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»Ja.«

»Nun, vielleicht will sie es so. Ich habe ihren Vater früher oft im Fernsehen gesehen. Er machte einen ziemlich einschüchternden Eindruck.«

»Ich bin nicht hier, um sie zu entführen. Ich will mich nur davon überzeugen, dass es ihr gut geht.«

Noch ein Schluck Kaffee. Noch ein nachdenklicher Blick. »Ich würde Ihnen gern sagen können, dass es ihr gut geht. Und vermutlich ist es auch der Fall. Doch nach dem Skandal ist die ganze Gruppe hinaus in die Wildnis gezogen. Und einige von ihnen haben der Einladung, sich mit den Strafverfolgungsbehörden zu unterhalten, noch nicht Folge geleistet. Besuche sind daher nicht gern gesehen.«

»Aber nicht unmöglich?«

»Nicht unmöglich, wenn man ihnen bekannt ist. Ich bin nicht sicher, ob das für Sie gilt, Dr. Dupree. Ich könnte Ihnen den Weg erklären, doch ich bezweifle, dass sie Sie reinlassen.«

»Auch nicht, wenn Sie für mich bürgen?«

Kobel blinzelte. Er schien darüber nachzudenken. Dann lächelte er. Er nahm vom Schreibtisch hinter ihm ein Blatt Papier, auf das er eine Adresse sowie ein paar Zeilen Wegbeschreibung kritzelte. »Das ist eine gute Idee, Dr. Dupree. Sagen Sie ihnen, Pastor Bob hätte Sie geschickt. Aber seien Sie trotzdem vorsichtig.«

Pastor Bobs Wegbeschreibung führte mich zu Dan Condons Ranch, ein zweistöckiges Haus in einem dicht bewachsenen Tal etliche Stunden von der Stadt entfernt. Keine sehr eindrucksvolle Ranch allerdings, jedenfalls für meinen ungeschulten Blick. Es gab eine große Scheune, die sich, verglichen mit dem Haus, in einem äußerst reparaturbedürftigen Zustand befand, und ein paar Rinder, die auf einigen unkrautbewachsenen Streifen Grammagras weideten.

Ich hatte kaum die Bremse betätigt, da kam ein stattlicher Mann in Overall die Verandatreppe heruntergepoltert, mindestens hundert Kilo schwer, mit Vollbart und einem ganz und gar nicht erbauten Gesichtsausdruck. Ich ließ das Fenster herunter.

»Privatgrundstück, Meister.«

»Ich würde gern mit Simon und Diane sprechen.«

Er starrte mich an.

»Sie erwarten mich nicht. Aber sie wissen, wer ich bin.«

»Haben sie Sie eingeladen? Wir legen hier nämlich nicht so viel Wert auf Besucher.«

»Pastor Bob Kobel meinte, Sie würden nichts dagegen haben, wenn ich mal kurz vorbeikäme.«

»So, so. Meinte er.«

»Ich soll Ihnen sagen, ich sei im Grunde harmlos.«

»Pastor Bob, hm? Können Sie sich ausweisen?«

Ich zog meinen Personalausweis hervor. Er griff danach und verschwand wieder im Haus.

Ich wartete. Ich ließ alle Fenster herunter, damit der trockene Wind durchs Auto wehen konnte. Die Sonne stand tief genug, um die Verandapfeiler Schatten werfen zu lassen, und diese Schatten waren ein erkleckliches Stückchen länger geworden, als der Mann endlich zurückkam, mir meinen Ausweis wiedergab und sagte: »Simon und Diane werden Sie empfangen. Und tut mir Leid, wenn ich ein bisschen schroff geklungen habe. Ich heiße Sorley.« Ich stieg aus dem Auto und schüttelte ihm die Hand. Sein Händedruck war von der festen Sorte. »Aaron Sorley. Die meisten nennen mich Bruder Aaron.«

Er geleitete mich durch die quietschende Fliegentür ins Haus. Trotz der Hitze ging es dort drinnen recht lebhaft zu: Ein Kind in Baumwoll-T-Shirt kam uns lachend entgegen; in der Küche kochten zwei Frauen für eine offenbar beträchtliche Anzahl von Leuten — riesige Töpfe auf dem Herd, Berge von Gemüse auf dem Schneidebrett.

»Simon und Diane teilen sich das hintere Zimmer, die Treppe rauf, die letzte Tür auf der rechten Seite. Sie können gern hochgehen.«

Ich hätte keinen Führer gebraucht. Simon erwartete mich oben auf der Treppe.

