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Sharpe fand Vicente. »Die Fähre ist noch hier«, sagte er. »Er hat sie mir gezeigt.« Er wies auf Ronnie.

»Aber die Geschütze ...«

»Wir werden herausfinden, was es damit auf sich hat«, sagte Sharpe, »aber bitten Sie die Dorfbewohner, die Fähre startklar zu machen. Wir könnten sie noch brauchen. Aber erst gehen wir zur Stadt.«

»Wir alle?«, fragte Vicente.

»Wir alle. Aber sagen Sie ihnen, dass das Boot noch heute Vormittag schwimmen soll.«

Ronnies Mutter, eine runzlige und gebeugte Frau in Schwarz, zog ihren Sohn von Sharpes Seite und schalt ihn mit schriller Stimme. Sharpe gab ihr das letzte Stück Käse aus Harpers Tornister, erklärte, dass Ronnie ein Held war, und führte seine Gruppe westwärts am Flussufer entlang.

Es gab viel Deckung. Obstgärten, Olivenhaine, Schuppen und Weingärten bedeckten das ebene Land am nördlichen Ufer des Douro. Die Kanonen, nur undeutlich im Schatten des großen Hügels mit dem weißen flachen Gebäude zu erahnen, feuerten sporadisch. Ihr Beschuss schwoll zur Intensität des Beschusses in einer Schlacht an und hörte dann auf. Manchmal fiel minutenlang kein Schuss oder nur ein einzelnes Geschütz feuerte, und das Donnern hallte von den südlichen Hügeln wider und rollte durch das Tal.

»Vielleicht«, schlug Vicente vor und wies zu dem großen weißen Gebäude hinauf, »sollten wir zum Seminar gehen.«

»Dort werden die Franzosen sein«, sagte Sharpe. Er duckte sich hinter eine Hecke und sprach sehr leise, um keine Posten aufmerksam zu machen. Es war seltsam, dass es keinerlei Posten gab, doch er war überzeugt, dass die Franzosen Männer in dem großen Gebäude postiert hatten, das den Fluss östlich der Stadt dominierte wie eine Festung. »Was sagten Sie, ist es?«

»Ein Seminar.« Vicente sah, dass Sharpe damit nicht viel anfangen konnte. »Eine Schule, in der Priester ausgebildet werden. Ich wollte einst Priester werden.«

»Guter Gott«, sagte Sharpe überrascht. »Sie wollten Priester werden?«

»Ich habe mit dem Gedanken gespielt. Haben Sie was gegen Priester?«

»Eigentlich nicht. Ich mag sie aber nicht besonders.«

»Dann bin ich froh, dass ich Anwalt geworden bin«, sagte Vicente mit einem Lächeln.

»Sie sind kein Anwalt, Jorge«, sagte Sharpe. »Sie sind Soldat wie wir.« Nach diesem Kompliment wandte er sich um, als die letzten seiner Männer über eine Wiese kamen und sich hinter die Hecke duckten. Wenn die Franzosen Männer im Seminar haben, dachte er, dann schlafen sie entweder tief oder - wahrscheinlicher - sie haben die blauen und grünen Uniformen gesehen und die Röcke mit ihren eigenen verwechselt. Das portugiesische Blau war dunkler als die Röcke der französischen Infanterie, und das Grün der Schützen war viel dunkler als die Röcke der Dragoner, aber aus der Ferne mussten die Farben der Uniformen verwirrend sein. Oder hielt sich niemand in dem Gebäude auf?

Sharpe nahm das kleine Fernrohr aus der Tasche und blickte lange hindurch. Das Seminar war riesig, vier Stockwerke hoch, hatte allein an der Südseite fast hundert Fenster, doch hinter keinem war Bewegung zu erkennen. Ebenso wenig auf dem Flachdach, das sicherlich die beste Aussicht der Stadt bot.

»Sollen wir dorthin gehen?«, fragte Vicente.

»Vielleicht«, antwortete Sharpe vorsichtig. Er war versucht, weil das Gebäude einen wunderbaren Blick auf die Stadt bot, aber er konnte immer noch nicht glauben, dass die Franzosen nicht dort waren. »Erst gehen wir weiter die Uferstraße entlang.«

Er führte seine Schützen. Das Grün ihrer Uniformröcke verschmolz mit dem Blätterwerk der Bäume und bot ihnen einen Vorteil, wenn voraus französische Posten beobachteten, doch sie sahen keinen. Ebenso wenig konnte Sharpe Bewegung auf dem südlichen Ufer erkennen, aber die Geschütze feuerten immer noch, und jetzt sah er über dem Hügel mit dem Seminar eine schmutzigweiße Pulverrauchwolke, die ins Flusstal trieb.

