„Zu riskant. Die Gefahr, daß man sie sieht, wäre zu groß. Wir wissen leider nicht, wie gut die Instrumente der Menschen sind und was sie vom Satelliten aus zu erkennen vermögen. Die Wahrscheinlichkeit, daß man auf der Nachtseite des Planeten Lichter bemerkt, ist schlichtweg zu hoch. Deshalb habe ich deine Anregung verworfen, Dee; andernfalls, so räume ich ein, wäre sie sehr gut gewesen.“
„Unsere Metallvorräte reichen für so ausgedehnte Installationen sowieso noch nicht aus“, fügte Bendivence hinzu. „Im Augenblick fällt mir nichts ein. Aber wie gut die Menschen Lichter zu erkennen vermögen, ließe sich sehr leicht testen.“
Wie? Die beiden anderen Meskliniten stellten die Frage nicht verbal, sondern durch Veränderung der Körperhaltung.
„Indem wir ganz unschuldig fragen, ob es ihnen möglich sei, die Scheinwerfer der verschwundenen Helikopter auszumachen.“
Barlennan überlegte sich den Vorschlag.
„Ausgezeichnet. Das läßt sich machen. Wenn sie sagen, sie könnten es nicht, besitzen wir natürlich keine Gewißheit, ob es stimmt; aber sicherlich fallen uns im Laufe der Zeit noch andere Kontrollmethoden ein.“
Er ging voran aus dem Kartenraum, wo die Diskussion stattgefunden hatte; die drei Meskliniten marschierten durch die verzweigten Korridore der Basis zum Kommunikationsraum. In den meisten Korridoren war es relativ dunkel. Die Auftraggeber der Expedition hatten beileibe nicht mit Leuchtkörpern gegeizt, doch Barlennan selbst hatte eine sparsame Verteilung veranlaßt. Der Anblick der Sterne über den Korridoren verlieh den Meskliniten das beruhigende Gefühl, daß ihnen nichts auf den Kopf fallen konnte; Mesklins Sonne, von den Menschen 61 Cygni genannt, gehörte zu den gegenwärtig unter dem Horizont stehenden Sternen.
Unterwegs blickte Barlennan mehr aufwärts als voraus; er versuchte den Satelliten auszumachen, dessen Leuchtbake immerhin die Leuchtstärke eines Sterns vierten Helligkeitsgrades besaß. Der langsam über den Himmel wandernde Funke war der beste Zeitmesser, der den Meskliniten zur Verfügung stand; sie stellten ihre Pendeluhren, die erhebliche Unregelmäßigkeiten aufwiesen, nach ihm.
Sterne und Funke verschwanden, als die drei den hell erleuchteten Kommunikationsraum betraten.
Guzmeen meldete Barlennan, daß noch keine Neuigkeiten über die beiden Helikopter vorlägen.
„Welche Berichte hat Dondragmer seit dem Auflaufen der Kwembly durchgegeben? Ich meine, während der letzten einhundertdreißig Stunden.
Weißt du, seit wann sein Erster Offizier verschwunden ist?“
„Nur ungefähr. Sein Verschwinden wurde ohne Erwähnung gemeldet, zu welchem Zeitpunkt es geschah. Und ich ging davon aus, es sei soeben erst geschehen, und habe nicht gefragt. Beide Fälle wurden innerhalb einer Stunde durchgegeben.“
„Und du hast dich nicht gewundert, warum die Meldungen von Kervensers und anschließend Reffels Verschwinden so kurz hintereinander kamen, obwohl zwischen beiden Vorfällen doch eine längere Zeitspanne verstrichen sein mußte?“
„Ich habe mich gewundert. Eine Erklärung weiß ich nicht dafür. Jedenfalls dachte ich, es sei besser, dir die Entscheidung über eine Rückfrage zu überlassen.“
„Glaubst du, Don hätte — vielleicht, weil er einen Fehler beging — Kervensers Verschwinden nicht sofort gemeldet?“ mischte Bendivence sich ein.
„Ihm könnte die Idee gekommen sein, zu warten, bis Kervenser wieder auftauchen würde, um dann den Zwischenfall in heruntergespielter Fassung zu melden.“
Barlennan musterte den Wissenschaftler abschätzend, antwortete jedoch ohne zu zögern.
