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»Das glaube ich auch.«

»Dann kommen Sie so weit mit mir«, schlug Sharpe vor, »denn es ist nahe an Oporto.«

Vicente stimmte zu, und seine Männer schlossen sich an, als sie das Dorf verließen. Sharpe freute sich darüber, denn die Nacht war stockfinster, und trotz seiner Zuversicht, den Weg leicht zu finden, hätte er sich hoffnungslos verirren können, wenn Vicente nicht dabei gewesen wäre. So kamen sie langsam voran und rasteten schließlich mitten in der Nacht. Danach, als das erste Grau am östlichen Horizont zu sehen war, konnten sie sich besser orientieren und kamen schneller voran.

Sharpe bedachte zweierlei bei seiner Rückkehr nach Barca d'Avintas. Es bestand ein Risiko, weil das Dorf gefährlich nahe bei Oporto lag, doch andererseits wusste er, dass dort der Fluss sicher zu überqueren war, und er nahm an, dass er von den Hütten und Schuppen genügend Trümmerstücke finden würde, aus denen sie ein Floß zimmern konnten. Vicente war der gleichen Meinung. Er sagte, der Rest des Douro-Tals sei eine Felsenschlucht, in der Sharpe Mühe haben werde, sich dem Fluss zu nähern oder eine Stelle zum Durchfurten zu finden. Ein größeres Risiko war, dass die Franzosen Barca d'Avintas bewachten, aber Sharpe hoffte darauf, dass sie sich mit dem Zerstören aller Boote im Dorf zufriedengegeben hatten.

Im Morgengrauen befanden sie sich in einigen bewaldeten Hügeln. Sie hielten an einem Bach und machten sich ein Frühstück aus trockenem Brot und so hartem Räucherfleisch, dass die Männer witzelten, es sei härter als die Ledersohlen ihrer Stiefel. Sie murrten, weil Sharpe kein Feuer erlaubte und sie auf Tee verzichten mussten.

Sharpe ging auf einen nahen Hügel und betrachtete das Terrain durch das kleine Fernrohr. Er sah keinen Feind, genauer gesagt, er sah überhaupt keine Menschenseele. Eine verlassene Hütte stand weiter oben im Tal, in dem der Fluss verlief, und dort gab es den Glockenturm einer Kirche, etwa eine Meile im Süden, aber es waren keine Leute zu sehen.

Vicente gesellte sich zu ihm. »Meinen Sie, dort könnten Franzosen sein?«

»Davon gehe ich immer aus«, erwiderte Sharpe.

»Und meinen Sie, dass die Briten heimgekehrt sind?«, wollte Vicente wissen.

»Nein.«

»Warum nicht?«

Sharpe zuckte mit den Schultern. »Wenn wir heimkehren wollten«, sagte er, »hätten wir das nach Sir John Moores Rückzug tun müssen.«

Vicente starrte nach Süden. »Ich weiß, dass wir das Dorf nicht hätten verteidigen können«, sagte er.

»Ich wünschte, wir hätten es tun können.«

»Es ist nur - es sind meine Leute.« Vicente zuckte mit den Schultern.

»Ich weiß.« Sharpe versuchte sich die französische Armee in den Tälern von Yorkshire oder den Straßen von London vorzustellen. Er malte sich brennende Häuser, geplünderte Bierkneipen und schreiende Frauen aus, doch er konnte sich dieses Entsetzen nicht vorstellen. Es kam ihm sonderbar unwirklich vor. Harper konnte sich zweifellos vorstellen, wie sein Heim zerstört wurde, konnte sich vermutlich daran erinnern, aber Sharpe konnte das nicht.

»Warum tun sie das?«, fragte Vicente mit echter Betroffenheit.

Sharpe schob das Fernrohr zusammen, dann scharrte er mit der Spitze seines rechten Stiefels über den Boden. Am Tag, nachdem sie zum Wachturm hochgeklettert waren, hatte er die vom Regen nassen Stiefel an einem Feuer getrocknet, doch er hatte sie zu nahe an die Hitze gehalten und das Leder war gebrochen. »Im Krieg gibt es keine Regeln«, sagte er unbehaglich.

