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Als er wieder aufwachte, lag sein nur leicht verkohltes Schiff friedlich in einem Rapsfeld, umgeben von merkwürdig blassen und glatthäutigen Menschen, einige davon in einem Aufzug, den er als biologische Schutzkleidung identifizierte. Wun Ngo Wen stieg mit klopfendem Herzen aus, die Muskeln bleiern und schmerzend in der furchtbaren Schwerkraft, die Lunge bedrängt von der schweren und isolierenden Luft, und wurde in Gewahrsam genommen.

Den nächsten Monat verbrachte er in einer Plastikblase in einem Raum des zum Landwirtschaftsministerium gehörenden Zentrums für Tierkrankheiten auf Plum Island, vor der Küste von Long Island, New York, gelegen. Während dieser Zeit lernte er eine Sprache zu sprechen, die er bisher lediglich aus uralten Aufzeichnungen gekannt hatte, gewöhnte seine Lippen und die Zunge an die vielfältigen Modulationen der Vokale, verfeinerte sein Vokabular, indem er versuchte, sich grimmigen oder eingeschüchterten Fremdlingen verständlich zu machen. Es war eine schwierige Zeit. Die Erdlinge waren blasse, hoch aufgeschossene Geschöpfe, nicht annähernd das, was er sich beim Entziffern der alten Dokumente vorgestellt hatte. Viele waren bleich wie Geister und erinnerten ihn an die Glutmond-Geschichten, bei denen er sich als Kind so gegruselt hatte: halb rechnete er immer damit, dass einer von ihnen neben seinem Bett auftauchen würde wie Huld von Phraya, um seinen Arm oder sein Bein als Tribut zu fordern. Seine Träume waren unruhig und wenig angenehm.

Glücklicherweise war er noch immer im Besitz seiner linguistischen Fertigkeiten, und nach einiger Zeit machte man ihn mit Männern und Frauen von Ansehen und Macht bekannt, die ihm weitaus freundlicher begegneten als die Leute, die ihn ursprünglich aufgegriffen hatten. Wun Ngo Wen pflegte diese nützlichen Freundschaften, bemühte sich, die gesellschaftlichen Gepflogenheiten einer alten, verwirrenden Kultur zu begreifen, und wartete geduldig auf den geeigneten Augenblick, um den Vorschlag zu unterbreiten, den er unter so großem persönlichem und öffentlichem Kostenaufwand von einer menschlichen Welt zur anderen getragen hatte.

»Jason«, sagte ich, als er an diesem Punkt seiner Erzählung angelangt war. »Stop. Bitte.«

Er räusperte sich. »Hast du eine Frage, Tyler?« »Nein, keine Frage. Es ist nur… so viel zu verarbeiten.« »Aber es ist so weit in Ordnung? Du kannst mir folgen? Ich werde diese Geschichte mehr als einmal erzählen. Ich möchte, dass sie sich flüssig anhört. Tut sie das?«

»Hört sich sehr gut an. Wem willst du sie erzählen?« »Allen. Den Medien. Wir gehen an die Öffentlichkeit.« »Ich möchte kein Geheimnis mehr sein«, sagte Wun Ngo Wen. »Ich bin nicht hergekommen, um mich zu verstecken. Ich habe etwas zu sagen.« Er schraubte eine weitere Mineralwasserflasche auf. »Möchten Sie etwas hiervon, Tyler Dupree? Sie sehen so aus, als könnten Sie einen Schluck gebrauchen.«

Ich nahm ihm die Flasche aus den plumpen, faltigen Fingern und trank ausgiebig. »Sind wir jetzt Wasserbrüder?«, fragte ich dann.

Wun Ngo Wen blickte verwirrt. Jason lachte laut.

Vier Fotografien des Kirioloj-Deltas

Es ist schwer, die Verrücktheit dieser Zeit wiederzugeben.

An manchen Tagen schien es fast wie eine Befreiung. Jenseits der Illusion des Himmels dehnte sich die Sonne weiter aus, Sterne verglühten oder wurden geboren, ein toter Planet war zum Leben erweckt worden und hatte eine Zivilisation hervorgebracht, die unserer eigenen gewachsen, wenn nicht gar überlegen war. In etwas näherer Umgebung wurden Regierungen gestürzt, und die an ihre Stelle traten, wurden ebenfalls zum Teufel gejagt, Religionen, Philosophien und Ideologien verwandelten sich, verschmolzen miteinander und zeugten mutierte Sprösslinge. Die alte, geordnete Welt zerbröckelte, neue Dinge sprossen in den Ruinen. Wir pflückten Liebesgrün und labten uns an seiner Säure. Molly Seagram, so meine Vermutung, liebte mich, weil ich verfügbar war. Und warum auch nicht? Der Sommer war am Schwinden und die Ernte ungewiss.

