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Doch Smiley schien an Enderbys Dilemma seltsam uninteres­siert.

»Bruder Lacon dürfte Sie doch aufgeklärt haben? Über den Still­halte-Befehl und so?« fragte Enderby. »Ein junges idealistisches Kabinett, nichts geht über Entspannung, Transparenz der Re­gierungsarbeit ist die Parole, diesen ganzen Scheiß? Schluß mit den bedingten Reflexen des Kalten Krieges? Schnüffeln unter je­dem Whitehall-Bett nach Tory-Verschwörungen, besonders un­ter dem Unsrigen? Hat er das getan? Hat er Ihnen gesagt, daß sie eine gewaltige anglo-russische Friedensinitiative starten wollen, wieder einmal, die prompt spätestens bis nächste Weihnachten platzen wird?«

»Nein. Nein, davon hat er mir nichts gesagt.«

»Aber das Vorhaben besteht wirklich. Und wir dürfen es nicht gefährden, tra-la-la. Typisch, derselbe Verein, der die Friedens-Trommeln rührt, schreit Zeter und Mordio, wenn wir die Ware nicht liefern. Das muß jedem einleuchten, wie? Schon jetzt möchten sie wissen, wie die Reaktion der Sowjets ausfallen wird.

War das schon immer so?«

Smiley zögerte so lange mit der Antwort, als müsse er das Urteil des Jüngsten Gerichts fällen. »Ja. Ich glaube schon. Ich glaube, in der einen oder anderen Form war es schon immer so«, sagte er schließlich, und diese Feststellung schien für ihn selber viel zu bedeuten.

»Hätten Sie mir vorher sagen können.«

Enderby schlenderte zur Mitte des Zimmers und goß sich am Büffet ein Glas reines Sodawasser ein; er starrte Smiley in an­scheinend ehrlicher Unschlüssigkeit an. Starrte ihn an, wandte den Kopf und starrte ihn aufs neue an, zeigte alle Symptome ei­nes Mannes, der mit einem unlösbaren Problem konfrontiert ist. »Eine harte Nuß, Chef, wahrhaftig«, sagte Sam Collins, wovon keiner der beiden anderen Männer die geringste Notiz nahm. »Und es ist nicht einfach ein gemeines Bolschi-Komplott, George, das uns ins eigene Grab locken soll - sind Sie da ganz si­cher?«

»Ich fürchte, diesen Aufwand sind wir nicht mehr wert, Saul«, sagte Smiley mit abbittendem Lächeln.

Enderby war nicht erpicht darauf, an die Grenzen von Britanni­ens Größe erinnert zu werden, und sekundenlang verzog sich sein Mund zu einer säuerlichen Grimasse.

»All right, Maud«, sagte er nach einer Weile. »Laß uns in den Garten gehen.«

Sie spazierten Seite an Seite. Collins war auf ein Nicken Ender­bys hin im Haus geblieben. Unter dem sachten Regen kräuselte sich die Wasserfläche des Teichs, und der Marmorengel glänzte im Dämmerlicht. Von Zeit zu Zeit schüttelte eine kurze Brise ei­nen Wasserschauer von den hängenden Zweigen auf den Rasen und auf den einen oder anderen der beiden Männer. Aber En­derby war ein englischer Gentleman, Gottes Regen mochte den Rest der Menschheit durchnässen, doch er wollte verdammt sein, wenn auch er etwas abbekäme. Das Licht fiel in kleinen Flecken auf sie. Aus Bens Fenstertüren fielen kleine gelbe Rechtecke über den Teich. Von jenseits der Ziegelmauer kam der kränklich grüne Schimmer einer modernen Straßenlampe. Sie drehten schweigend eine Runde, ehe Enderby sprach.

»Sie haben uns ganz schön in Trab gehalten, George, das muß ich schon sagen. Willem, Mikhel, Toby, Connie. Der arme alte Fer­guson hatte kaum Zeit, seine Spesenabrechnung auszufüllen, und schon waren Sie wieder auf Achse. >Muß er denn nie schla­fen?< hat er mich gefragt. >Muß er nie was trinken?<«

»Tut mir leid«, murmelte Smiley, um irgendetwas zu sagen.

»Eben nicht«, sagte Enderby und blieb unvermittelt stehen.

»Verdammte Schnürsenkel«, brummte er und beugte sich über seinen Stiefel, »immer der gleiche Jammer bei Wildleder. Zu we­nige Ösen, daher. Sollte man nicht einmal den verdammten Bri­ten zutrauen, daß sie's fertigbringen, mit Löchern zu knausern, wie?«

Enderby setzte den Fuß wieder auf den Boden und hob den an­deren.

