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»George, wer hat jemals einen Bericht über die Moskauer Zen­trale als Schwindel entlarven können? Bitte? Okay, dann und wann kriegen wir einen Überläufer, und der sagt: >Das da ist Mist, und das hier könnte wahr sein.< Wo ist die Garantie? Wo ist der wahre Kern, wie Sie immer sagten? Jemand tischt einem eine Geschichte auf: >Karla hat gerade eine neue Agentenschule in Si­birien eingerichtet.< Wer kann das Gegenteil beweisen? Nur im­mer hübsch allgemein bleiben, dann kann man nicht verlieren.« »Eben deshalb haben wir Otto Leipzig trotz allem gehalten«, fuhr Smiley fort, als habe Toby nichts gesagt. »Wo es um den sowjetischen Geheimdienst ging, trieb er ein ehrliches Spiel.« »George«, sagte Toby sanft und schüttelte den Kopf. »Sie müs­sen aufwachen. Die jubelnde Menge ist längst nach Hause ge­gangen.«

»Wollen Sie mir jetzt den Rest der Geschichte erzählen, Toby? Wollen Sie mir genau berichten, was Wladimir zu Ihnen gesagt hat? Bitte.«

Und so erzählte Toby schließlich, als widerstrebend gewährten Freundschaftsbeweis, was Smiley wissen wollte - mit einer Of­fenheit, die dem Eingeständnis seiner Niederlage gleichkam.

Die Statuette, die ein Degas hätte sein können, stellte eine Tänze­rin mit erhobenen Armen dar. Der Körper war weit zurückge­bogen, der Mund wie in Ekstase geöffnet, und es stand außer Frage, daß sie, ob gefälscht oder echt, eine zwar flüchtige, aber beunruhigende Ähnlichkeit mit Ann hatte. Smiley hatte sie wie­der vom Tisch genommen und drehte sie jetzt langsam zwischen den Händen, beäugte sie, ohne dabei wirklich mit ihr ins Reine zu kommen, bald von der einen, bald von der anderen Seite. Toby saß wieder auf seinem seidenen Taburett. Die Schattenfüße glitten munter über das Oberlicht.

Toby und Wladimir hatten sich im Cafe des Science Museum ge­troffen, droben in der aeronautischen Abteilung, wiederholte Toby. Wladimir war äußerst erregt und packte Toby immer wie­der am Arm, was Toby nicht leiden konnte, es war ihm zu auffäl­lig. Otto Leipzig habe das Unmögliche fertiggebracht, sagte Wla­dimir mehrmals. Der Haupttreffer, Toby, die Chance eins zu ei­ner Million; Otto Leipzig habe den Fisch an Land gezogen, von dem Max die ganze Zeit träumte, »die hundertprozentige Beglei­chung aller unserer Ansprüche«, wie Wladimir sich ausdrückte. Als Toby ihn ein bißchen scharf fragte, welche Ansprüche er mei­ne, konnte oder wollte Wladimir ihm nicht antworten. »>Fragen Sie Max<, sagte er immer nur. >Wenn Sie mir nicht glauben, fragen Sie Max, sagen Sie Max, es ist der große Fisch. <«

»Wie lautet also der Handel«, hatte Toby gefragt - da er, wie er sagte, gewußt habe, daß überall, wo Otto Leipzig im Spiel war, die Rechnung zuerst eintraf und die Ware lang, lang danach. »Wieviel verlangt er, der große Held?«

Toby gab zu, daß er seine Skepsis nur schwer habe verbergen können - »was von Anfang an eine schlechte Atmosphäre schuf«. Wladimir umriß die Bedingungen. Leipzig habe die Sto­ry, sagte Wladimir, aber er habe auch gewisse greifbare Beweise für ihre Richtigkeit. Erstens ein Dokument, und dieses Doku­ment sei, wie Leipzig es nannte, eine Vorspeise, ein Appetithap­pen. Ein weiterer Beweis, ein Brief, sei in seinem, Wladimirs, Besitz. Und schließlich die Story selbst, die aus weiteren Unter­lagen hervorgehe, Unterlagen, die Leipzig in sichere Verwah­rung gegeben habe. Das Dokument zeige, wie die Story an Land gezogen wurde, die Unterlagen seien unwiderlegbar.

»Und worum ging es?« fragte Smiley.

»Keine Aussage«, erwiderte Toby kurz. »Hector gegenüber keine Aussage. Holen Sie Max, und okay, Wladimir wird sagen, worum es geht. Hector sollte zunächst nur die Klappe halten und den Botenjungen spielen.«

Eine Weile schien es, als wollte Toby sich in eine weitere Ab­schreckungskampagne stürzen. »George, ich meine, der alte Knabe war einfach total plemplem«, begann er. »Otto Leipzig hat ihn komplett auf die Schippe genommen.« Dann sah er Smileys tief versunkene und unzugängliche Miene und begnügte sich mit der Wiedergabe von Otto Leipzigs unverschämten Forderungen: »Das Dokument ist Max von Wladimir persönlich auszuhändi­gen. Alles strikt nach Moskauer Regeln, kein Mittelsmann, keine postalische Beförderung. Bei den bereits geführten vorbereiten­den Telefongesprächen -«

»Telefongespräche zwischen London und Hamburg?« unter­brach Smiley, und sein Tonfall gab zu verstehen, daß es sich hier um eine neue und unwillkommene Information handelte.

