Der Captain war weder besonders überrascht noch sonderlich verunsichert. Er hatte die Frage der Entfernung bereits mit Stakendee besprechen, der den Suc htrupp leitete. „Ich meine, daß die Empfehlung der Menschen, einen Kommunikator mitzunehmen, gut war“, hatte er erklärt. „Der Transport wird umständlich sein, und die Möglichkeit, daß er verloren geht, behagt mir keineswegs, aber er vermindert das Risiko, euren Trupp zu verlieren. Ich beunruhige mich noch immer wegen einer möglichen neuen Flutwelle, und die Menschen können noch keine endgültige Voraussage machen. Sie sind aber ebenfalls der Auffassung, daß so etwas wie ein jahreszeitliches Tauwetter bevorsteht. Über den Kommunikator kann ich euch eine direkte Warnung durchsagen, wenn eindeutige Informationen eintreffen sollten, und ihr könnt mich benachrichtigen, falls ihr etwas findet.“
„Mir ist unklar, wie wir uns verhalten sollen, falls tatsächlich eine weitere Flutwelle kommt“, sagte Stakendee. „Natürlich würden wir umkehren, wenn die Kwembly noch erreichbar ist; wenn nicht, müßten wir uns auf die Nordseite des Tals zurückziehen, die mir näher zu liegen scheint. Im Zweifelsfall wäre ich mir aber nicht sicher; es nutzte uns nichts, die Flutwelle zu überleben, während die Kwembly vielleicht um eine Jahresreise weiter abtreibt.“
„Daran habe ich auch schon gedacht“, meinte der Captain, „und weiß bis jetzt keine Antwort.
Werden wir nochmals abgetrieben, dürfte dies mit hoher Wahrscheinlichkeit die Zerstörung des Fahrzeugs zur Folge haben. Ich vermag gegenwärtig nicht zu beurteilen, ob es ratsam ist, unsere Versorgungsausrüstungen auf der Talseite zu stationieren, bevor wir die Räumarbeiten fortsetzen. Auf jeden Fall solltet ihr nun aufbrechen; je schneller die Suchaktion abgeschlossen ist, um so weniger brauchen wir zu befürchten, daß eine Flutwelle euch überrascht.“
Stakendee machte eine Geste der Zustimmung.
Fünf Minuten später sah Dondragmer ihn und seine Gruppe die Hauptluftschleuse verlassen. Mit dem Kommunikatorblock, den zwei der Raupenwesen auf ihren Rücken beförderten, bot die Gruppe einen grotesken Anblick. Sie bog um den Bug der Kwembly, der nach Nordwesten wies, und entfernte sich westwärts. Dondragmer beobachtete für eine Weile ihre entschwindenden Lichter, wandte sich jedoch, lange bevor sie außer Sicht gerieten, anderen Dingen zu.
Auf der Hülle arbeiteten Mannschaften daran, die Radiatorstange zu demo ntieren. Dondragmer hatte den Befehl zu dieser destruktiven Maßnahme nur ungern erteilt, aber nach Erwägung der Risiken lag es nicht in seiner Natur, sich mit weiteren Zweifeln zu plagen. Ihn interessierte lediglich noch, daß der Hülle so wenig Schaden wie möglich zugefügt wurde. Er beabsichtigte, sich später, sobald der schwierigste Teil der Demontage, die Trennung der Stange von den beiden Konduktoren, in Angriff genommen wurde, nach draußen zu begeben und die Arbeit persönlich zu überwachen. Vorerst aber genügte es, daß Praffens die Aufsicht hatte.
Das Problem, das der Captain gegenüber Stakendee aufgeworfen hatte, bedurfte längeren Durchdenkens. Die Anlagen des
Versorgungssystems waren leicht demontierbar und transportabel, so daß die Abkommandierung einiger Mannschaften zu diesem Zweck die Räumarbeiten nicht wesentlich verzögern würde; doch falls eine Flutwelle kam und die Kwembly abtrieb, während die Versorgungsanlagen am Ufer lagerten, konnte die Situation bedrohlich werden.
Das System war schnellzyklisch, funktionierte mit mesklinitischen Pflanzen und hing von Konverterenergie ab. Naturgemäß umfaßte seine Vegetationsquantität gerade genug zur Versorgung der Besatzung. Es mochte möglich sein, nur einen Teil des Systems auszulagern und dann die beiden getrennten Vegetationsbestände auszudehnen, bis die Umstände ihn zwangen, sich zwischen festem Land und dem Fahrzeug zu entscheiden; neue Tanks herzustellen war einfach, aber um beide Kulturen zu solchem Umfang aufzuzüchten, daß jede davon die ganze Besatzung mit Wasserstoff versorgen konnte, würde wahrscheinlich mehr Zeit erfordern, als ihnen zur Verfügung stand.
