»Es gibt nichts, was wir tun können.«
»Aber es sind Frauen dort! Und Kinder!«
»Ich weiß.«
»Wir können sie nicht einfach im Stich lassen.«
»Was sollen wir Ihrer Meinung nach denn tun?«, fragte Sharpe. »Dort runtergehen und sie retten? Und während wir dort sind, was geschieht dann hier? Diese Bastarde werden den Hügel einnehmen.« Er wies auf die französischen voltigeurs, die immer noch auf halbem Weg auf dem Hügel waren, unentschlossen, ob sie weiterklettern oder den Versuch aufgeben sollten. »Und wenn Sie dort runtergehen«, fuhr Sharpe fort, »was erwartet Sie dann? Dragoner. Hunderte verdammte Dragoner. Und wenn der Letzte Ihrer Männer tot ist, haben Sie die Genugtuung, versucht zu haben, das Dorf zu retten. Es gibt nichts, was Sie tun können.«
»Wir müssen es versuchen«, beharrte Vicente stur.
»Sie wollen Männer auf Patrouille mitnehmen? Dann tun Sie das, aber der Rest von uns bleibt hier. Diese Festung ist unsere einzige Chance, zu überleben.«
Vicente erschauerte. »Sie wollen nicht mehr nach Süden marschieren?«
»Wenn wir von diesem Hügel runtergehen«, sagte Sharpe, »werden uns die verdammten Dragoner mit ihren Säbeln einen Haarschnitt verpassen. Wir sind in der Falle, Leutnant, in der Todesfalle.«
»Und Sie erlauben, dass ich eine Patrouille runter ins Dorf führe?«
»Drei Männer«, sagte Sharpe. Es widerstrebte ihm, selbst auf nur drei Männer zu verzichten, doch er konnte verstehen, dass sich der portugiesische Leutnant um seine Landsleute sorgte. »Bleiben Sie in Deckung, Leutnant«, mahnte Sharpe. »Halten Sie sich zwischen den Bäumen. Und seien Sie sehr vorsichtig.«
Drei Stunden später kehrte Vicente zurück. Es waren einfach zu viele Dragoner und Infanteristen rings um Vila de Zedes, und er war nicht ins Dorf hineingekommen. »Aber ich habe Schreie gehört«, berichtete er.
Unter Sharpe, jenseits der Quinta, brannten die Reste der Dorfkirche in der Dunkelheit aus. Es war das einzige Licht, das er sehen konnte. Er sah kein Funkeln von Sternen, keinen Lichtschein von Kerzen oder Lampen, nur das rötliche Glühen der brennenden Kirche.
Und morgen, das wusste Sharpe, würden die Franzosen von Neuem angreifen.
Am Morgen frühstückten die französischen Offiziere auf der Terrasse der Taverne unter einer Pergola. Das Dorf war voller Proviant gewesen, und es gab frisch gebackenes Brot, Schinken, Eier und Kaffee zum Frühstück.
Der Regen hatte aufgehört, und es war nur noch der Hauch von Luftfeuchtigkeit im Wind. Das Versprechen warmen Sonnenscheins lag in der Luft. Der Rauch der ausgebrannten Kirche trieb nordwärts und nahm den Geruch verbrannten Fleisches mit.
Maria, das rothaarige Mädchen, servierte Colonel Christopher Kaffee. Der Colonel pulte mit einem Zahnstocher aus Elfenbein zwischen den Zähnen. Er nahm ihn aus dem Mund, um sich bei ihr zu bedanken. »Obrigado, Maria«, sagte er freundlich. Maria erschauerte, nahm es trotzdem mit einem hastigen Nicken zur Kenntnis und zog sich zurück.
»Sie ersetzt Ihren Diener?«, fragte Brigadier General Vuillard.
»Der verdammte Kerl ist verschwunden«, sagte Christopher.
»Ein guter Tausch«, sagte Vuillard und beobachtete Maria. »Die ist viel hübscher als der Diener.«
»Sie war hübsch«, sagte Christopher. Maria hatte jetzt überall blaue Flecken, und ihr Gesicht war geschwollen. Von ihrer Schönheit war nicht mehr viel zu sehen. »Und sie wird wieder hübsch sein«, fuhr Christopher fort.
»Sie haben sie geschlagen und hart rangenommen«, sagte Vuillard mit leichtem Tadel.