Die längst verblichene New-Kingdom-Bewegung erschien in der Rückschau sowohl vorausdeutend als auch etwas putzig, ihre schüchterne Rebellion gegen den alten kirchlichen Konsens war nur ein blasser Vorschein neuerer, verschärfter Formen der Hingabe. Überall in der westlichen Welt schossen Dionysoskulte aus dem Boden, ohne die Frömmigkeit und Heuchelei der alten NK — die letzten Endes auch nichts anderes gewesen war als ein mit Fahnen oder heiligen Symbolen drapierter Fickverein. Die menschliche Eifersucht wurde nicht verschmäht, sondern vielmehr bejaht oder sogar zelebriert: gekränkte Liebhaber griffen zur Pistole, erklärten sich auf kurze Entfernung und hinterließen eine rote Rose auf dem Körper des Opfers. Es war die Trübsalszeit, neu inszeniert als elisabethanisches Drama.

Simon Townsend, wäre er zehn Jahre später zur Welt gekommen, hätte sich vielleicht in einer dieser Spielarten von Spiritualität à la Quentin Tarantino wiedergefunden. Doch das Scheitern von NK hatte ihn desillusioniert und ihm die Sehnsucht nach etwas Schlichterem eingeimpft. Diane rief mich noch immer von Zeit zu Zeit an — vielleicht einmal im Monat, wenn die Vorzeichen günstig waren und Simon außer Haus —, um mich auf den neuesten Stand zu bringen oder einfach von früher zu reden, in den Erinnerungen zu stochern wie in der Ofenglut und sich daran zu wärmen. Zu Hause gab es offenbar nicht allzu viel Wärme, wenn sich auch die finanzielle Situation ein wenig verbessert hatte. Simon arbeitete Vollzeit beim Jordan Tabernacle, ihrer kleinen unabhängigen Kirche, und war zuständig für Wartungsarbeiten aller Art. Diane hatte einen Bürojob, eine unregelmäßige Tätigkeit, die ihr viel Zeit ließ, unruhig in der Wohnung herumzupusseln oder in die örtliche Bibliothek zu schleichen, um Bücher zu lesen, die Simon missbilligte: zeitgenössische Romane, aktuelle Sachbücher. Jordan Tabernacle, erklärte sie, sei eine Art »Aussteiger«-Kirche, die Gemeindemitglieder würden ermuntert, den Fernseher abzuschaffen und sich von Büchern, Zeitungen und anderen kurzlebigen kulturellen Erscheinungen fernzuhalten. Anderenfalls sie Gefahr liefen, der Entrückung in einem unreinen Zustand zu begegnen.

Diane verteidigte diese Ideen nicht — nie sprach sie zu mir im Predigerton —, aber sie beugte sich ihnen, vermied es aufs Sorgfältigste, sie in Zweifel zu ziehen. Manchmal verlor ich darüber ein bisschen die Geduld. »Diane«, sagte ich eines Abends. »Glaubst du ernsthaft an dieses ganze Zeug?«

»Welches Zeug, Tyler?«

»Such’s dir aus. Keine Bücher im Haus zu haben. Die Hypothetischen als Auslöser der Parusie. Dieser ganze Scheiß.« Ich hatte unter Umständen ein Bier zu viel getrunken.

»Simon glaubt daran.«

»Ich hab dich nicht nach Simon gefragt.«

»Simon ist gläubiger als ich, und ich beneide ihn darum. Ich weiß, wie sich das anhören muss. Wirf diese Bücher in den Müll — als würde er sich grässlich und arrogant aufführen. Eigentlich aber ist es ein Akt der Demut, ein Akt der Unterwerfung. Simon kann sich Gott auf eine Weise hingeben, die mir verschlossen ist.«

»Der Glückspilz.«

»Er ist ein Glückspilz. Du kannst es nicht sehen, aber er ist friedlich und gelassen. Er hat bei Jordan sein inneres Gleichgewicht gefunden. Er kann dem Spin ins Gesicht sehen und dabei lächeln, weil er weiß, dass er gerettet ist.«

»Was ist mit dir? Bist du nicht gerettet?«

Sie ließ ein langes Schweigen durch die Telefonleitung kriechen. »Ich wünschte, das wäre eine einfach zu beantwortende Frage. Ganz im Ernst. Ich denke immer wieder, dass es vielleicht gar nicht um meinen Glauben geht, vielleicht reicht Simons Glauben für uns beide aus. Weil er so stark ist, dass ich ein Stück weit davon getragen werde. Er ist wirklich sehr geduldig mit mir. Das Einzige, worum wir uns streiten, ist die Kinderfrage. Simon würde gern Kinder haben. Die Kirche ermuntert dazu. Und ich kann das verstehen, aber solange das Geld so knapp ist und — na ja — die Welt so ist, wie sie ist…«