Bei dieser Gelegenheit wurde wieder einmal offenbar, wie nachteilig es war, daß sich die gesamte Kommunikation über den menschlichen Satelliten abwickelte. Eine der hauptsächlichen und vorrangigen Aufgaben der Besatzung der Esket war es, das Versorgungssystem zu modifizieren oder ein neues zu ko nstruieren, mit dem Ziel, die Versorgung einer größeren Personenzahl zu gewährleisten. Vielleicht war dieses Projekt bereits vor Monaten erfolgreich abgeschlossen worden, aber Dondragmer erhielt schlichtweg nicht die erforderlichen Informationen, um über den neuesten Stand der Dinge Bescheid zu wissen.
Seine Gedankengänge wurden vom Kommunikator unterbrochen.
„Captain! Hier spricht Benj Hoffman. Würde es euch zuviel Mühe bereiten, einen der Kommunikatorensätze so aufzustellen, daß wir die Demontage des Radiators beobachten können?
Womöglich genügte es, wenn du den Brücke nkommunikator an die Steuerbordseite schiebst und die Kamera auf das Heck richtest.“
„Das läßt sich einfach bewerkstelligen“, antwortete der Captain. Da der Kommunikatorsatz unter Dhrawns Schwerkraftverhältnissen weniger als fünfhundert Pfund wog, machten ihm lediglich die recht unhandlichen Ausmaße zu schaffen; seine Schwierigkeit glich der eines Menschen, der die leere Kartonverpackung eines Kühlschranks bewegen müßte. Innerhalb weniger Sekunden schob er den Kommunikatorsatz in eine Position, die er für geeignet hielt. Der Junge bestätigte seine Meinung.
„Danke, so ist es gut. Ich sehe steuerbords die Oberfläche, die Hauptluftschleuse und ein paar deiner Leute auf der Hülle. Entfernungen lassen sich nur schwer schätzen, aber ich kenne die Größe der Kwembly, die Lage der Hauptluftschleuse und eure Körpergröße, so daß ich mich behelfen kann.
Die Eisfläche, die ich sehe, erstreckt sich, wie ich annehme, um fünfzig oder sechzig Meter über die Hauptluftschleuse hinaus.“
Dondragmer war verblüfft. „Ich sehe mindestens dreimal so weit — nein, warte; du benutzt euer Dezimalsystem, also sehe ich nicht ganz so weit, aber zweifellos weiter als du. Wahrscheinlich sind Augen besser als die Linsen der Kameras. Ich wünschte mir allerdings, du würdest nicht bloß diesen Bildschirm beobachten. Oder werden die übrigen Bildschirme, die der Kwembly zugeordnet sind, von anderen kontrolliert? Ich möchte möglichst mit dem Suchtrupp, der soeben aufgebrochen ist, in Kontakt bleiben. Nach dem Zwischenfall mit Reffel bin ich erheblich beunruhigt.“
Dondragmer rang mit einander widerstrebenden Gefühlen, während er die Durchsage machte.
Einerseits war er ziemlich sicher, daß Reffel die Kamera absichtlich verdeckt hatte, doch konnte er sich noch weniger als Barlennan vorstellen, weshalb es sich als notwendig hätte erweisen sollen; andererseits beha gte ihm das ganze Esket-Manöver nicht. Niemals hätte er sich dazu hinreißen lassen, Barlennans Pläne mutwillig zu durchkreuzen, aber es wäre ihm keineswegs unlieb gewesen, flöge die ganze Angelegenheit auf.
Selbstverständlich konnte Reffel in echte Schwierigkeiten geraten sein; traf dies zu, befand er sich nur wenige Meilen entfernt und konnte — falls er noch lebte — das Fahrzeug auch zu Fuß erreichen.
„Alle vier Bildschirme sind genau vor mir“, meldete sich Benj. „Im Moment bin ich ihr einziger Beobachter, aber es befinden sich andere Leute im Raum. Mutter sitzt vor den Bildschirmen der Esket.
Hat man dir schon gesagt, daß sich dort etwas gerührt hat? Mr. Mersereau ist gerade hinaus und hat wohl wieder Streit mit Dr. Aucoin.“ (Um diesen Satz zu hören, hätte Barlennan sehr viel gegeben.) „Auf dem Schirm von Reffels Kommunikator ist noch immer nichts zu sehen. Der Suchtrupp marschiert; ich kann nicht viel erkennen, die Lichter, die er mitführt, sind beileibe nicht so gut wie die Scheinwerfer der Kwembly. Ich fürchte, ich kann die Gruppe nicht warnen, wenn sich etwas nähert, und außerdem ist da die Verzögerung.“