Christopher nippte an seinem Kaffee. »Bei den Engländern gibt es ein Sprichwort über einen Spaniel, eine Frau und einen Walnussbaum: Je härter man sie schlägt, desto besser werden sie.«
»Ein Walnussbaum?«
»Es heißt, wenn der Stamm gut geschlagen wird, steigert das die Anzahl der Nüsse. Ich habe keine Ahnung, ob das stimmt, aber ich weiß, dass eine Frau gebrochen werden muss wie ein Hund oder Pferd.«
»Gebrochen«, wiederholte Vuillard, und es klang fast ehrfürchtig bewundernd.
»Das rothaarige Mädchen wollte nicht so wie ich«, erklärte Christopher. »Sie kämpfte dagegen an, und da habe ich ihr gezeigt, wer der Herr ist. Jede Frau muss das lernen.«
»Selbst eine Ehefrau?«
»Besonders eine Ehefrau«, bekräftigte Christopher, »obwohl es da etwas länger dauert. Sie brechen eine gute Stute nicht schnell ein, sondern nehmen sich Zeit. Aber dieser ...«, er nickte zu Maria hin, »... musste ich es schnell hart besorgen. Mir macht es nichts aus, wenn sie ärgerlich ist, aber man will keine Frau, die einem mit ihrem Ärger die Freude verdirbt und sich zu sehr ziert.«
Maria war nicht die Einzige mit blauen Flecken und verquollenem Gesicht. Major Dulong hatte eine dunkle Schwellung auf dem Nasenrücken und blickte finster drein. Der Major war vor den britischen und portugiesischen Soldaten beim Wachturm gewesen, jedoch mit einem kleineren Trupp von Männern, und dann war er von der Wildheit überrascht worden, mit der Sharpe ihn angegriffen hatte. »Lassen Sie mich dorthin zurückkehren, mon général«, sagte er flehend zu Vuillard.
»Natürlich, Dulong, natürlich.« Vuillard gab dem Offizier der voltigeurs keine Schuld am einzigen Scheitern in der Nacht. Es hatte den Anschein, dass die britischen und portugiesischen Soldaten, die jeder im Stall der Quinta gewähnt hatte, nach Süden marschiert und deshalb auf halbem Weg zum Wachturm gewesen waren, als der Angriff begonnen hatte. Aber Major Dulong war nicht an Scheitern gewöhnt, und deshalb nagte es an seinem Stolz, zurückgeschlagen worden zu sein. »Selbstverständlich können Sie sich revanchieren«, versicherte ihm der Brigadier General, »aber nicht sofort. Ich denke, wir sollten den belle filles den Vortritt lassen, ja?«
»Den belle filles?«, fragte Christopher und fragte sich, warum um alles in der Welt Vuillard »schöne Mädchen« zum Wachturm schicken würde.
»Der Name des Kaisers für seine Kanonen«, erklärte Vuillard, »Les belles filles. Da ist eine Batterie in Valengo, und sie muss ein paar Haubitzen haben. Bestimmt werden uns die Kanoniere ihre Spielzeuge leihen, und diese Idioten auf dem Hügel werden so gebrochen wie die Rothaarige, der Sie es besorgt haben.« Der Brigadier General betrachtete die Mädchen, als sie das Essen brachten. »Nach dem Essen werde ich mich davon überzeugen, was sie von Ihnen gelernt haben. Vielleicht sind Sie so nett, mir Ihr Fernrohr zu leihen?«
»Selbstverständlich.« Christopher schob das Glas über den Tisch. »Aber ich bitte Sie, behutsam damit umzugehen, mein lieber Vuillard. Es bedeutet mir sehr viel.«
Vuillard las die Inschrift, und er kannte genügend Englisch, um die Bedeutung zu entziffern. »Wer ist dieser AW?«
»Sir Arthur Wellesley natürlich.«
»Und warum wollte er Ihnen dankbar sein?«
»Sie erwarten doch nicht von einem Gentleman, eine solche Frage zu beantworten, mein lieber Vuillard. Die Bescheidenheit verbietet mir, prahlerisch zu sein. Es reicht zu sagen, dass ich ihm nicht nur die Stiefel geputzt habe.« Christopher lächelte bescheiden und nahm sich Rühreier und Brot.
Zweihundert Dragoner ritten am Vormittag nach Valengo. Sie eskortierten einen Offizier, der ein paar Haubitzen besorgen wollte, und der Offizier und die Dragoner kehrten am selben Tag zurück.
Mit einer einzigen Haubitze. Aber die würde reichen, davon war Vuillard überzeugt. Die Schützen waren zum Untergang verdammt.