Als sie weiter westwärts gingen, gab es mehr Gebäude, viele davon Häuser, die nahe am Fluss erbaut waren, und ihre Gärten waren ein Labyrinth von Zäunen, Weinstöcken und Olivenbäumen, die Sharpe und seine Männer verbargen. Oberhalb von Sharpe, zu seiner Rechten, ragte das Seminar in den Himmel, die geschlossenen Fenster leer, und Sharpe wurde den Verdacht nicht los, dass sich in dem Koloss aus Stein und Glas eine Horde französischer Soldaten verbarg, doch jedes Mal, wenn er hinspähte, sah er keinerlei Bewegung.

Dann tauchte voraus ein einzelner französischer Soldat auf! Sharpe war um eine Ecke gebogen, und da stand der Mann auf einem gepflasterten Weg, der vom Schuppen eines Bootsbauers zum Fluss führte. Der Mann bückte sich, um mit einem jungen Hund zu spielen. Sharpe signalisierte seinen Männern hastig, zu stoppen. Der Feind war ein Infanterist, nur sieben oder acht Schritte entfernt. Völlig ahnungslos ließ er den Hund an seiner rechten Hand lecken, während sein Helm und die Muskete auf den Pflastersteinen lagen.

Wo ein französischer Soldat war, mussten mehrere sein! Sharpe spähte an dem Mann vorbei zu einer Gruppe Pappeln und dichten Büschen am fernen Wegrand. War dort eine Patrouille? Er konnte kein Anzeichen darauf entdecken, und er sah auch keine Aktivität zwischen den baufälligen Bootsschuppen.

Dann hörte der Franzose entweder das Scharren eines Stiefels oder er spürte, dass er beobachtet wurde, und wandte sich um. Dann wurde ihm klar, dass seine Muskete noch am Boden lag. Er wollte sich danach bücken, verharrte jedoch wie erstarrt, als er in Sharpes Gewehrmündung blickte.

Sharpe schüttelte den Kopf und ruckte mit dem Gewehr. Er gab mit der Hand ein Zeichen, dass sich der Mann aufrichten sollte. Der Franzose gehorchte. Er war ein junger Hüpfer, kaum älter als Pendleton oder Perkins, mit einem runden, gutmütig wirkenden Gesicht, das jetzt Angst zeigte. Er wich unwillkürlich einen Schritt zurück, als Sharpe auf ihn zusprang, ihn am Uniformrock packte und um die Ecke zerrte. Sharpe stieß ihn zu Boden, nahm das Bajonett des Franzosen aus dem Futteral und warf es in den Fluss. »Fesselt ihn«, befahl er Tongue.

»Es wäre leichter, ihm die Kehle durchzuschneiden«, sagte Tongue.

»Fesseln, habe ich gesagt! Und verpassen Sie ihm einen Knebel.« Er winkte Vicente heran. »Es war der Einzige, den ich gesehen habe.«

»Da müssen mehr sein«, meinte Vicente.

»Der Teufel weiß, wo die anderen stecken.«

Sharpe ging zur Hausecke zurück und spähte vorsichtig herum. Er sah nichts außer dem Hündchen, das jetzt versuchte, die Muskete des Franzosen am Riemen über den Asphalt zu ziehen. Sharpe befahl Harper mit einem Wink, ihm zu folgen. »Ich sehe keinen«, flüsterte er.

»Er kann nicht allein gewesen sein«, gab Harper ebenso leise zurück.

Immer noch bewegte sich nichts vor ihnen. »Ich will zwischen diese Bäume, Pat«, wisperte Sharpe und nickte zu den Pappeln am Ufer.

Die beiden hetzten über die freie Fläche und warfen sich zwischen die Bäume. Keine Muskete krachte, kein Alarmschrei ertönte, und das Hündchen, das alles für ein Spiel hielt, war ihnen gefolgt. »Geh zu deiner Mutter!«, zischte Harper. Der Hund begann zu bellen.

»Mein Gott!«, entfuhr es Sharpe. Er sagte das nicht wegen des Hundegebells, sondern weil er Boote sehen konnte. Die Franzosen sollten jedes Boot längs des Douro zerstört oder mitgenommen haben, doch vor ihm, hinter der Biegung des Flusses, lagen drei große Weinboote am schlammigen Ufer. Drei! Er fragte sich, ob sie angeschwemmt worden waren, weil sie Löcher hatten, und während Harper den Hund beruhigte, watete er durch das seichte Wasser und den Schlamm zum nächsten Boot und zog sich hinauf. Er war für jeden auf dem Nordufer durch die dicht stehenden Bäume verborgen, was vielleicht auch der Grund war, weshalb den Franzosen die drei Boote nicht bemerkt hatten, und - besser noch - das Boot, auf dem Sharpe jetzt an Bord war, wirkte unbeschädigt. Es stand viel Wasser im Kielraum, aber es war frisches Wasser, also Regenwasser, kein salziges Meerwasser, das mit der Flut in den Douro gelangte. Sharpe platschte durch den nassen Kielraum und fand keine Anzeichen auf Zerstörung durch Äxte. Es lag sogar ein kleineres Boot ordentlich vertäut an Bord.