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Hagman lag jetzt hinter einem Felsen und hatte das Gewehr angelegt. »Wind, Sir?«

»Von links nach rechts«, sagte Sharpe, »sehr leicht.«

»Sehr leicht«, wiederholte Hagman und führte einige winzige Korrekturen beim Zielen aus. Es war kein unmöglicher Weitschuss, aber er feuerte hügelabwärts, was offenkundig schwer war. Niemand bewegte sich, Sharpe beobachtete die Haubitzenmannschaft durch das Fernrohr. Der Kanonier hielt die brennende Lunte ins Zündloch. Sharpe wusste, dass er Hagmans Konzentration nicht stören sollte, um seinen Männern zu befehlen, in Deckung zu gehen, aber in diesem Augenblick drückte Hagman bereits ab.

Das Krachen des Gewehrs ließ einige Vögel am Hang erschreckt aufflattern. Rauch wallte um die Felsen, und Sharpe sah, dass der Kanonier herumgewirbelt wurde, wobei ihm die Lunte entfiel und er die Hand auf seinen rechten Oberschenkel presste. Er taumelte sekundenlang, dann stürzte er.

»Rechter Oberschenkel, Dan«, sagte Sharpe, der wusste, dass Hagman nichts durch den Rauch vor seinem Gewehr sehen konnte. »Und jetzt liegt er am Boden. In Deckung. Alle! Schnell!« Ein anderer Kanonier hatte sich die brennende Lunte geschnappt.

Sie hetzten hinter Felsen und zuckten zusammen, als die Granate an einem großen Felsbrocken explodierte. Sharpe klopfte Hagman auf den Rücken. »Unglaublich guter Schuss, Dan!«

»Ich hatte auf seine Brust gezielt, Sir.«

»Sie haben ihm den Tag versaut, Dan«, sagte Harper. »Das war ein verdammt guter Treffer.« Die anderen Schützen gratulierten Hagman ebenfalls. Sie waren stolz auf ihn, erfreut, dass er wieder auf den Füßen und so ein meisterhafter Schütze war, wie sie ihn kannten. Und der Schuss hatte sie irgendwie für Williamsons Verrat entschädigt. Die Schützen waren wieder eine Elitetruppe.

»Soll ich noch einmal, Sir?«, fragte Hagman Sharpe.

»Warum nicht?«, sagte Sharpe. Und er dachte: Wenn der Mörser kommt, wird die Mannschaft in Schrecken versetzt sein, weil sie sich in Schussweite der tödlichen Gewehre befindet.

Hagman begann wieder die mühsame Prozedur des Ladens, doch kaum war er fertig, als zu Sharpes Erstaunen plötzlich die Haubitze mitsamt der Lafette in den Wald gezogen wurde und verschwand. Im ersten Augenblick nahm Sharpe an, dass die Haubitze entfernt worden war, um Platz für den Mörser zu schaffen. Er wartete angespannt, doch kein Mörser war zu sehen. Niemand erschien. Selbst die Infanterie, die nahe bei der Haubitze postiert gewesen war, hatte sich zwischen die Bäume zurückgezogen, und der nördliche Hang lag zum ersten Mal, seit Sharpe sich zum Wachturm zurückgezogen hatte, völlig verlassen unter ihnen. Dragoner patrouillierten immer noch im Osten und Westen, doch nach einer halben Stunde ritten auch sie nordwärts zum Dorf.

»Was ist geschehen?«, fragte Vicente.

»Das weiß der Himmel.«

Dann sah Sharpe die gesamte französische Streitmacht, das Geschütz, die Kavallerie und Infanterie. Alle marschierten die Straße von Vila Real de Zedes hinab. Sie mussten sich nach Oporto zurückziehen, und er starrte benommen hin, glaubte seinen Augen nicht trauen zu können. »Das muss ein Trick sein!« Sharpe gab Vicente das Fernrohr.

»Vielleicht ist Frieden?«, meinte Vicente, als er den Rückzug der Franzosen sah. »Vielleicht ist das Kämpfen wirklich vorbei. Warum sonst würden sie abmarschieren?«

»Sie ziehen ab«, sagte Harper, »nur das zählt.« Er hatte das Glas von Vicente übernommen und konnte einen Wagen sehen, der mit französischen Verwundeten beladen war. »Jesus, Maria und Joseph«, entfuhr es ihm, »sie verschwinden tatsächlich.«

Aber warum? War es Frieden? Hatten die Reiter statt des Mörsers eine Botschaft gebracht, einen Befehl zum Rückzug? Oder war es doch ein Trick? Hofften die Franzosen, dass Sharpe ins Dorf hinabgehen würde und somit den Dragonern eine Chance gab, seine Männer auf ebenem Terrain anzugreifen? Er war so verwirrt wie nie.

