, dass er herkommen wird. Er hat Feinde in London.«
»Politische Feinde, könnte ich mir denken«, sagte Vuillard.
»So ist es.«
»Die gefährlichsten Feinde eines Soldaten«, sagte Vuillard. Er war in Christophers Alter und ein Favorit von Marschall Soult. »Nein, Soult ist besorgt, weil wir Soldaten vergeuden, um unsere Nachschublinien zu schützen. Wenn wir zwei Bauern mit Luntenschlossmusketen töten, springen zehnmal so viele aus ihrer Deckung, und die haben keine Luntenschlossmusketen mehr, sondern gute britische Musketen, die von Ihrem verdammten Land geliefert wurden.«
»Nehmen Sie Lissabon ein«, sagte Christopher, »und jeden anderen Hafen, und die Versorgung mit Waffen wird gestoppt.«
»Zu gegebener Zeit werden wir das tun«, versprach Vuillard, »aber wir können es nicht ohne weitere fünfzehntausend Mann schaffen.«
Christopher blieb am Rand des Gartens stehen und blickte einen Augenblick über den Douro. Die Stadt lag unter ihm, und der Rauch aus Tausenden Küchen stieg in den dunklen Himmel. »Wird sich Soult zum König machen?«
»Wissen Sie, welchen Spitznamen er jetzt hat?«, fragte Vuillard belustigt. »König Nicolas! Nein, er wird die Erklärung nicht abgeben, nicht, wenn er einen Funken Verstand hat, und er hat wohl gerade ein Fünkchen, das reicht. Die Einheimischen würden nicht hinter ihm stehen, die Armee würde ihn nicht unterstützen, und der Kaiser würde ihm dafür die Eier rösten.«
Christopher lächelte. »Aber er ist in Versuchung.«
»Ja, er ist in Versuchung, aber für gewöhnlich zügelt er sich, bevor er zu weit geht. Für gewöhnlich.« Vuillard war offenbar auf der Hut vor Soult. Erst vor einem Tag hatte er einen Brief an alle Generäle in seiner Armee verschickt und vorgeschlagen, die Portugiesen zu ermuntern, seine Ambitionen, König zu werden, zu unterstützen. Es war verrückt, wie Vuillard fand, aber Soult war besessen von der Vorstellung, König zu werden. »Ich habe ihm gesagt, dass er eine Meuterei provozieren wird, wenn er sich nicht zügelt.«
»Das wird er«, sagte Christopher, »und Sie müssen wissen, dass Argenton in Coimbra war. Er hat Cradock getroffen.«
»Argenton ist ein Narr«, schnaubte Vuillard.
»Ein nützlicher Narr. Lassen Sie ihn ruhig mit den Briten sprechen. Sie werden nichts tun. Warum sollten sich die Briten anstrengen, wenn sich Ihre Armee selbst durch Meuterei zerstören wird?«
»Aber wird sie das?«, fragte Vuillard. »Für wie viele Offiziere spricht Argenton?«
»Für genug«, sagte Christopher, »und ich habe ihre Namen.«
Vuillard lachte leise. »Ich könnte Sie festnehmen lassen, Engländer, und ein paar Dragonern übergeben, die diese Namen in zwei Minuten aus Ihnen herausprügeln.«
»Sie werden die Namen bekommen«, sagte Christopher. »Zu gegebener Zeit. Doch im Moment, General, gebe ich Ihnen dies stattdessen.« Er überreichte Vuillard ein Kuvert.
»Was ist das?« Es war zu dunkel im Garten, um irgendetwas lesen zu können.