»Doch, es gibt Regeln.«

Sharpe ignorierte den Einwand. »Die meisten Soldaten sind keine Heiligen. Es sind Säufer, Diebe, Schurken, die in allem gescheitert und deshalb zur Armee gegangen sind, weil sie sonst im Gefängnis gelandet wären. Dann hat man ihnen eine Waffe gegeben und ihnen das Töten beigebracht. In der Heimat würden sie dafür gehängt werden, aber in der Armee werden sie dafür belobigt, und wenn man sie nicht am harten Zügel hält, dann halten sie jedes Töten für erlaubt. Diese Kerle ...«, er nickte zu Männern hin, die am Fuß des Hügels zwischen Korkeichen lagerten, »... wissen verdammt genau, dass sie bestraft werden, wenn sie die Regeln verletzen. Aber wenn man sie nicht im Zaum hält? Dann würden sie dieses Land vernichten, Spanien ebenso zerstören und niemals aufhören, bis jemand sie umbringt.« Er legte eine Pause ein, wusste, dass er unfair gegenüber seinen Männern war. »Wissen Sie, sie sind nicht die Schlimmsten, nicht wirklich nur skrupellos, sie sind verdammt feine Soldaten, und ich mag sie.« Er runzelte die Stirn und fühlte sich verlegen. »Aber die Froschfresser? Ich weiß nicht. Sie haben keine Wahl. Sie sind Wehrpflichtige. Einige arme Jungs arbeiten als Bäcker oder Stellmacher, und von einem Tag zum anderen steckt man sie in eine Uniform und lässt sie einen halben Kontinent entfernt marschieren. Es widert sie an, und die Franzosen peitschen ihre Soldaten als Strafe nicht aus, deshalb gibt es auch keine Möglichkeit, sie zu halten.«

»Peitschen Sie auch?«

»Nein, ich nicht.« Er spielte mit dem Gedanken, Vicente zu erzählen, dass er vor gar nicht so langer Zeit ausgepeitscht worden war, auf einem heißen Paradeplatz in Indien, doch dann entschied er sich, nichts davon zu sagen. Es konnte als Prahlerei ausgelegt werden. »Ich kaufe sie mir unter vier Augen und verprügele sie. Das geht schneller.«

Vicente lächelte. »Das könnte ich nicht tun.«

»Sie könnten ihnen stattdessen einen schriftlichen Verweis erteilen«, sagte Sharpe. »Ich würde mich lieber verprügeln lassen, als mich mit einem Anwalt anzulegen.« Wenn ich Williamson geschlagen hätte, dachte er, hätte er mich vielleicht angezeigt. Vielleicht auch nicht. »Wie weit ist der Fluss noch entfernt?«, fragte er.

»Drei Stunden. Nicht viel länger.«

»Wer weiß, was bis dahin noch geschieht. Es könnte jetzt weitergehen.«

»Aber die Franzosen?«, sagte Vicente nervös.

»Keine hier.« Sharpe nickte nach Süden. »Kein Rauch, keine Vögel, die aus Bäumen aufflattern, als wäre eine Katze hinter ihnen her. Und man kann französische Dragoner aus einer Meile Entfernung riechen. Ihre Pferde sind alle sattelwund und stinken wie eine Jauchegrube.«

So marschierten sie weiter. Auf dem Gras war noch Tau. Sie kamen durch ein verlassenes Dorf, das unbeschädigt wirkte. Sharpe nahm an, dass die Dorfbewohner die Franzosen hatten kommen sehen und sich versteckt hatten. Es waren gewiss Leute in dem Dorf, denn Wäsche hing zum Trocknen auf einer Leine zwischen zwei Büschen. Eines der Wäschestücke war ein feines Männerhemd mit Steinknöpfen.

Sharpe sah Cresacre trödeln, er hielt sich hinter den anderen zurück, um allein zu sein und Beute zu machen. »Die Strafe für Diebstahl ist Hängen!«, rief Sharpe seinen Männern zu. »Und hier gibt es gute Galgenbäume.« Cresacre tat, als hätte er das nicht gehört, beeilte sich aber, zu den anderen aufzuschließen.

Als sie den Douro erreichten, hielten sie an. Barca d'Avintas war noch ein Stück entfernt im Westen, und Sharpe wusste, dass seine Männer müde waren. So biwakierten sie in einem Waldstück hoch auf dem Steilufer des Flusses. Kein Boot war darauf zu sehen. Weit entfernt im Süden stieg eine einzige Rauchsäule in den Himmel, und im Westen war ein Dunstschleier zu sehen. Sharpe nahm an, dass er von Oportos Kochfeuern stammte.

Vicente sagte, Barca d'Avintas sei wenig mehr als eine Stunde entfernt, doch Sharpe entschied, bis zum Morgen zu warten, bevor sie weitermarschierten. Ein halbes Dutzend der Männer humpelte, weil ihre Stiefel zerschlissen waren, und Gataker, am Oberschenkel verwundet, empfand Schmerzen. Einer von Vicentes Männern marschierte barfuß, und Sharpe dachte daran, es wegen der Verfassung seiner Stiefel ebenfalls zu tun. Doch es gab einen noch besseren Grund für eine Verzögerung.

»Wenn die Franzosen dort sind«, sagte er, »dann würde ich mich lieber im Morgengrauen anschleichen. Und wenn sie nicht da sind, haben wir den ganzen Tag, um eine Art Floß zu bauen.«