Maria, das Mädchen, das Harper gemocht hatte, lag nackt auf dem einzigen nicht zertrümmerten Tisch im Schankraum. Sie war von Wurfmessern in den Händen aufgespießt, und Fliegen krochen über ihre blutigen Brüste. Jedes Weinfass war zersplittert, jeder Topf zerbrochen, und jedes Möbelstück außer dem Tisch war zerschmettert.
Sharpe schlang das Gewehr am Riemen über die Schulter und zog die Messer aus Marias Handflächen, sodass ihre weißen Arme frei waren. Perkins starrte entgeistert von der Tür her. »Stehen Sie da nicht rum«, blaffte Sharpe. »Suchen Sie eine Decke, irgendetwas, und bedecken Sie sie.«
»Jawohl, Sir.«
Sharpe kehrte auf die Straße zurück. Vicente hatte Tränen in den Augen. Es gab Leichen in einem halben Dutzend Häusern, Blut in jedem Haus, jedoch keine Lebenden. Alle Überlebenden des Massakers waren vor der Brutalität der Sieger aus Vila Real de Zedes geflüchtet.
»Wir hätten hierbleiben sollen«, sagte Vicente ärgerlich.
»Und mit ihnen sterben sollen?«, fragte Sharpe.
»Sie hatten niemanden, der für sie gekämpft hat!«, sagte Vicente.
»Sie hatten Lopes«, sagte Sharpe, »und er wusste nicht, wie man kämpft, und wenn er es gewusst hätte, dann wäre er nicht hiergeblieben. Und wenn wir für ihn gekämpft hätten, wären wir jetzt tot wie alle anderen.«
»Wir hätten bleiben sollen«, beharrte Vicente.
Sharpe ignorierte ihn. »Cooper? Sims?« Die beiden Männer spannten ihre Gewehre. Cooper schoss als Erster. Sharpe zählte bis zehn, und dann drückte Sims ab. Sharpe zählte wieder bis zehn, dann feuerte er in die Luft. Es war ein verabredetes Signal, dass Harper die anderen von der Hügelkuppe hinabführen sollte. »Sucht nach Spaten«, sagte Sharpe zu Vicente.
»Spaten?«
»Wir werden sie beerdigen.«
Der Friedhof war ein ummauertes Grundstück nördlich des Dorfes. Dort gab es einen kleinen Geräteschuppen mit Schaufeln, die Sharpe an seine Männer verteilte. »Tief genug, damit die Tiere nicht an sie herankommen«, befahl er, »aber nicht zu tief.«
»Warum nicht zu tief?«, fragte Vicente empört. Für ihn war ein flaches Grab wie eine Beleidigung der Toten.
»Wenn die Dorfbewohner zurückkehren«, sagte Sharpe, »dann werden sie graben und ihre Verwandten suchen.« Er fand in dem Schuppen ein großes Stück Sackleinen und benutzte es, um die verkohlten Leichen damit auf den Friedhof zu schleifen. Als Sharpe die Leiche von Pater Josefa vom verkohlten Kreuz zerren wollte, löste sich der linke Arm, doch Sims sah es und eilte Sharpe zu Hilfe, um die Leiche auf das Sackleinen zu legen.
»Ich werde ihn auf den Friedhof bringen«, sagte Sims und packte das Sackleinen.
»Das müssen Sie nicht.«
Sims blickte verlegen drein. »Wir werden nicht weglaufen wie Williamson, Sir«, platzte er heraus und blickte Sharpe dann furchtsam an, als erwarte er eine scharfe Reaktion von ihm.
Sharpe schaute ihn an und sah einen weiteren Dieb, einen anderen Säufer, ein weiteres Versagen, einen weiteren Schützen. Dann lächelte er. »Danke, Sims. Sagen Sie Pat Harper, er soll Ihnen etwas von seinem Weihwasser geben.«
»Weihwasser?«, fragte Sims.
»Der Brandy, den er in seiner zweiten Feldflasche bewahrt und meint, ich wüsste nichts davon.«
Später, als die Männer von der Hügelkuppe gekommen waren, um zu helfen, die Toten zu begraben, ging Sharpe zur Kirche zurück, wo Harper ihn fand. »Posten sind aufgestellt, Sir«, meldete Harper.
