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»Also los. Ich bin Kirow. >Als Finanzbeamter der Moskauer Zentrale war ich von 1970 bis 1974 mit der Aufgabe betraut, Un­regelmäßigkeiten in den Abrechnungen europäischer Residentu­ren aufzuspüren und die Schuldigen zur Anzeige zu bringen.<« Enderby brach ab und linste wieder über die Halb-Brille. »Das alles war, ehe Kirow den Posten in Paris antrat, stimmt's?«

»Stimmt genau«, sagte Collins keck und blickte Smiley Beistand heischend an, erhielt jedoch keinen.

»Muß mich erst orientieren, ja, George«, erklärte Enderby.

»Muß erst die Strecke auslegen. Habe nicht Ihre kleinen grauen Zellen.«

Sam Collins lächelte strahlend über so viel unangebrachte Be­scheidenheit seines Chefs.

Enderby las weiter: »>Im Zuge dieser äußerst delikaten und ver­traulichen Erhebungen, die in manchen Fällen zur Bestrafung hoher Funktionäre der Moskauer Zentrale führten, machte ich die Bekanntschaft des Leiters des unabhängigen Dreizehnten Di­rektoriums, einer Unterabteilung des Zentralkomitees der Par­tei; eines Mannes, der in der Zentrale nur unter seinem Arbeits­namen Karla bekannt ist. Karla ist ein Frauenname und war an­geblich der Name des ersten Netzes, das er geführt hat.< Stimmt das, George?«

»Das war während des Spanischen Bürgerkriegs«, sagte Smiley.

»Der große Tummelplatz. Na schön. Es geht weiter. >Das Drei­zehnte Direktorium ist innerhalb der Zentrale eine Sonderabtei­lung, denn seine Hauptaufgabe besteht in der Anwerbung, Aus­bildung und Einschleusung von Tiefenagenten in faschistische Länder, sogenannten Maulwürfen< . . . bla . . . bla . . . bla. >Häufig dauert es viele Jahre, bis ein Maulwurf innerhalb des Ziellandes richtig platziert und geheimdienstlich aktiv werden kann.< Siehe Bill Haydon. >Die Aufgabe, solche Maulwürfe zu bedienen, wird nicht den normalen Residenturen im Ausland anvertraut, sondern einem Beauftragten des genannten Karla, gewöhnlich einem Militär, der offiziell als Attache an einer Bot­schaft tätig ist. Diese Beauftragten werden von Karla persönlich handverlesen und bilden eine Elite< . . . bla . . . bla . . . >Sie ge­nießen weit mehr Vertrauen und Freiheit als die übrigen Funk­tionäre der Zentrale und Privilegien in Form von Geld und Rei­sen. Weshalb sie die Eifersucht des übrigen Geheimdienstes auf sich ziehen.<«

Enderby stieß einen bühnenreifen Seufzer aus: »Herrgott, diese Übersetzer!« rief er. »Oder vielleicht redet Kirow wirklich so schwülstig. Man sollte meinen, wer seine letzte Beichte ablegt, würde soviel Benimm haben und sich kurz fassen, nicht wahr?«

Nur Collins lachte.

»Also weiter«, sagte Enderby und verfiel wieder in seinen feierli­chen Ton. »>Im Verlauf meiner umfassenden Fahndung nach fi­nanziellen Unregelmäßigkeiten geriet die Integrität eines Kar­la-Residenten ins Zwielicht, des Residenten in Lissabon, Oberst Orlow. Karla berief ein Geheimtribunal seiner eigenen Leute zu­sammen, das über den Fall befinden sollte, und aufgrund meines Beweismaterials wurde Oberst Orlow am 10. Juni 1973 in Mos­kau liquidiert.< Das haut hin, sagen Sie, Sam?«

»Wir haben einen nicht bestätigten Überläufer-Bericht, wonach er von einem Exekutionskommando erschossen wurde«, sagte Collins forsch.

»Glückwunsch,   Genosse   Kirow,   Beelzebubs   Busenfreund. Herrje, was für eine Schlangengrube. Schlimmer als wir.« Enderby las weiter: »>Für meinen Anteil an der Überführung des Verbrechers Orlow wurde ich von Karla persönlich belobigt und mußte ihm Geheimhaltung schwören, da er den Verstoß Oberst Orlows als eine Schande für sein Direktorium und als Schädi­gung seines eigenen Ansehens innerhalb der Moskauer Zentrale empfand. Karla ist als Genosse von hohen moralischen Maßstä­ben bekannt und hat aus diesem Grund viele Feinde in den Rei­hen der Laxen.<«

Enderby machte eine Kunstpause und blickte Smiley aufs neue über die Brille hinweg an.

»Wir drehen uns alle selber den Strick, an dem wir baumeln wer­den, wie, George?«

»Wie Spinnen, die sich im eigenen Netz erdrosseln, Chef«, sagte Collins munter und schoß ein noch strahlenderes Lächeln auf eine Stelle zwischen den beiden Männern ab.

Aber Smiley war völlig in sein Exemplar von Kirows Aussage vertieft und allen Späßen unzugänglich.

