»Das reicht«, sagte Sharpe grimmig.
»Wir müssen ihn auf die eine oder andere Weise erledigen«, sagte Hogan und lehnte sich zurück. »Er ist ein Verräter, Richard, vielleicht nicht so gefährlich, wie er denkt, aber wenn er nach Paris kommt, werden Verhörspezialisten schon einige Dinge aus ihm herauskitzeln, die sie besser nicht wüssten. Und wenn er nach London zurückkommt, ist er gerissen genug, diese Narren zu überzeugen, dass er stets für ihre Interessen gearbeitet hat. Also alles in allem bedacht, Richard, würde ich sagen, dass er besser tot ist.«
»Und Kate?«
»Wir werden sie nicht erschießen«, sagte Hogan.
»Im März haben Sie mir befohlen, sie zu retten. Ist dieser Befehl noch gültig?«
Hogan starrte zur Decke. »In der kurzen Zeit, die ich Sie kenne, Richard, habe ich bei Ihnen die bedauerliche Neigung bemerkt, eine glänzende Ritterrüstung anzuziehen und nach Ladys Ausschau zu halten, die Sie retten müssen. König Arthur, er ruhe in Frieden, hätte Sie geliebt. Er würde Sie gegen jeden teuflischen Ritter im Wald kämpfen lassen. Ist es wichtig, Kate Savage zu retten? Eigentlich nicht. Die Hauptsache ist, Mister Christopher zu bestrafen, und ich befürchte, dass Miss Kate selbst für ihr Glück sorgen muss.«
Sharpe blickte auf die Kreide-Landkarte. »Wie kommen wir zur Ponte Nova?«
»Zu Fuß, Richard. Wir durchqueren die Berge. Die Pfade dort sind nicht für Pferde geeignet. Man müsste sie die Hälfte der Zeit führen, sich Sorgen um ihr Futter machen, nach ihren Hufen sehen und wünschen, man hätte diesen Ballast gar nicht. Jetzt könnten wir Maultiere gebrauchen, aber wo werden wir heute Nacht Mulis finden? Entweder Mulis oder Schusters Rappen, aber so oder so können wir nur ein paar Männer mitnehmen, Ihre besten und verlässlichsten, und wir müssen vor dem Morgengrauen aufbrechen.«
»Und was mache ich mit meinen restlichen Männern?«
Hogan dachte darüber nach. »Major Potter könnte sie gebrauchen, um hier zu helfen, die Gefangenen zu bewachen.«
»Ich möchte sie nicht wieder an Shorncliffe verlieren«, sagte Sharpe. Er befürchtete, dass das Zweite Bataillon Nachforschungen über seine verlorenen Schützen anstellen würde. Es mochte nichts ausmachen, wenn Lieutenant Sharpe vermisst wurde, doch die Abwesenheit von einigen erstklassigen Scharfschützen würde bestimmt bedauert werden.
»Mein lieber Richard«, sagte Hogan, »wenn Sie denken, Sir Arthur wird auch nur ein paar gute Schützen verlieren wollen, dann kennen Sie ihn nur halb so gut, wie Sie meinen. Er wird Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um sie hier zu halten. Und wir müssen uns jetzt höllisch beeilen, noch vor den Franzosen zur Ponte Nova zu kommen.«
Sharpe verzog das Gesicht. »Sie haben einen Tag Vorsprung vor uns.«
»Nein, haben sie nicht. Die Blödmänner marschierten nach Amarante, was bedeutet, sie wissen nicht, dass die Portugiesen die Stadt zurückerobert haben. Inzwischen müssen sie ihre missliche Lage erkannt haben, aber ich bezweifle, dass sie vor dem Morgengrauen nach Norden starten. Wenn wir uns beeilen, schlagen wir sie.« Er runzelte die Stirn und blickte auf die Landkarte. »Es gibt nur ein wirkliches Problem, das ich sehen kann, ein anderes, als Mister Christopher zu finden, wenn wir dort sind.«
»Welches Problem?«
»Ich kann den Weg zur Ponte Nova von Braga aus finden«, sagte Hogan, »aber was ist, wenn die Franzosen bereits auf der Straße nach Braga sind? Wir werden uns in die Hügel schlagen müssen, und das ist ein wildes Gebiet, Richard, da kann man sich leicht verirren. Wir brauchen einen Führer, und wir müssen ihn schnell finden.«
Sharpe grinste. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, mit einem portugiesischen Offizier zu marschieren, der sich für einen Philosophen und Poeten hält, dann glaube ich, den richtigen Mann für uns zu haben.«
»Ich bin Ire«, sagte Hogan, »und es gibt nichts, was wir mehr lieben als Philosophen und Poeten.«
»Er ist auch Anwalt.«
»Wenn er uns zur Ponte Nova bringt«, sagte Hogan, »dann wird Gott ihm das zweifellos verzeihen.«
Das Gelächter der Frauen war laut, aber es war an der Zeit, die Party zu beenden. Ein Dutzend von Sharpes besten Männern musste seine Stiefel anziehen und die Patronentaschen füllen.
