Auf jeden Fall war ihm nach seiner Maßnahme erheblich wohler zumute; hastig begab er sich zurück auf die Brücke, um die weiteren Vorgänge zu beobachten.
Eine sanfte Westbrise gestattete ihm gelegentlichen Ausblick auf die Oberfläche, da sie den Eisnebel fortwehte; inzwischen hatte das Heißwasserloch sich bedeutend ausgedehnt, aber nach einigen Minuten gewann er den Eindruck, daß nun eine Grenze erreicht war. Manchmal sah er die beiden Wissenschaftler, die umhereilten, um sich einen Überblick zu verschaffen. Zuletzt verharrten sie ungefä hr unterhalb der Brücke.
Eine Zeitlang schien der Flüssigkeitsspiegel unverändert zu bleiben, doch keiner der Beobachter wußte eine Erklärung dafür. Später einigten sie sich, daß das Heißwasser noch flüssige Wasserreservoirs unter der Kwembly erreicht haben mußte, die zum Verdampfen volle fünfzehn Minuten benötigten. Nach deren Ablauf ragten die ersten Steine des Flußbetts aus dem Heißwasserpfuhl. Plötzlich fiel Dondragmer ein, daß es womöglich erforderlich war, die Energieeinheit zu deaktivieren, bevor ein weiteres Stück der Stange abschmolz; die bereits fehlende Länge würde es schwierig genug machen, die Radiatorstange wieder mit dem Kühlsystem zu verbinden. Nun, da die Stange immer tiefer auf den Grund sank, fragte er sich, wie sie an die Kontrollen des Konverters gelangen sollten. Er vergeudete keine Zeit damit, sich über die Wissenschaftler zu ärgern, weil sie kein Zugseil an der Schaltung befestigt hatten; schließlich hatte er selbst nicht rechtzeitig daran gedacht. Er legte nochmals den Schutzanzug an und verließ das Fahrzeug durch die kleine Brückenschleuse. Die Rumpfwölbung entzog ihm den Ausblick nach unten, und so rasch die schlechte Sicht es erlaubte, begann er über die Klammereisen der Hülle abwärts zu klettern. Unterwegs rief er bereits zu den beiden Wissenschaftlern hinab. „Laßt die Stange nicht noch einmal schmelzen! Schaltet ab!“
Einem bestätigenden Pfeifton entnahm er, daß man ihn gehört hatte, aber andere Auskünfte erteilte man ihm nicht. Er setzte den Abstieg fort, bis er die Plattform des Rumpfaufbaus betrat, wo ihn lediglich noch die Pneumatik von der dampfenden Wasserfläche trennte. Unter den herrschenden Druckverhältnissen blubberte das kochende Wasser nicht, aber natürlich war es heiß, und der Captain gab sich nicht der Täuschung hin, der Anzug biete ihm genügenden Schutz. In diesem Moment kam ihm — mit reichlicher Verspätung — zu Bewußtsein, daß er möglicherweise soeben seine beiden vermißten Steuerleute zu Tode verbrüht hatte.
Die Konvertereinheit befand sich weiter heckwärts, aber das nächste begehbare Eis lag am Bug. Es würde ohnehin ein Problem sein, die Einheit zu erreichen, da sie zweifellos mittlerweile unter dem Heißwasserspiegel saß. Dondragmer begab sich zum Bug; von dort aus war die Sicht klar, aber die beiden Wissenschaftler waren nirgends zu erblicken. Vermutlich versuchten sie bereits am Heck vergeblich, seinem Befehl nachzukommen. Der Captain betrat solides Eis und geriet, als er den Pfuhl zu umrunden begann, wiederum in den sichtbehindernden Eisnebel. Er stieß, während er den Weg fortsetzte, eine Reihe fragender Pfiffe aus, die zu seiner Beruhigung ausnahmslos beantwortet wurden. Jedenfalls waren die beiden noch nicht ins Wasser gefallen.
Als er sich zu ihnen gesellte, hatten sie noch keinen Erfolg zu verzeichnen. Der Konverter befand sich nicht bloß außer Reichweite, sondern war auch nicht mehr zu sehen. In den Pfuhl zu tauchen, wäre reiner Wahnsinn gewesen, bevor nicht das gesamte Heißwasser verdampft war. Das allerdings konnte nicht allzu lange dauern; die Menge der Steine, die man schon zwischen der Dampfsäule erkennen konnte, zeugte davon, daß die Stange bald auf ihnen trockenliegen mußte.