»Überspringen wir das nächste Jahr von Brüderchen Kirows Le­ben und Lieben und kommen wir gleich zu seiner nächsten Be­gegnung mit Karla«, schlug Enderby, unangefochten von Smi­leys Wortkargheit, vor. »Die nächtlichen Vorladungen ... die Norm, nehme ich an.« Er blätterte ein paar Seiten weiter. Smiley tat desgleichen. »Wagen fährt vor Kirows Moskauer Domizil vor - warum zum Teufel können sie nicht einfach Wohnung sa­gen? -, er wird aus dem Bett getrommelt und mit unbekanntem Ziel abtransportiert. Führen schon ein kurioses Leben, diese Gorillas von der Moskauer Zentrale, wie? Wissen nie, ob ein Orden oder eine Kugel auf sie wartet.« Er bezog sich wieder auf den Bericht: »Paßt das alles, George? Die Fahrt und so weiter? Eine halbe Stunde im Auto, kleines Flugzeug etcetera?«

»Das Dreizehnte Direktorium hat drei oder vier Niederlassun­gen, einschließlich eines großen Ausbildungslagers in der Nahe von Minsk«, sagte Smiley.

Enderby blätterte nochmals weiter.

»Also, Kirow ist jetzt wieder bei Karla: im Niemandsland, selbe Nacht. Karla und Kirow ganz unter sich, kleine Blockhütte, Art Eremitenklause, kein Drum und Dran, keine Zeugen-jedenfalls keine zu sehen. Karla kommt sofort zur Sache: Wie würde Ki­row ein Posten in Paris gefallen? Würde Kirow sehr gut gefallen, Sir -« Er schlug die nächste Seite auf. »Kirow hat das Dreizehnte Direktorium schon immer bewundert, Sir, bla, bla - immer schon Karla-Fan gewesen-, kriechen, krabbeln, kriechen. Hört sich an wie Sie, Sam. Interessant, daß Kirow fand, Karla wirke müde - merken Sie was? -, nervös. Karla steht unter Streß, raucht wie ein Schlot.«

»Das hat er immer getan«, sagte Smiley.

»Was hat er getan?«

»Er war von jeher ein sehr starker Raucher«, sagte Smiley.

»Was Sie nicht sagen!«

Enderby blätterte weiter: »Jetzt Kirows Auftrag«, sagte er.

»Karla instruiert ihn. >In offizieller Mission bekleide ich einen Posten in der Handelsabteilung der Botschaft, und als Sonder­mission sollte ich die Kontrolle und Führung der Konten sämtli­cher Außenstellen des Dreizehnten Direktoriums in folgenden Städten übernehmen . . .< Kirow zählt sie sodann auf. Bonn ge­hört dazu, aber nicht Hamburg. Mitgekommen, Sam?«

»Auf der ganzen Linie, Chef.«

»Nicht im Labyrinth verirrt?«

»Keinen Schritt, Chef.«

»Schlaue Lümmel, diese Russkis.«

»Teuflisch.«

»Wieder Kirow: >Er schärfte mir die immense Wichtigkeit mei­ner Aufgabe ein< - bla, bla -, >erinnerte an meine ausgezeichnete Arbeit im Fall Orlow und wies mich an, daß ich meine Berichte inAnbetracht des besonders delikaten Charakters der von mir wahrzunehmenden Tätigkeit direkt an Karlas Privatbüro schicken und hierfür einen Spezial-Code benutzen würde . . .< Auf­schlagen Seite fünfzehn -«

Seite fünfzehn aufgeschlagen, Chef«, sagte Collins.

Smiley hatte die Stelle bereits gefunden.

»> Zusätzlich zu meiner Arbeit als Revisor des Dreizehnten Di­rektoriums für die westeuropäischen Außenstellen würde ich je­doch, wie Karla mir mitteilte, mit gewissen geheimzubleibenden Aktivitäten betraut werden, zwecks Erstellung von Tarn-Vitae oder Legenden für künftige Agenten. Sämtliche Mitglieder sei­nes Direktoriums seien damit befaßt, sagte er, aber die Ausarbei­tung von Legenden unterliege dennoch verschärfter Geheimhal­tung, und ich dürfe unter gar keinen Umständen mit irgend je­mandem darüber sprechen. Weder mit meinem Botschafter noch mit Major Pudin, Karlas ständigem operativem Vertreter in un­serer Pariser Botschaft. Ich sagte natürlich zu und trat nach Ab­leistung eines Sonderkursus in Sicherheit und Kommunikation meinen Posten an. Ich war noch nicht lange in Paris, als Karla mir in einem persönlichen Fernschreiben mitteilte, daß dringend eine Legende für eine Agentin benötigt werde, Alter etwa ein­undzwanzig Jahre.< Jetzt sind wir soweit«, kommentierte En­derby voll Genugtuung. »>Karlas Fernschreiben nannte mir mehrere Emigrantenfamilien, die unter entsprechendem Druck einwilligen könnten, eine solche Agentin als ihre eigene Tochter auszugeben, denn für Karla ist Erpressung ein probateres Mittel als Bestechung.< Womit er verdammt recht hat«, stimmte En­derby lebhaft zu. »Bei der heutigen Inflationsrate ist Erpressung ungefähr die einzige Valuta, die ihre Kaufkraft behält.« Sam Col­lins bekundete seinen Beifall durch ein volltönendes Lachen. »Danke, Sam«, sagte Enderby huldvoll. »Verbindlichsten Dank.«