„Das glaube ich nicht. Zwischen Dondragmer und mir existieren Meinungsverschiedenheiten, aber es gibt Dinge, die keiner von uns beiden tun würde.“
„Auch wenn die Verschleppung dieser Angelegenheit bedeutungslos wäre? Schließlich hätten doch weder die Menschen noch wir umgehende Hilfe leisten können, würden wir sofort davon erfahren haben.“
„Auch dann nicht.“
„Das begreife ich nicht. Warum?“
„Ich habe meine Gründe und keine Zeit für ausführliche Erklärungen. Sollte Dondragmer tatsächlich auf eine unverzügliche Meldung von Kervensers Ve rschwinden verzichtet haben, so aus zweifellos berechtigtem Anlaß. Persönlich jedenfalls bezweifle ich sehr, daß er die Schuld an der Verzögerung trägt. Guz, welche Menschen gaben dir die Berichte? War es derselbe?“
„Nein, Commander. Ich kenne die Stimmen nicht alle, und sie versäumen es oft, sich zu identifizieren. Die Hälfte aller Durchsagen erfolgt in der menschlichen Sprache, den Rest machen vorwiegend die Hoffman-Menschen. Von dem jungen Hoffman-Mensch hatte ich den Eindruck, daß er sehr oft mit der Kwembly in Kontakt gestanden hat, und ich nahm an, daß nichts Ernstes geschehen sein könne, wenn man sich beiläufiges Geplauder leistet.“
„Nun gut. Wahrscheinlich hätte ich ebenso reagiert. Doch mittlerweile habe ich einige Fragen an die Menschen zu richten.“ Barlennan nahm vor dem Apparat Platz; der Bildschirm war leer. Er betätigte den Rufschalter und wartete geduldig. Er hätte bereits sprechen können und sich damit Zeit gespart, aber er wollte zunächst wissen, welcher der Menschen sich zeigen würde.
Das Gesicht, das schließlich auf dem Bildschirm erschien, war ihm unbekannt. Auch fünfzig Erdjahre währender Umgang mit Menschen hatte Barlennan noch nicht befähigt, Familienähnlichkeiten sicher zu beurteilen; jeder Mensch dagegen hätte Benj sofort als Easys Sohn bezeichnet. Guzmeen erkannte den Jungen, aber Benj entledigte ihn der Aufgabe, Barlennan in Kenntnis zu setzen.
„Hier ist Benj Hoffman“, sagte das Abbild. „Seit dem letzten Anruf meiner Mutter vor zwanzig Minuten sind von der Kwembly keine weiteren Nachrichten eingetroffen. Gegenwärtig sind keine Wissenschaftler oder Techniker anw esend, so daß ich, falls technische Probleme anliegen, erst jemand holen müßte. Solltet ihr Einzelheiten über die Ereignisse wissen wollen, kann ich allerdings Auskunft geben, weil ich seit sieben Stunden im Kommunikationsraum bin und wahrscheinlich alle Fragen zu beantworten vermag. Ich warte.“
„Ich habe zwei Fragen“, entgegnete Barlennan.
„Die erste betrifft das Ve rschwinden des zweiten Helikopters. Ich möchte wissen, wie weit er von der Kwembly entfernt war, als die Verbindung abbrach, oder, falls die Entfernung nicht bekannt ist, wie lange er sich zu diesem Zeitpunkt bereits unterwegs befand. Zweitens interessiert mich, ob ihr in der Lage seid, vom Satelliten aus die Scheinwerfer der Helikopter zu erkennen. Ich vermute, ihr könnt es nicht mit bloßem Auge, aber vielleicht besitzt ihr optische Instrumente, von denen ich nichts weiß.“
Benjs Abbild auf dem Schirm hob einen Finger und nickte, als Barlennan soeben zu sprechen aufhörte, aber der Junge wartete mit der Erwiderung, bis ihn die ganze Durchsage erreicht hatte.
„Die erste Frage kann ich beantworten“, begann er, „und Mr. Cavanaugh sucht schon jemand, der in der zweiten Bescheid weiß. Kervenser startete vor ungefähr elf Stunden, und erst acht Stunden später, als die Kwembly inzwischen festgefroren und Beetchermarlf und Takoorch unter dem Eis gefangen waren, besann man sich auf ihn. Reffel nahm den anderen Helikopter — mit einem Kommunikatorsatz an Bord — und machte sich auf die Suche. Später führten wir eine Diskussion mit Dondragmer, die uns alle interessierte, und einige Minuten lang beachtete niemand den Bildschirm, der mit Reffels Kommunikatorsatz korrespondiert; plötzlich stellte jemand fest, daß es auf dem Schirm nichts mehr zu sehen gab. Er war nicht weiß, wie es zutrifft, wenn ein Sender ausfällt, sondern schwarz, als fiele einfach kein Licht mehr in die Kamera.“
Barlennan sah zu Guzmeen und den Wissenschaftlern hinüber. Keiner sagte etwas; es erübrigte sich. Niemand hatte den Bildschirm beachtet, als Reffel die Kamera abdeckte! Mit solchem Glück durfte man wahrlich nicht jeden Tag rechnen.
Benj hatte seine Durchsage noch nicht beendet.
„Das Mikrofon war nicht eingeschaltet, da niemand mit Reffel gesprochen hatte, und nun weiß keiner auch nur im geringsten, was ihm zugestoßen sein könnte. Seitdem ist kaum eine halbe Stunde vergangen, das ergibt ungefähr zweieinhalb Stunden zwischen Kervensers Verschwinden und dem von Reffel. Auf die andere Frage kann ich noch keine Antwort erteilen; Mr. Cavanaugh ist noch fort.“ Barlennan war ein wenig verwirrt, da der Junge die menschlichen Zahlwörter benutzte, die auf einem anderen numerischen System basierten; doch nach einigen Umrechnungen kam er zurecht.