»Ich will ihn, wie er leibt und lebt, George, hören Sie? Bringen Sie mir einen lebendigen, redenden Karla, und ich nehme ihn und entschuldige mich später dafür. Karla bittet um Asyl? Nun ja, ehern, nicht eben gern, aber er soll's haben. Bis die Weisen ihre Donnerbüchsen geladen haben, um mich abzuschießen, habe ich genügend aus ihm rausgequetscht, daß ihnen für immer das Maul gestopft ist. Den ganzen Mann oder gar nichts, ver­standen?«

Sie hatten ihre Wanderung wieder aufgenommen, Smiley trot­tete hinter Enderby her, der jedoch, obgleich er sprach, nicht den Kopf wandte.

»Und bilden Sie sich bloß nicht ein, Sie könnten diese Sippschaft abhängen«, warnte er. »Wenn Sie und Karla auf dem schmalen Felsvorsprung über den Reichenbach-Fällen nicht mehr vor-und zurückkönnen und Sie schon die Hände um Karlas Hals le­gen, steht plötzlich Bruder Lacon hinter Ihnen, zerrt an Ihren Rockschößen und sagt, daß man zu einem Russen nicht garstig sein darf. Ist Ihnen das klar?«

Smiley sagte, ja, es sei ihm klar.

»Was haben Sie bisher gegen ihn vorzubringen? Mißbrauch sei­ner Amtsbefugnisse, nehme ich an. Betrug. Veruntreuung öffentlicher Gelder, genau das, weswegen er den Knaben aus Lis­sabon hinrichten ließ. Ungesetzliches Vorgehen im Ausland, einschließlich einiger Mordanschläge. Vermutlich eine ver­dammt lange Liste, wenn man's zusammenzählt. Plus dieser Bande eifersüchtiger Biber in der Moskauer Zentrale, die schon lang nach seinem Blut lechzen. Er hat recht: Erpressung ist ver­dammt besser als Bestechung.«

Smiley sagte ja, es scheine so.

»Und Sie werden Leute brauchen. Babysitter, Pfadfinder, sämt­liches verbotene Spielzeug. Kein Wort darüber zu mir, suchen Sie sich selber, was Sie brauchen. Geld ist etwas anderes. Ich kann Sie auf Jahre hinaus in den Konten verschwinden lassen, so, wie diese Hampelmänner im Schatzamt arbeiten. Sagen Sie mir nur, wann, wieviel und wohin, und ich mache Ihren Karla und frisiere die Bücher. Wie steht's mit Pässen und so? Wollen Sie Adressen haben?«

»Ich glaube, ich bin versorgt, danke.«

»Ich lasse Sie Tag und Nacht überwachen. Wenn das Unterneh­men schief geht und es einen Skandal gibt, möchte ich mir nicht vorwerfen lassen, ich hätte Sie unter Beobachtung halten sollen. Ich werde sagen, daß ich nach der Sache mit Wladimir einen Al­leingang befürchtet und beschlossen hätte, Sie für alle Fälle an die lange Leine zu nehmen. Ich werde sagen, die ganze Katastrophe sei nur das lächerliche Ein-Mann-Unternehmen eines senilen Spions, der nicht mehr alle Tassen im Schrank hat.«

Smiley sagte, das halte er für eine gute Idee.

»Ich kann zwar kein großes Aufgebot auf die Straße schicken, aber ich kann immerhin Ihr Telefon anzapfen, Ihre Briefe auf­dämpfen und wenn's mir Spaß macht, in Ihrem Schlafzimmer Wanzen setzen. Genau gesagt, sind wir schon seit Samstag in der Leitung. Nichts natürlich, aber was kann man schon erwarten?« Smiley nickte mitfühlend.

»Sollte Ihre Abreise ins Ausland mir als überstürzt oder geheimnisvoll auffallen, so werde ich Meldung machen. Außerdem brauche ich eine Legende für Ihre Besuche im Archiv des Circus.

Sie werden zwar nur nachts hingehen, aber jemand könnte Sie erkennen, und ich will mich auch hierbei nicht erwischen las­sen.«

»Es bestand einmal der Plan, eine interne Geschichte der Dienst­stelle in Auftrag zu geben«, sagte Smiley hilfsbereit. »Natürlich nicht zur Veröffentlichung, aber doch eine Art fortlaufender Chronik, die Neulingen und gewissen Verbindungsdienststellen zur Verfügung stehen könnte.«

»Ich schicke Ihnen ein offizielles Schreiben«, sagte Enderby. »Und ich werde es wohlweislich zurückdatieren. Sollten Sie während Ihres Aufenthalts innerhalb des Gebäudes Ihre Befug­nisse übertreten, so ist das nicht meine Schuld. Der Bursche da in Bern, den Kirow erwähnte, Grigoriew, Handelsattache. Der Bursche, an den die Moneten gehen?«