»Gut.«
»Und Sims hat gesagt, ich soll ihm etwas Brandy geben.«
»Ich hoffe, das haben Sie getan, Pat.«
»Das habe ich, Sir. Und Mister Vicente, Sir, möchte ein Gebet oder zwei sprechen.«
»Ich hoffe, Gott hört ihn.«
»Wollen Sie dabei sein?«
»Nein, Pat.«
»Das dachte ich mir.« Der große Ire suchte sich einen Weg durch die Asche. Einige Trümmer rauchten immer noch, wo der Altar gestanden hatte, aber er schob eine Hand in das geschwärzte Durcheinander und zog ein verbogenes, schwarzes Kruzifix hervor. Er legte das kleine Kruzifix auf die linke Handfläche und bekreuzigte sich. »Mister Vicente ist traurig, Sir.«
»Ich weiß.« Sharpe starrte in den Rauch. »Vielleicht hätten wir wirklich hierbleiben sollen.«
»Jetzt reden Sie wie ein Ire, Sir«, sagte Harper, »weil es nichts bringt, über verpasste Möglichkeiten nachzudenken. Und wenn Sie sehen, dass an Gatakers Gewehr der Abzugsbügel locker ist, machen Sie ihn nicht zur Sau. Die Schrauben sind verschlissen.«
Sharpe lächelte über Harpers Versuch, ihn abzulenken. »Ich weiß, dass wir das Richtige getan haben, Pat. Ich wünschte nur, Vicente könnte das verstehen.«
»Er ist ein Anwalt, Sir. Er kann nichts normal sehen. Und er ist jung. Er würde seine Kuh verkaufen für einen Becher Milch.«
»Wir haben das Richtige getan«, sagte Sharpe, »aber was machen wir jetzt?«
Harper versuchte das Kreuz gerade zu biegen. »Als ich ein Kind war, habe ich mich verirrt«, sagte Harper. »Ich war nicht älter als sieben, vielleicht acht. Da waren Soldaten beim Dorf, die Anzahl Ihrer Männer in Rot, und ich wusste damals nicht, was diese Bastarde dort machten, und so rannte ich vor ihnen davon. Sie ließen mich laufen, aber ich fühlte mich trotzdem verfolgt und flüchtete, denn das tat man, wenn man die roten Bastarde sah. Ich rannte und rannte, bis ich nicht mehr wusste, wo, zum Teufel, ich war.«
»Und - wie ging es weiter?«
»Ich folgte einem Fluss«, sagte Harper, »und kam zu dem Haus, in dem meine Tante wohnte, und sie brachte mich heim.«
Sharpe begann zu lachen, obwohl es nicht wirklich lustig war.
»Maire hieß sie«, sagte Harper. »Tante Maire, sie ruhe in Frieden.« Er steckte das Kruzifix in die Tasche.
»Ich wünschte, Ihre Tante Maire wäre hier. Aber wir haben uns nicht verirrt.«
»Nicht?«
»Wir marschieren nach Süden, überqueren den Fluss und gehen weiter nach Süden.«
»Und wenn die Armee aus Lissabon verschwunden ist?«
»Dann gehen wir nach Gibraltar«, sagte Sharpe, obwohl er wusste, dass es dazu nicht kommen würde. Wenn Frieden war, würde er jemanden mit Autorität suchen, der sie zum nächsten Hafen schickte, und wenn noch Krieg war, dann würde er jemanden zum Kämpfen finden. Wirklich einfach, dachte er. »Aber wir marschieren des Nachts, Pat.«
»Sie meinen also, wir sind immer noch im Krieg?«
»Oh, das sind wir, Pat«, sagte Sharpe. Er schaute auf die Zerstörung und dachte an Christopher. »Wir sind verdammt im Krieg.«
Vicente starrte auf die neuen Gräber. Er nickte, als Sharpe vorschlug, des Nachts nach Süden zu marschieren, doch er sagte erst etwas, als sie den Friedhof verlassen hatten.
»Ich gehe nach Oporto«, kündigte er an.
»Sie glauben, dass es einen Friedensvertrag gibt?«
»Nein«, sagte Vicente. Dann zuckte er mit den Schultern. »Vielleicht? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass Colonel Christopher und Brigadier General Vuillard vermutlich dort sind. Ich habe hier nicht gegen sie gekämpft, so muss ich sie dorthin verfolgen.«
»Sie werden also nach Oporto gehen«, sagte Sharpe, »und sterben?«
»Vielleicht«, sagte Vicente, »aber man kann sich nicht vor dem Teufel verstecken.«
»Nein«, sagte Sharpe, »aber wenn Sie ihn bekämpfen, seien Sie klug.«
»Ich lerne zu kämpfen«, sagte Vicente, »und ich weiß bereits, wie man tötet.«
Das ist ein Rezept für Selbstmord, dachte Sharpe, doch er wollte sich nicht streiten. »Ich plane, auf demselben Weg zurückzugehen, auf dem wir gekommen sind«, sagte er stattdessen. »Den Weg kann ich leicht finden. Und wenn ich in Barca d'Avintas bin, werde ich nach einem Boot suchen. Da muss irgendetwas sein, das schwimmen wird.«