Er hatte darauf verzichtet, der Esket Hilfe zu schicken, obwohl zur vollständigen Erfüllung des Forschungsprogramms alle Fahrzeuge — a usnahmslos — erforderlich waren, und trotz der Tatsache, daß sich ungefähr einhundert seiner Gefährten an Bord befanden.
Er hatte Nahfunkgeräte abgelehnt, obschon ihr Nutzen auf der Hand lag. Seine Argumentation gegen sie war ebenso lächerlich haltlos wie unüberwindbar hartnäckig gewesen.
Er hatte, fünfzig Jahre zuvor, nicht bloß beiläufig die Chance wahrgenommen, für Meskliniten fremdes Wissen zu erlangen, sondern seine Weitergabe von seinen nichtmesklinitischen Auftraggebern rücksichtslos erzwungen.
Ib Hoffman vermochte sich schlichtweg des Eindrucks nicht zu erwehren, daß Barlennan insgeheim erneut etwas im Sinn führte.
Er fragte sich, wie Easy darüber dachte.
7
Beetchermarlf und Takoorch wurden, als der Teich gefror, davon nicht minder überrascht als die übrige Besatzung der Kwembly. Stundenlang hatten sie sich über die Vorgänge in der näheren Umgebung nicht interessiert, weil das Labyrinth der Ruderleinen und Trossen komplizierter war als die Takelage eines alten Segelschiffs. Beide kannte n ihre Aufgabe und mußten sich daher kaum untereinander verständigen. Außerdem gab es, wenn ihr Blick schon einmal abschweifte, ohnehin wenig zu sehen. Über ihnen befand sich der riesige Rumpf des Fahrzeugs, seitlich hing die wulstige pneumatische Matratze über den beiden, und im Rest ihres Blickfelds lagen nur Walzen und die Finsternis von Dhrawns Nacht, die alles, das außerhalb der Reichweite ihrer kleinen La mpen lag, völlig einhüllte.
So bemerkten auch sie nicht — ebenso wie das Personal im Innern der Kwembly — die winzigen Kristalle, die sich auf dem Wasserspiegel zu bilden begannen. Sie hatten die Untersuchung der Walzenreihe 1 auf der Backbordseite abgeschlossen und wollten sich der Reihe 2 a nnehmen, als sie feststellten, daß sie gefangen saßen. Takoorchs Nachladelampe war schwächer geworden, und er suchte nach dem nächstbefindlichen Fusionskonverter, um sie aufzuladen; die Krafteinheit steckte in einer Walze von Reihe 1. Er war reichlich verblüfft, daß er den Konverter weder erreichen noch überhaupt sehen konnte; einige Sekunden lang tastete er herum, dann rief er Beetchermarlf. Sie brauc hten fast zehn Minuten, um sich davon zu überzeugen, daß sie rundum von einer undurchsichtigen weißen Wand eingeschlossen waren, die ihren Körperkräften widerstand und den Raum zwischen den äußeren Walzen sowohl in der Horizontalen wie auch in der Vertikalen — bis hinauf unter die pneumatische Matratze — gänzlich ausfüllte.
Ihre Werkzeuge waren zu stumpf und zu klein, um dem Eis beikommen zu können, aber damit fanden sie sich erst nach einer Stunde unwirksamen Scharrens und Kratzens ab. Bis dahin war keiner der beiden ernstlich beunruhigt; offensichtlich hielt das Eis die Kwembly fest, und man würde es ohnehin von oben aufbrechen müssen, um das Fahrzeug freizulegen. Natürlich war ihr Wasserstoffvorrat begrenzt, doch bedeutete ein Mangel daran weitaus weniger Gefahr für sie, als ein Sauerstoffmangel für einen Menschen bedeutet hätte. Zehn oder zwölf Stunden lang hatten sie noch Zeit, um etwas zu tun, und wenn ihre Wasserstoffzufuhr ein bestimmtes Maß unterschritt, würden sie vorerst nicht mehr als ihr Bewußtsein verlieren und mit eingeschränkten Körperfunktionen weiterleben; erst nach fünfzig bis einhundert Stunden mochten ihre Organismen irreparable Schäden erleiden.
Tatsächlich blieben die beiden gelassen genug, um wieder an ihre Arbeit zu gehen; und sie schickten sich bereits an, sich den äußeren Walzen der Reihe 2 zuzuwenden, als sie eine weitere, diesmal erheblich bestürzendere Entdeckung machten.
Das Eis drang langsam einwärts. Nicht schnell, aber offenbar unaufhaltsam. Keiner der beiden wußte auch nur um eine Spur besser als Ib Hoffman, wie es ihnen bekommen würde, froren sie bis zur Bewegungsunfähigkeit darin ein, wie es wohl zu erwarten war. Und beide verspürten nicht das geringste Interesse nach dieser Erfahrung.