Mehrere Minuten lang erwog der Captain das Risiko, und binnen dieser Zeitspanne sank der Wasserspiegel tatsächlich bis dicht über den Grund ab, so daß er es schließlich wagte, sich über die Kante rutschen und auf einen der rundlichen Felsen fallen zu lassen.
Die Aufschlagswucht entsprach der bei einem Sturz aus acht Stockwerken Höhe auf der Erde, und diesen Aufprall empfand sogar der Mesklinit als heftig. Dennoch blieb er unverletzt und beherrscht.
Mit einem kurzen Pfiff verständigte er die beiden Wissenschaftler von seinem Überleben und verbot ihnen, ihm zu folgen. Der nächste Felsen, der ihm genug Platz bot, lag um über eine Körperlänge entfernt, war aber gut zu erkennen, und dazwischen ragten ein paar Quadratzentimeter eines anderen Steins aus dem restlichen Heißwasser. Dondragmer streckte seinen Raupenkörper, krümmte sich, stützte etwa ein Dutzend Beine auf die wenigen Quadratzentimeter des flacheren Felsens, wölbte seinen Vorderkörper zu dem dritten Stein hinüber und zog den übrigen Körper hinterdrein. Diese raupentypische Bewegung beanspruchte nur zwei Sekunden. Von seiner neuen Position aus erwies sich der nächste Schritt als schwieriger. Der Fahrzeugrumpf, an dem er sich orientiert hatte, war kaum noch sichtbar; außerdem umgaben den Captain an dieser Stelle größere Wasserrestflächen.
Er zögerte, überlegte, kalkulierte; aber die Entscheidung wurde ihm schließlich abgenommen.
Das Zischen und Röhren der Dampfsäule verstummte, und unter dem Druck von Dhrawns Atmosphäre brach sie augenblicklich zusammen.
Dondragmer fand sich damit ab, daß ein weiteres Stück der Radiatorstange verloren war, entspannte sich und wartete, während die Wasserreste abkühlten, der Dunst sich verflüchtigte und der Nebel aus Eiskristallen sich verzog. Unterdessen wurde es ihm reichlich warm, aber solange sich unter ihm noch heißes Wasser befand, vermochte er der Versuchung, zurück auf die Eisoberfläche zu klimmen, leicht zu widerstehen. Er wartete.
Jedenfalls lebte er noch, als die Sicht sich klärte, und war ungefähr einen Meter von der Konvertereinheit entfernt; nun, da er sich ungehindert umschauen konnte, erreichte er sie auf dem Umweg über einige unregelmäßig verteilte Steine. Er schaltete die Einheit ab. Die beiden Wissenschaftler hatten sich inzwischen an der Kante über ihm an einer Stelle eingefunden, von der aus sie vermutlich den neuen Schaden am besten begutachten konnten. Direkt gegenüber, unter dem Rumpf der Kwembly, klaffte ein finsterer Hohlraum, in den das Licht der Außenscheinwerfer nicht eindrang. Der Captain verspürte wenig Lust, die Höhle zu betreten; sehr wahrscheinlich würde er darin die beiden toten Steuerleute entdecken. Im Satelliten bemerkte man sein Zögern.
„Warum steht er da untätig neben dem Konverter?“ murmelte McDevitt. „Ach, ich schätze, auf dem verbliebenen Wasser ist noch keine ausreichend dicke Eisschicht.“
„Nicht nur deshalb, wette ich.“ Benjs Tonfall ließ den Meteorologen den Blick vom Schirm wenden.
„Was ist los?“ fragte er.
„In diesem Loch steckten Beetch und sein Freund, dessen bin ich sicher. Wie sollten sie sich vor dem kochenden Wasser gerettet haben? Ich wette, daran hat der Captain überhaupt erst jetzt gedacht. Hätte er es geahnt, er würde nicht zugelassen haben, daß die beiden Wissenschaftler so rücksichtslos vorgingen. Man kann sich leicht vorstellen, was nun aus Beetch geworden ist!“
McDevitt überlegte hastig; ein vernünftiger Kommentar würde den Jungen weder überzeugen noch beruhigen, zumal McDevitts vernünftigster Schluß die Annahme nahe legte, daß Benj wahrscheinlich recht hatte. Aber er bemühte sich.
„Es sieht übel aus, aber ich würde nicht so schnell aufgeben. Ich zweifle daran, daß der Erhitzer das gesamte Eis unter dem Rumpf aufgelöst hat, und das heiße Wasser muß sie nicht unbedingt erreicht haben; andernfalls besteht die Möglichkeit, daß sie sich auf der anderen Seite, die wir nicht sehen können, an die Oberfläche retten konnten.