Der ehemalige Pfeifenreinigererbe sah ein bisschen abgezehrt aus. Was nicht weiter verwunderlich war, wenn man bedenkt, dass ich ihn seit der Nacht des chinesischen Angriffs auf die Polartefakte vor zwanzig Jahren nicht mehr gesehen hatte. Er mochte das Gleiche über mich denken. Sein Lächeln war noch immer bemerkenswert, breit und freigebig, ein Lächeln, mit dem er vielleicht sogar in Hollywood etwas hätte anfangen können, wenn Simon dem Mammon mehr zugetan gewesen wäre als seinem Gott. Er mochte sich nicht mit einem Händedruck begnügen — er schloss mich in seine Arme. »Willkommen! Tyler! Tyler Dupree! Ich bitte um Verzeihung, wenn Bruder Aaron ein bisschen ruppig war. Wir haben nicht oft Besuch, aber du wirst feststellen, dass wir großzügige Gastgeber sind, wenn man erst einmal da ist. Wir hätten dich schon längst eingeladen, wenn wir es auch nur für denkbar gehalten hätten, dass du die Reise auf dich nehmen könntest.«

»Das ist ein glücklicher Zufall. Ich bin in Arizona, weil…«

»Oh, ich weiß. Wir hören auch ab und zu mal die Nachrichten. Du bist zusammen mit dem schrumpligen Mann gekommen. Du bist sein Arzt.«

Er führte mich den Flur entlang zu einer cremefarbenen Tür — ihre, Simons und Dianes Tür — und öffnete sie. Das Zimmer dahinter war in einem behaglichen, wenn auch leicht zeitentrückten Stil möbliert, in der Ecke ein großes Bett mit einer gesteppten Tagesdecke über der dicken Matratze, ein Fenstervorhang aus gelbem Gingan, ein Baumwollteppich auf dem Dielenfußboden. Ein Stuhl am Fenster. Auf dem Stuhl Diane.

»Schön, dich zu sehen«, sagte sie. »Danke, dass du dir Zeit für uns genommen hast. Ich hoffe, wir haben dich nicht von deiner Arbeit weggerissen.«

»Nur so weit, wie ich weggerissen werden wollte. Wie geht es dir?«

Simon ging durchs Zimmer und stellte sich neben sie. Er legte eine Hand auf ihre Schulter und ließ sie dort.

»Uns geht’s gut«, sagte sie. »Wir sind vielleicht nicht wohlhabend, aber wir kommen zurecht. Mehr kann man in diesen Zeiten wohl auch nicht erwarten. Es tut mir Leid, dass wir uns nicht gemeldet haben, Tyler. Nach den Problemen bei Jordan Tabernacle ist es schwieriger geworden, der Welt außerhalb der Kirche zu trauen. Ich nehme an, du hast von der Sache gehört?«

»Ein fürchterliches Chaos«, sagte Simon. »Der Heimatschutz hat den Computer und den Fotokopierer aus dem Pfarrhaus geholt, einfach abgeholt und nie wieder zurückgegeben. Natürlich hatten wir mit dem ganzen Unsinn um die roten Färsen überhaupt nichts zu tun. Wir hatten lediglich einige Broschüren an die Gemeinde weitergegeben. Damit sie selbst entscheiden konnten, ob man sich für so eine Sache engagieren sollte. Und nur deswegen wurden wir verhört. Kannst du das fassen? Offenbar ist das schon ein Verbrechen in Preston Lomax’ Amerika.«

»Niemand verhaftet worden, hoffe ich?«

»Niemand aus unserem Umfeld.«

»Aber es hat alle nervös gemacht«, sagte Diane. »Plötzlich stellt man alles in Frage, was man für selbstverständlich genommen hat. Telefonanrufe, Briefe.«

»Ich vermute, ihr müsst vorsichtig sein.«

»O ja«, sagte Diane.

»Echt vorsichtig«, sagte Simon.

Diane trug ein schlichtes Baumwollkleid mit einem Gürtel um die Taille und ein rotweiß kariertes Kopftuch, das wie ein Hijab aussah. Kein Make-up, aber sie brauchte auch keins — Diane in Sack und Asche zu kleiden, war genauso aussichtslos, als würde man versuchen, einen Suchscheinwerfer unter einem Strohhut zu verbergen. Mir wurde bewusst, wie heftig es mich nach ihrem bloßen Anblick verlangt hatte. Wie unvernünftig heftig. Ich schämte mich fast für die Freude, die mir ihre Gegenwart bereitete. Zwei Jahrzehnte lang waren wir wenig mehr als alte Bekannte gewesen. Zwei Menschen, die sich einmal näher gestanden hatten. Ich hatte kein Recht auf diesen beschleunigten Puls, dieses Gefühl der Schwerelosigkeit, das sie in mir hervorrief, indem sie einfach nur auf diesem Holzstuhl saß, indem sie leicht errötend wegsah, als unsere Blicke sich trafen. Es war unrealistisch und es war unfair — irgendjemandem gegenüber unfair, vielleicht mir, wahrscheinlich ihr. Ich hätte gar nicht herkommen dürfen.

»Und wie geht es dir?«, fragte sie. »Du arbeitest immer noch mit Jason zusammen, wie ich höre. Ich hoffe, bei ihm ist alles in Ordnung.«