Sie aßen. Tom beendete endlich seine Tirade über das gestrige Spiel und erkundigte sich, wie weit .der Waterford-Handel gediehen und wie sein Gespräch mit Ordner verlaufen sei.
»Ich werde den Vertrag Donnerstag oder Freitag unterzeichnen«, sagte er.
»Ich dachte, die Option läuft am Dienstag aus?«
Er wiederholte noch mal die Geschichte von Thom McAn, der nun plötzlich doch nicht mehr an Waterford interessiert sei. Es machte keinen Spaß, Tom Granger zu belügen. Sie kannten sich schon seit siebzehn Jahren, und Tom war nicht besonders intelligent. Ihn zu belügen, war keine große Herausforderung.
»Oh«, sagte Tom nur, als er fertig war, und dann wurde über das Thema nicht mehr geredet. Tom schob sich ein Stück Roastbeef in den Mund und lächelte verschmitzt.
»Warum essen wir eigentlich hier? Der Fraß ist fürchterlich, und nicht einmal der Kaffee schmeckt. Selbst meine Frau kann besseren Kaffee kochen.«
»Ich weiß auch nicht«, antwortete er und nutzte die Gelegenheit. »Erinnerst du dich noch an das neueröffnete italienische Restaurant? Wir sind mal mit Verna und Mary hinge-gangen.«
»Ja, das war im August. Verna schwärmt heute noch von dem Ricotta … nein Rigatoni. Ja, so heißt das, Rigatoni.«
»Kannst du dich auch noch an den Mann erinnern, der am Nebentisch saß? So ein großer, fetter Kerl.«
Tom kaute nachdenklich und versuchte, sich zu erinnern.
»Groß … dick …« Er schüttelte den Kopf.
»Du hast gesagt, er wäre ein Verbrecher.«
»Ohhh.« Er riß die Augen auf, schob seinen Teller weg und zündete sich eine Herbert Tareyton an. Das Streichholz ließ er auf den Teller fallen, wo es in der Sauce schwamm. »Ja, richtig, Sally Magliore.«
»Heißt er so?«
»Ja, so heißt er. Großer Kerl mit dicken Brillengläsern. Ein neunfaches Kinn. Klingt wie die Spezialität eines italienischen Puffs, nicht wahr? Einäugiger Sally wurde er immer genannt, weil er auf einem Auge den grauen Star hatte. Er hat es vor drei oder vier Jahren in der Mayo-Klinik wegoperieren lassen … den Star, meine ich, nicht das Auge. Ja, mein Gott, er ist ein richtiger Gangster.«
»Was macht er so?«
»Was machen sie alle?« fragte Tom zurück und schnippte die Zigarettenasche auf seinen Teller. »Drogen, Mädchen, Glücksspiel, Schiebung, Kreditwucher. Und sie bringen sich gegenseitig um. Hast du es neulich in der Zeitung gelesen?
Sie haben hinter einer Tankstelle eine Leiche im Kofferraum eines Wagens gefunden. Sechs Schüsse im Kopf und die Kehle durchgeschnitten. Das ist doch nun wirklich lächerlich. Wozu muß ich einem Kerl, dem ich sechs Löcher in den Kopf geschossen habe, noch die Kehle durchschneiden? Organisiertes Verbrechen, das ist es, was der einäugige Sally be-treibt.«
»Hat er auch ein offizielles Geschäft?«
»Ja, ich glaube. Weit draußen im Industriegebiet hinter Norton. Er verkauft Gebrauchtwagen. Magliores Garantiert Neuwertige Gebrauchtwagen. In jedem Kofferraum liegt ‘ne Leiche.« Tom lachte und schnippte noch mehr Asche auf seinen Teller. Gayle kam an ihren Tisch und fragte, ob sie noch mehr Kaffee haben wollten. Beide bestellten noch eine Tasse.
»Ich hab’ heute die neuen Splinte für die Boilertür gekriegt«, sagte Tom. »Sie erinnern mich an mein Ding.«
»Oh, wirklich?«
»Ja, du solltest dir die Biester mal ansehen. Zwanzig Zentimeter lang und gut acht Zentimeter im Durchmesser.«
»Sag mal, du redest doch wohl nicht von meinem Ding, oder?« Sie lachten und redeten weiter übers Geschäft, bis es Zeit war zurückzugehen.
