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In einigen Orten, wie in Oporto, war jegliche Ordnung zusammengebrochen, und die Straßen wurden von den Launen der ordenança beherrscht, die - aus Mangel an richtigen Waffen - mit Piken, Äxten und Hacken patrouillierten. Bevor die Franzosen gekommen waren, hatte die ordenança die halbe Oberschicht von Oporto massakriert und die andere Hälfte gezwungen, zu fliehen oder ihre Häuser zu verbarrikadieren.

Portugal war also im Begriff, zusammenzubrechen, aber Sharpe hatte ebenfalls gesehen, dass das einfache Volk die Franzosen hasste - wie die Soldaten langsamer geworden waren, als sie das Tor des Anwesens vom Haus Beautiful passiert hatten. Oporto mochte vom Feind erobert werden, doch es gab noch viel Kampfgeist in Portugal.

Lieutenant Colonel Christopher warf einen Blick auf die Flüchtlinge, dann sah er wieder Sharpe an. »Was, um Himmels willen, hat sich Captain Hogan dabei gedacht?«, fragte er und erwartete offenbar keine Antwort. »Zu welchem Nutzen könnte das für mich sein? Ihre Anwesenheit kann mich nur verlangsamen. Ich nehme an, Hogan wollte großzügig sein. Aber der Mann hat nicht mehr gesunden Menschenverstand als eine eingelegte Zwiebel. Sie können zu ihm zurückgehen, Sharpe, und ihm sagen, dass ich keine Hilfe brauche, um ein verdammt albernes Mädchen zu retten.« Der Colonel hatte lauter sprechen müssen, um nicht vom plötzlich stärkeren Krachen von Kanonen und Musketen übertönt zu werden.

»Er hat mir einen Befehl erteilt, Sir«, sagte Sharpe stur.

»Und ich erteile Ihnen einen anderen«, sagte Christopher in nachsichtigem Tonfall, als spreche er zu einem kleinen Kind. Sein Sattelknauf war breit und flach, sodass er ihn als kleine Schreibunterlage benutzen konnte, und jetzt legte er ein Notizbuch darauf und nahm einen Bleistift, und in diesem Moment schlug eine Kanonenkugel in die rot erblühten Bäume auf dem Hang, und die Luft war von Blütenblättern erfüllt.

»Die Franzosen führen Krieg gegen die Kirschblüte«, sagte Christopher leichthin.

»Gegen Judas«, sagte Sharpe.

Christopher sah ihn erstaunt und dann empört an. »Was haben Sie da gesagt?«

»Es sind Blätter von einem Judas«, sagte Sharpe.

Christopher sah immer noch empört aus. Dann schaltete sich Sergeant Harper ein. »Es ist kein Kirschbaum, Sir. Es ist ein Judasbaum. Die gleiche Art, an der sich Ischariot aufhängte, Sir, nachdem er unseren Herrn verriet.«

Christopher starrte immer noch Sharpe an, dann schien ihm klar zu werden, dass Sharpe es nicht beleidigend gemeint hatte. »Es ist also kein Kirschbaum, aha«, sagte er, leckte an der Spitze des Bleistifts und begann zu schreiben: »Sie erhalten hiermit den Befehl, unverzüglich - merken Sie sich das, unverzüglich - südlich des Flusses zurückzukehren und sich zum Dienst bei Captain Hogan von den Royal Engineers zu melden. Unterzeichnet, Lieutenant Colonel James Christopher, am Vormittag des 29. März 1809.« Er unterschrieb schwungvoll, riss die Seite aus dem Notizbuch, faltete sie und überreichte sie Sharpe. »Ich dachte immer, dreißig Silberlinge sind ein bemerkenswert geringer Preis für den berühmtesten Verrat in der Geschichte. Vermutlich hängte er sich aus Scham auf. Und jetzt gehen Sie.« Er trieb sein Pferd an. »Ich möchte Sie wirklich nicht zur Hast antreiben, aber der Feind wird jetzt jeden Moment hier sein.«

Zumindest damit hatte er recht. Eine große Wolke aus Staub und Rauch stieg aus dem Bollwerk der nördlichen Verteidigungsanlage der Stadt auf, wo die Portugiesen den stärksten Widerstand geleistet hatten, doch die französische Artillerie hatte es geschafft, eine Bresche in die Mauer zu schießen. Jetzt griff ihre Infanterie die Bastionen an, und die Mehrheit der Verteidiger der Stadt ergriff die Flucht.

Sharpe beobachtete, wie Christopher und sein Diener zwischen den Flüchtenden hindurchgaloppierten und in eine Straße abbogen, die ostwärts führte. Christopher zog sich nicht nach Süden zurück, sondern ritt auf der Fährte des vermissten Mädchens, doch es würde knapp werden, die Stadt zu verlassen, bevor die Franzosen sie einnahmen.