»Sie hätten Won-Code benutzt, sagt er. Alte Kumpels, sie ken­nen den Dreh. Aber nicht mit dem Beweis, sagt Wladi: Mit dem Beweis wird kein Dreh gemacht. Kein Telefon, keine Post, kein Lastwagentransport, nur per Kamel, punktum. Wladi hat den Sicherheitsfimmel, okay, das wissen wir schon. Von jetzt an gel­ten nur noch Moskauer Regeln.«

Smiley dachte an seinen eigenen Anruf in der Nacht des Samstag und fragte sich erneut, welche Lokalität Otto Leipzig wohl als Telefonzentrale benutzt haben mochte.

»Sobald der Circus sein Interesse bekundet habe«, fuhr Toby fort, »sei eine Anzahlung an Otto Leipzig zu tätigen, fünf Schweizer Riesen, für ein mündliches Expose, George! Fünf Schweizer Riesen! Als Aufnahmegebühr! Nur um ins Spiel zu kommen! Danach - hören Sie sich das an, George -, danach sei Otto Leipzig zu einem sicheren Haus in England zu fliegen, wo er das mündliche Expose liefern würde. George, ich meine, so­was Irres habe ich noch nie gehört. Wollen Sie wissen, wie's wei­tergeht? Sollte der Circus, aufgrund der Exposes, sich zum Kauf der Unterlagen entschließen - wollen Sie hören, wieviel?«

Smiley wollte.

»Fünfzig Schweizer Riesen. Würden Sie mir vielleicht einen Scheck ausstellen?«

Toby wartete auf den Schrei der Entrüstung, aber es kam keiner.

»Alles für Leipzig?«

»Klar. Das waren Leipzigs Bedingungen. Wer sonst würde so meschugge sein?«

»Was verlangte Wladimir für sich?«

Kurzes Zögern. »Nichts«, sagte Toby widerstrebend. Dann ließ er, als wolle er diesen Punkt möglichst rasch abtun, eine neue Suada der Empörung los.

»Basta. Hector mußte also nur auf eigene Kosten nach Hamburg fliegen, in einen Zug nach Norden steigen und das Karnickel ab­geben in irgendeiner blödsinnigen Treibjagd, die Otto Leipzig zu seinen eigenen Gunsten veranstalten will, mit den Ostdeut­schen, den Russen, den Polen, den Bulgaren, den Kubanern, und, er ist schließlich ein moderner Mensch, zweifellos auch den Chinesen als Teilnehmer. Ich sagte zu ihm - passen Sie gut auf, George -, ich sagte zu ihm: >Wladimir, alter Freund, hören Sie ausnahmsweise einmal zu. Sagen Sie mir, was in aller Welt ist so wichtig, daß der Circus fünf Schweizer Riesen aus seinem kost­baren Reptilienfonds zahlt, nur um sich ein einziges Mal diesen lausigen Otto Leipzig anhören zu dürfen? Soviel kriegte nicht einmal die Callas, und glauben Sie mir, sie sang verdammt viel besser als Otto.< Er packt mich am Arm. Hier.« Demonstrativ umklammerte Toby seinen eigenen Bizeps. »Preßt mich, als wäre ich eine Orange. Der alte Knabe hatte noch allerhand Kräf­te, glauben Sie mir. >Holen Sie mir das Dokument her, Hector.< Er spricht jetzt russisch. Ein sehr stiller Ort, dieses Museum. Al­les schweigt und hört ihm zu. Mir wird ganz flau. Er weint sogar. >Um Gottes willen, Hector, ich bin ein alter Mann. Ich habe keine Beine, keinen Paß, keinen Menschen, dem ich vertrauen kann, außer Otto Leipzig. Fliegen Sie nach Hamburg, und holen Sie sein Dokument. Wenn Max den Beweis sieht, wird er mir glauben, Max hat Vertrauen.< Ich will ihn trösten, mache ein paar Andeutungen. Ich sage ihm, Emigranten sind heutzutage unten durch, Kurswechsel, neue Regierung. Ich rate ihm: >Wladimir, gehen Sie nach Hause, spielen Sie Schach. Hören Sie, ich komme vielleicht gelegentlich auf eine Partie in der Bibliothek vorbei.< Dann sagt er zu mir: >Hector, ich habe diese Sache eingeleitet. Ich habe Otto Leipzig veranlaßt, die Lage zu erkunden. Ich habe ihm das Geld für die Vorarbeiten geschickt, alles, was ich hatte.< Hören Sie, er war ein alter trauriger Mann. Passé.«