An diesem Nachmittag stieg er schon in der Barker Street aus dem Bus und ging zu Duncan’s, einer kleinen, ruhigen Bar in der Nachbarschaft. Er bestellte ein Bier und hörte sich eine Weile Duncans Gejammer über das gestrige Mustang-Spiel an. Ein Mann kam aus dem Hinterzimmer und informierte Duncan, daß der Flipperautomat kaputt sei. Duncan ging nach hinten, um sich den Schaden anzusehen. Er blieb sitzen, schlürfte sein Bier und schaute in den Fernseher. Eine Seifenoper. Zwei Frauen unterhielten sich mit leiser Weltuntergangsstimme über einen Mann namens Hank. Hank sollte vom College nach Hause kommen, und eine der beide Frauen hatte gerade herausgefunden, daß Hank ihr Sohn war. Das Ergebnis eines eher katastrophalen Experiments, das vor mehr als zwanzig Jahren nach dem Highschool-Abschlußball stattgefunden hatte.
Freddy versuchte, etwas zu sagen, aber er drehte ihm sofort den Hahn ab. Die Sicherung arbeitete wieder perfekt.
Schon den ganzen Tag hatte sie funktioniert.
Das stimmt, du idiotischer Schizo! brüllte Fred, und dann gab George ihm Saures. Kümmer dich um deine eigenen Angelegenheiten, Freddy. Du bist hier eine persona non grata.
»Natürlich werde ich es ihm nicht sagen«, flötete eine der Frauen im Kasten. »Wie kannst du von mir erwarten, daß ich es ihm mitteile?«
»Nun … sag’s ihm einfach«, antwortete die andere.
»Warum sollte ich es ihm sagen? Warum soll ich wegen einer Sache, die vor mehr als zwanzig Jahren passiert ist, sein ganzes Leben auf den Kopf stellen?«
»Willst du ihn etwa anlügen?«
»Ich werde ihm überhaupt nichts sagen.«
»Du mußt es ihm sagen.«
»Sharon, ich kann es mir nicht leisten.«
»Wenn du es ihm nicht sagst, Betty, dann werde ich es tun.«
»Diese bescheuerte Maschine ist total im Eimer«, erklärte Duncan, der gerade aus dem Hinterzimmer zurückkam. »Immer derselbe Ärger, seit ich sie aufgestellt habe. Und was jetzt? Jetzt muß ich diese beschissene Automatenfirma anrufen und zwanzig Minuten warten, bis die bescheuerte Sekretärin mich mit der richtigen Stelle verbindet. Einem Langweiler zuhören, der mir erklärt, wie beschäftigt sie alle gerade sind und daß er versuchen wird, mir bis Mittwoch jemanden herauszuschicken. Mittwoch! Am Freitag taucht dann endlich so ein Kerl bei mir auf, der sein Gehirn zwischen den Arschbacken sitzen hat, säuft für vier Dollar Freibier und erklärt nur, daß ich den Leuten sagen soll, sie sollen mit dem Ding nicht so rabiat umgehen. Und während er den Schaden repariert, macht er ein oder zwei andere Sachen kaputt, damit er in zwei Wochen wieder kommen kann. Die alten Automaten waren viel besser, gingen selten einmal kaputt. Aber das hier ist der Fortschritt. Wenn ich 1980 noch hier bin, werden sie den Flipper rausnehmen und einen Fickautomat aufstellen.
Willst du noch ein Bier?«
»Klar.«
Duncan ging, um das Bier zu zapfen. Er legte fünfzig Cents auf die Theke und schlenderte nach hinten zur Telefonzelle, die neben dem kaputten Automaten stand.
Er fand, was er suchte, in den gelben Seiten unter der Rubrik Automobile, neu und gebraucht. Der Eintrag lautete: MAGLIORES GEBRAUCHTWAGEN, Route 16, Norton, 892-4576.
Die Route 16 wurde zur Venner Avenue, wenn man nach Norton hineinfuhr. An diesem Abschnitt der Strecke konnte man alles finden, was die gelben Seiten nicht anboten.
Er steckte einen Zehner in den Schlitz und wählte die Nummer. Beim zweiten Läuten wurde der Hörer abgenommen, und er hörte eine Männerstimme: »Magliores Gebrauchtwagen.«
»Mein Name ist Dawes«, stellte er sich vor. »Barton Dawes. Kann ich Mr. Magliore sprechen?«
»Sal ist beschäftigt. Aber ich würde mich freuen, wenn ich Ihnen helfen kann. Pete Mansey.«
»Nein, ich muß mit Mr. Magliore sprechen, Mr. Mansey. Es geht um die beiden Eldorados.«
»Da haben Sie einen echten Ladenhüter«, wehrte Mansey ab. »Bis zum Jahresende nehmen wir keine großen Wagen mehr ab. Wegen der Energiekrise. Die verkaufen sich überhaupt nicht mehr. Also …«
»Ich will sie kaufen«, sagte er.
»Wie bitte?«