»Also, Jungs!«, rief Sharpe. »Es ist Zeit, abzuhauen. Sergeant! Im Schnellschritt! Runter zur Brücke!«

»Wird verdammt Zeit«, grollte Williamson.

Sharpe tat, als hätte er nichts gehört. Er neigte dazu, eine Menge von Williamsons Bemerkungen zu ignorieren. Er hatte gedacht, der Mann würde sich bessern, doch er wusste, je länger er nichts unternahm, desto gewalttätiger würde die Lösung sein. Er konnte nur hoffen, dass Williamson das Gleiche wusste.

»Zweierreihe!«, rief Sharpe. »Zusammenbleiben!«

Eine Kanonenkugel grollte über ihnen, als sie aus dem vorderen Garten und die steile Straße zum Fluss hinabrannten. Die Straße war voller Flüchtlinge, sowohl zivilen als auch militärischen, und alle flüchteten in die Sicherheit des südlichen Flussufers.

Sharpe nahm an, dass die Franzosen den Fluss ebenfalls binnen ein, zwei Tagen überqueren würden. Dann war die Sicherheit vermutlich illusorisch. Die portugiesische Armee fiel zurück gen Coimbra oder sogar den ganzen Weg bis nach Lissabon, wo Cradock sechzehntausend britische Soldaten hatte, die einige Politiker in London heimholen wollten. Von welchem Nutzen, fragten sie, war eine so kleine britische Streitmacht gegen die mächtigen Armeen von Frankreich? Marschall Soult eroberte Portugal, und zwei weitere französische Armeen befanden sich dicht hinter der östlichen Grenze in Spanien. Kämpfen oder flüchten? Niemand wusste, was die Briten tun würden, doch die Gerüchte, dass Sir Arthur Wellesley zurückgeschickt wurde, um Cradock abzulösen, ließen darauf schließen, dass die Briten kämpfen wollten, und Sharpe hoffte inbrünstig, dass die Gerüchte stimmten. Er hatte in Indien unter Sir Arthurs Kommando gekämpft, war mit ihm in Kopenhagen und dann in Rolica und Vimeiro gewesen. Sharpe fand, dass es keinen besseren General in Europa gab.

Sharpe war jetzt halbwegs den Hügel hinab. Sein Tornister, Brotbeutel, Gewehr, Säbel und Patronentasche hüpften und schaukelten beim Laufen. Nur wenige Offiziere trugen ein Gewehr, doch Sharpe hatte einst in den Mannschaften gedient und fühlte sich unbehaglich ohne eines. Harper verlor das Gleichgewicht, weil er mit den neuen Nägeln auf den Stiefelsohlen auf Steinen ausrutschte.

Der Fluss war zwischen Gebäuden sichtbar. Der Douro war so breit wie die Themse in London, doch im Gegensatz dazu verlief er hier zwischen hohen Hügeln. Die Stadt Oporto befand sich auf dem steilen nördlichen Hügel, während Vila Nova de Gaia auf dem südlichen lag, und es war in Vila Nova, wo die meisten der Briten ihre Häuser hatten. Nur die ältesten Familien wie die Savages wohnten auf dem Nordufer. Die Villen am Südufer hatten britische Besitzer, deren Exporte viel zu den Finanzen Portugals beitrugen, doch jetzt kamen die Franzosen.

Auf den Höhen von Vila Nova, die den Fluss überblickten, hatte die portugiesische Armee ein Dutzend Kanonen auf der Terrasse eines Klosters aufgestellt. Die Kanoniere sahen die Franzosen auf dem gegenüberliegenden Hügel auftauchen, und die Kanonen donnerten los. Pulverrauch trieb langsam landeinwärts, verhüllte das weiß getünchte Kloster, während die Kanonenkugeln in die höheren Häuser schlugen.

Harper rutschte wieder aus und stürzte diesmal. »Verdammte Stiefel«, fluchte er und hob sein Gewehr auf. Die anderen Schützen wurden vom Gewühl der vielen Flüchtlinge verlangsamt.

»Mein Gott.« Schütze Pendleton, der Jüngste in der Kompanie, sah als Erster, was am Fluss geschah, und seine Augen weiteten sich, als er auf die Menge von Frauen, Kindern und Vieh starrte, die sich auf der schmalen Pontonbrücke drängte. Als Captain Hogan Sharpe und seine Männer im Morgengrauen über die Brücke geführt hatte, waren nur ein paar Leute darauf gewesen, doch jetzt war sie gefüllt. Die Menge konnte nur dicht gedrängt vorankommen, und immer noch drängten mehr Menschen und Tiere auf das nördliche Ende der Brücke.