Immerhin verfügten sie noch über Licht. Nicht alle Krafteinheiten befanden sich in äußeren Walzen, und Takoorch lud seine Lampe auf, so daß sie eine genauere Begutachtung ihres Gefängnisses vornehmen konnten. Beetchermarlf hoffte, in Bodennähe oder oben, unterhalb der pneumatischen Matratze, einen ungefrorenen Zwischenraum zu finden; ihm war nicht klar, ob der Gefrierprozeß vom Grund oder vom Wasserspiegel her eingesetzt hatte, denn er war — im Gegensatz zu jedem beliebigen Menschen — nicht mit der Tatsache vertraut, daß Eis auf flüssigem Wasser schwamm.
In diesem Augenblick wirkte seine Unkenntnis sich jedoch vorteilig aus, da er andernfalls zu einem Fehlschluß gelangt wäre. Selbstverständlich hatten die Kristalle sich an der Wasseroberfläche zu formen begonnen, aber da sie von höherer Dichtigkeit waren als die Flüssigkeit, lagerten sie sich ab und schmolzen wieder, als sie in ammoniakhaltigeres Flüssigkeitsniveau gerieten.
Aus diesem Prozeß scheinbarer Umsetzung resultierte eine fast sofortige und vollständige Verflüchtigung des Ammoniakgehalts der Flüssigkeit, und zwar bis zu einem Grade, der zu einem nahezu augenblicklichen Erstarren der gesamten Flüssigkeitsmenge führte. Folglich konnten die beiden keinerlei Lücken finden.
Eine Zeitlang lagen sie zwischen den Walzen, dachten lediglich nach und beobachteten das Vordringen des Eises. Sie führten kein Zeitmeßgerät mit und konnten die Geschwindigkeit des Gefrierprozesses daher nicht beurteilen.
Takoorch äußerte die Meinung, daß er sich verlangsame; Beetchermarlf war dessen weniger sicher.
Ab und zu hatte einer von ihnen eine Idee, aber der andere fand stets einen Fehler darin.
„Wir könnten kleinere Steine forträumen“, bemerkte Takoorch einmal. „Warum sollten wir nicht einen Tunnel unter dem Eis schaffen?“
„Und wohin?“ konterte sein Gefährte. „Die nächste Uferstelle ist vierzig oder fünfzig Kabel entfernt, jedenfalls nach meinem letzten Überblick.
Diese Entfernung können wir unmöglich durchgraben, bevor uns die Atemluft ausgeht, selbst wenn das Grundwasser vom Gefrierprozeß nicht erfaßt worden sein sollte; das anzunehmen ist jedoch unbegründet.“
Takoorch gab durch eine zustimmende Gebärde zu verstehen, daß er dies einsah, und verfiel wieder in Schweigen, während das Eis um einige Millimeter näher kroch.
Etwas später kam Beetchermarlf ein anderer Gedanke. „Unsere Lampe muß ein bißchen Wärme ausstrahlen, obwohl wir sie durch die Anzüge nicht spüren. Warum sollte sich mit ihr kein Weg durch das Eis schmelzen lassen?“
„Versuchen können wir’s“, lautete Takoorchs lakonische Antwort.
Sie begaben sich vor die frostige Barriere.
Beetchermarlf errichtete einen Hügel aus kleinen Steinen und legte die auf Maximalleistung geschaltete Lampe darauf, so daß der Lichtkegel aus unmittelbarer Nähe auf das Eis fiel. Dann beobachteten sie den geringen Raum zwischen der Lampe und dem Eis.
„Da fällt mir ein“, sagte Takoorch, während sie warteten, „daß wir auch etwas Körperwärme besitzen. Könnte das nicht einen Schmelzprozeß unterstützen?“
„Vielleicht.“ Beetchermarlf zweifelte daran.
„Überzeugen wir uns zunächst, welche Wirkung die Lampe hat.“ Takoorch gestikulierte zustimmend, und die beiden schwiegen erneut.
Takoorch war jedoch keine Persönlichkeit, die längeres Schweigen zu ertragen vermochte, und bald darauf äußerte er eine neue Idee. „Unsere Messer sind gegen das Eis ziemlich wirkungslos, aber womöglich läßt sich diese erwärmte Stelle leichter ausschaben.“ Er öffnete eines der Klappmesser, die sie für allgemeine Zwecke stets bei sich trugen, und wollte sich an die Arbeit machen.
„Warte noch“, verlangte Beetchermarlf. „Wir sollten uns erst vergewissern, ob die Wärme überhaupt einen Effekt hat.“