Die Zeit der Abrechnung war gekommen.
KAPITEL 10
Kate saß in einer Ecke der Kutsche und weinte. Die Kutsche fuhr nirgendwohin. Es war nicht einmal eine richtige Kutsche, nicht halb so komfortabel wie der zerbrechliche, zweirädrige offene Einspänner der Quinta, der in Oporto gelassen worden war, und nicht so gut wie die, mit der ihre Mutter im März den Fluss überquert hatte. Wie sehr wünschte sich Kate jetzt, mit ihrer Mutter gefahren zu sein, doch stattdessen war sie ihren romantischen Gefühlen gefolgt und überzeugt gewesen, dass sie bei der Erfüllung ihrer Liebe auf goldenen Wolken und in grenzenlosem Glück schweben würde.
Stattdessen befand sie sich in einer Mietskutsche aus Oporto, deren Lederverdeck undicht war, deren Federn knarrten und deren altersschwacher Hengst davor die Kutsche nirgendwohin zog, denn die fliehende französische Armee hing auf der Straße nach Amarante fest. Regen klatschte auf das Dach, sickerte an den Fenstern herab und tropfte auf Kates Schoß, doch sie nahm es kaum wahr, hockte nur in der Ecke und weinte.
Die Tür wurde aufgezogen, und Christopher streckte seinen Kopf herein. »Es wird gleich ein bisschen knallen«, sagte er. »Aber du brauchst nicht alarmiert zu sein.« Er schwieg einen Augenblick, hörte ihr Schluchzen und wusste nicht, was er sagen sollte. Dann konnte er es nicht mehr ertragen und schloss die Tür. Im nächsten Augenblick riss er sie wieder auf. »Sie zerstören die Geschütze«, erklärte er, »deshalb der Lärm.«
Kate interessiert das kein bisschen. Sie fragte sich, was aus ihr werden sollte, und ihre Aussicht auf die Zukunft war so schrecklich, dass sie in noch mehr Tränen ausbrach, gerade als die ersten Geschütze Mündung gegen Mündung abgefeuert wurden.
Am Morgen nach dem Fall von Oporto war Marschall Soult von der erschreckenden Nachricht geweckt worden, dass die portugiesische Armee Amarante zurückerobert hatte und dass die einzige Brücke, die er mit seinen Geschützen, Lafetten, Munitions- und Versorgungswagen und Kutschen, mit denen er zu den französischen Festungen in Spanien zurückkehren wollte, deshalb in feindlicher Hand war.
Einige Heißsporne hatten sich den Weg über den Fluss freikämpfen wollen, doch die Späher hatten berichtet, dass die Portugiesen in großer Stärke Amarante besetzt hielten, die Brücke vermint war und jetzt ein Dutzend Geschütze die Straße beherrschte. Es würde Tage und bittere Gefechte dauern, bis zur Brücke vorzudringen, und dann würde es sie wahrscheinlich gar nicht mehr geben, denn die Portugiesen würden sie bestimmt sprengen.
Und Soult hatte keinen einzigen Tag mehr zur Verfügung. Sir Arthur Wellesley würde aus Oporto vorrücken und ihn jagen, und das ließ ihm nur eine Wahclass="underline" Er musste alle fahrbaren Transportmittel aufgeben, alle Wagen und Geschütze. All das musste zurückgelassen werden, und zwanzigtausend Mann, fünftausend Personen Tross und viertausend Pferde und fast so viele Maultiere mussten ihr Bestes tun, um nach Norden einen Weg durch die Berge zu finden.
Doch Soult würde dem Feind nicht gute französische Geschütze zurücklassen, die sich gegen ihn wenden würden, und so wurden sie jeweils mit vier Pfund Pulver geladen und Mündung gegen Mündung gestellt. Kanoniere bemühten sich im Regen, die Ladungen zu zünden, und so feuerten die beiden Geschütze ineinander und sprangen in einer gewaltigen Explosion in Rauch und Flammen mit zerrissenen Rohren zurück. Einige der Kanoniere hatten feuchte Augen, als sie ihre Waffen zerstörten, einige andere fluchten, als sie mit Messern und Bajonetten die Pulversäcke zerschnitten, die im Regen zurückgelassen wurden.
Die Infanterie erhielt den Befehl, ihre Tornister und Provianttaschen von allem außer Essbarem und Munition zu leeren. Einige Offiziere machten eine Inspektion und bestanden darauf, dass ihre Männer allen Plunder wegwarfen, den sie bei dem Feldzug gesammelt hatten. Messerschmiedearbeiten, Kerzenhalter, Schmuckteller, alles musste am Straßenrand zurückgelassen werden, als die Armee zu dem Fußmarsch zu den Hügeln aufbrach.