»Ich gehe runter«, sagte er. »Ich, Cooper, Harris, Perkins, Cresacre und Sims.« Er nannte absichtlich die beiden Letzten, weil sie Freunde von Williamson gewesen waren. Wenn jemand dem Beispiel des Deserteurs folgen würde, dann diese beiden, und er wollte ihnen zeigen, dass er ihnen noch vertraute. »Der Rest von euch bleibt hier.«

»Ich möchte mitkommen«, sagte Vicente, und als er spürte, dass Sharpe ihn abweisen wollte, fügte er erklärend hinzu: »Das Dorf, senhor. Ich möchte ins Dorf, um zu sehen, was mit unseren Leuten geschehen ist.«

Vicente nahm wie Sharpe fünf Männer mit. Sergeant Harper und Feldwebel Macedo wurden mit dem Kommando auf dem Hügel zurückgelassen. Sharpes Patrouille marschierte den Hügel hinab. Sie gingen an dem fächerförmigen Brandmal am Boden vorbei, das anzeigte, wo die Haubitze abgefeuert worden war, und Sharpe rechnete fast mit einem Beschuss aus dem Wald, aber kein Geschütz krachte, und dann waren sie im Schatten der Bäume.

Sharpe und Cooper gingen voran und hielten zwischen den Lorbeerbäumen, Birken und Eichen Ausschau nach Anzeichen auf einen Hinterhalt, doch sie blieben unbehelligt. Sie folgten dem Pfad zur Quinta, deren blaue Läden geschlossen waren und die unbeschädigt wirkte. Eine getigerte Katze putzte sich auf dem von der Sonne erwärmten Pflaster vor dem Stall und verharrte kurz, als sie die Soldaten wahrnahm. Sharpe versuchte, die Küchentür zu öffnen, doch sie war verschlossen. Er spielte mit dem Gedanken, sie aufzubrechen, verwarf den Gedanken und führte die Männer stattdessen ums Haus. Die Vordertür war abgeschlossen, der Zufahrtsweg verlassen.

Langsam wich er vom Haus zurück, beobachtete die Fensterläden und rechnete fast damit, dass sie aufgestoßen und eine Salve Musketenfeuer abgefeuert werden würde. Doch das Haus schlief in der Wärme des frühen Nachmittags.

»Ich glaube, es ist leer, Sir«, sagte Harris, und er klang nervös.

»Ich nehme an, Sie haben recht«, sagte Sharpe, wandte sich um und ging den Zufahrtsweg hinab. Der Kies knirschte unter seinen Stiefeln, als er an den Rand des Grundstücks schritt. Er signalisierte seinen Männern, dass sie ihm folgen sollten. Der Tag war heiß und still. Selbst die Vögel waren stumm.

Und dann roch er es. Sofort dachte er an Indien und stellte sich für einen Augenblick sogar vor, wieder in dem geheimnisvollen Land zu sein, denn dort hatte er den Geruch so oft wahrgenommen. Ihm wurde übel. Dann hatte er den Brechreiz niedergekämpft, und er bemerkte, dass der junge Perkins aussah, als müsste er sich übergeben. Auch Pendleton sah plötzlich krank aus. »Atmet tief durch«, sagte Sharpe, »ihr werdet es brauchen.«

Vicente, der ebenso nervös wie Perkins wirkte, blickte Sharpe an. »Ist es ...«, begann er.

»Ja«, sagte Sharpe.

Es war der Tod.

Vila Real de Zedes war nie ein großes oder bedeutendes Dorf gewesen. Keine Pilger waren gekommen, um die Heiligen in der Kirche zu verehren. Sankt Joseph mochte lokal verehrt werden, doch sein Einfluss hatte nie über die Weingärten hinaus gereicht. So unbedeutend das Dorf auch gewesen war, es war keine schlechte Ansiedlung gewesen. Es gab stets Arbeit in den Savage-Weingärten, die Erde war fruchtbar, und selbst die ärmste Familie hatte einen Gemüsegarten. Einige der Dorfbewohner hatten Kühe besessen, die meisten hatten Hühner gehalten und ein paar Schweine gezüchtet. Jetzt gab es kein Vieh mehr. Pater Josefa war die wichtigste Person in Vila Real de Zedes gewesen, abgesehen von den Engländern in der Quinta. Der Priester war manchmal gereizt gewesen, aber er hatte die Kinder unterrichtet und war nie unfreundlich gewesen.

Und jetzt war er tot. Seine Leiche, zur Unkenntlichkeit verbrannt, lag in der Asche der Kirche mit anderen zwischen den verkohlten Trümmern. Ein toter Hund lag auf der Straße, eine Spur von eingetrocknetem Blut vor der Schnauze, und eine Wolke von Fliegen schwirrte um die Wunde in seiner Flanke. Weitere Fliegenschwärme summten in der größten der beiden Tavernen, als Sharpe die Tür mit dem Gewehrkolben aufstieß und erschauerte.