»Cradocks Schlachtordnung«, sagte Christopher. »Einige seiner Truppen sind in Coimbra, aber die meisten sind in Lissabon. Kurz gesagt, er hat sechzehntausend britische Bajonette und siebentausend Portugiesen. Die Einzelheiten stehen allesamt da drin, und Sie werden feststellen, dass es ihnen besonders an Artillerie mangelt.«
»Wie besonders?«
»Sie haben drei Batterien Sechspfünder«, sagte Christopher. »Und eine von Dreipfündern. Es gibt Gerüchte, dass mehr Geschütze, schwerere, kommen sollen, doch solche Gerüchte haben sich in der Vergangenheit stets als falsch erwiesen.«
»Dreipfünder!« Vuillard lachte. »Da könnten sie uns ja genauso gut mit Steinen bewerfen.« Der Brigadier General klopfte auf das Kuvert. »Was wollen Sie also von uns?«
Christopher ging ein paar Schritte in Schweigen versunken, dann zuckte er mit den Schultern. »Es hat für mich den Anschein, dass Europa von Paris aus regiert werden wird, nicht von London. Ihr werdet hier Euren eigenen König einsetzen.«
»Richtig«, sagte Vuillard, »und es könnte sogar König Nicolas sein, wenn er Lissabon schnell genug einnimmt, doch der Kaiser hat einen Stall voller müßiger Brüder. Einer davon wird vermutlich Portugal bekommen.«
»Aber wer das auch immer sein wird«, sagte Christopher, »ich kann nützlich für ihn sein.«
»Indem Sie uns dies geben ...«, Vuillard schwenkte das Kuvert, »... und ein paar Namen, die ich aus Argenton rausquetschen kann, wann immer ich will?«
»Wenn Sie erst ganz Portugal erobert haben, General, dann werden Sie es befrieden müssen«, sagte Christopher glatt. »Ich weiß, wem Sie hier vertrauen können, wer mit Ihnen kooperiert und wer ein heimlicher Feind ist. Ich weiß, welche Männer eines sagen und das andere tun. Ich gebe Ihnen all diese Kenntnisse des Auswärtigen Amts. Ich weiß, wer für Britannien spioniert und wer sein Zahlmeister ist. Ich weiß, welche Codes sie benutzen und welche Nachrichtenwege sie haben. Mir ist bekannt, wer für Sie und gegen Sie arbeiten wird. Ich weiß, wer Sie belügen oder Ihnen die Wahrheit sagen wird. Kurz gesagt, General, ich kann Ihnen tausend Tode ersparen, vorausgesetzt natürlich, Sie würden lieber Ihre Soldaten gegen Bauern in die Hügel schicken.«
Vuillard lachte. »Und was ist, wenn ich Portugal nicht erobere? Was geschieht mit Ihnen, wenn ich mich zurückziehe?«
»Dann werde ich den Besitz der Savages haben«, sagte Christopher ruhig, »und meine Vorgesetzten daheim werden denken, dass ich mit der Ermunterung zur Meuterei in Ihren Reihen gescheitert bin. Aber ich bezweifle, dass Sie verlieren werden. Was hat den Kaiser bis jetzt gestoppt?«
»La Manche«, sagte Vuillard trocken und meinte den Englischen Kanal. Er zog an seiner Zigarre. »Sie kamen zu mir«, sagte er, »mit Neuigkeiten von Meuterei, aber Sie haben mir nie gesagt, was Sie als Gegenleistung haben wollen. Also sagen Sie es mir jetzt, Engländer.«
»Ich will den Portweinhandel.«
Die Antwort verblüffte Vuillard, und er blieb stehen. »Den Portweinhandel?«
»Alles davon. Croft, Taylor Fladgate, Burmester, Smith Woodhouse, Dow's, Savages, Gould, Kopke, Sandeman, all die Kellereien. Ich will sie nicht besitzen, ich habe bereits Savages oder werde sie haben. Ich will der einzige Verschiffer sein.«
Vuillard brauchte einen Moment, um die Tragweite der Forderung zu verstehen. »Sie würden die Hälfte des Exporthandels von Portugal kontrollieren!«, sagte er. »Damit werden Sie reicher sein als der Kaiser!«
»Nicht ganz«, sagte Christopher, »denn der Kaiser wird mich besteuern, und ich kann keine Steuer von ihm verlangen. Der Mann, der unermesslich reich wird, General, ist derjenige, der die Steuer erhebt, nicht der, der sie bezahlt.«
»Sie würden trotzdem reich werden.«
»Und das, General, ist es, was ich will.«
Vuillard starrte auf den dunklen Rasen. Jemand spielte im Haus Beautiful Cembalo, und Frauengelächter war zu hören. Frieden wird vielleicht kommen, dachte der General, und möglicherweise kann mir dieser clevere Engländer helfen, ihn herbeizuführen.
»Sie haben mir noch nicht die Namen genannt, die ich haben will«, sagte er, »und Sie müssen mir eine Liste der britischen Kräfte geben. Aber woher soll ich wissen, dass Sie mich nicht betrügen?«
»Das wissen Sie nicht.«
»Ich will mehr als Listen«, sagte Vuillard hart. »Ich muss wissen, ob Sie bereit sind, mir etwas Handfestes zu geben, als Beweis dafür, dass Sie auf unserer Seite sind.«
»Sie wollen Blut«, sagte Christopher milde. Er hatte die Forderung erwartet.