„Dann müßten diese frühen intelligenten Rassen von Anfang an so intelligent gewesen sein, daß sie auf ihren Planeten absichtlich keine Fossilien hinterließen. Meinst du, die Existenz der Menschheit auf der Erde wird in einer Milliarde Jahre nicht mehr geologisch nachweisbar sein trotz ausgebeuteter Kohleflöze und zahlloser Bierbüchsen? Das kaufe ich dir nicht ab, Alan.“
„Vielleicht nicht, aber ich bin keineswegs Mystiker genug, um anzunehmen, daß irgendwelche Superwesen die Rassen in diesem Teil des Weltraums unbemerkt und auf geheimnisvolle Weise einer gemeinsamen Höchststufe zuführen.“
„Ob du der Superwesenhypothese anhängst oder ob du die Esfa-Theorie vorziehst, spielt keine Rolle. In dieser Problematik haben wir es mit mehr als nur Wahrscheinlichkeiten zu tun, und deshalb kannst du deine Kritik an Barlennan nicht ausschließlich auf die Gesetze der Wahrscheinlichkeit stützen. Du mußt nicht glauben, daß er recht hat, aber ich würde dringend dazu raten, ihn ernst zu nehmen. Ich tue es.“
Diese Diskussion, wie schon die vor einigen Stunden stattgefundene Besprechung, hätten Dondragmer außerordentlich interessiert. Doch selbst wenn das Zuhören ihm möglich gewesen wäre, er war bei weitem zu beschäftigt. Mit der Rückkehr des Großteils seiner Mannschaft (einige waren natürlich auf der höher gelegenen Talseite zurückgeblieben, um die Versorgungsanlagen zu betreuen), mußte er umgehend die weiteren Arbeiten verteilen und anleiten und häufig persönlich zugreifen. Er kommandierte zwanzig Matrosen ab, um dem Trio zu helfen, das bereits dabei war, die Hauptluftschleuse vom Eis zu befreien. Eine noch größere Gruppe schickte er unter den Rumpf, versehen mit Lampen und Werkzeugen, um jede zugängliche Energieeinheit sicherzustellen. Der Captain hielt sein Benj gegenüber abgegebenes Versprechen und befahl dieser Gruppe, sehr genau nach Spuren von Beetchermarlf und Takoorch zu suchen. Sie fanden jedoch nichts. Einige Zeit später kehrten sie mit zwei Konvertern, bei denen es sich um jene handelte, die die beiden Steuerleute bei ihren Befreiungsversuchen benutzt hatten, und zwei weiteren, die durch den Erhitzer freigelegt worden waren, an die Oberfläche zurück. Die übrigen Einheiten, so berichteten sie, seien nicht zugänglich.
Unterdessen hatte sich der Rest der Besatzung wieder im Innern des Fahrzeugs eingefunden, indem man die anderen verfügbaren Schleusen benutzte: die kleinen an der Brücke, die beiden größeren, durch die gewöhnlich die Helikopter starteten und die beiden kleinen Notschleusen an Bug und Heck.
An Bord bekam jeder sofort zu tun. Dondragmer hatte in ihrer Abwesenheit nicht nur mit den Menschen gesprochen, sondern auch Einzelheiten geplant. Einige verpackten die Nahrungsvorräte, während andere Tauwerk, Lampen, Fusionskonverter und andere Ausrüstungsgegenstände zum Abtransport vorbereiteten. In den Korridoren, die zur Hauptluftschleuse führten, stapelte sich schnell sehr viel verschiedenartiges Material, um nach Freilegung der Schleuse nach draußen geschafft zu werden.
Von dem Gerumpel und Gelärme, das mit dieser Tätigkeit verbunden war, drang unglücklicherweise nichts durch das Material der pneumatischen Matratze, in der Beetchermarlf und Takoorch noch immer steckten. Soweit es sich später schätzen ließ, mußten die beiden sich wenige Minuten vor dem Einsatz des Erhitzers in ihren Schutz begeben haben. Das dicke, gummiartige Material der Matratze sog jedes Geräusch auf. Hätten die auf der Oberfläche arbeitenden Meskliniten Anlaß gehabt, sich lautstark zu verständigen, ihre Pfiffe wären vielleicht durch die Hülle gedrungen; aber es gab kaum etwas zu sagen, weil alle ihre Arbeit nur zu gut kannten. Die Elastizität des Materials verschloß den Schlitz, durch den die Steuerleute eingedrungen waren, so dicht, daß kein Lichtschimmer sie erreichte. Überdies hielt die Stimmung der beiden, eine typisch mesklinitische Mischung aus Geduld und Fatalismus, sie davon zurück, sich von der Lage außerhalb ihres provisorischen Schutzraums zu überzeugen, bevor die Wasserstoffvorräte ihrer Anzüge gefährlich zusammengeschrumpft sein würden. Und so, hätte Dondragmer auch Benjs Appell vernommen, es würde für ihn keinen Anlaß für irgendwelche Signale gegeben haben. Die beiden Steuerleute, kaum mehr als sechzig Zentimeter von einigen ihrer draußen tätigen Kameraden entfernt, wurden nicht gefunden.
Nachdem die dringendsten Arbeiten der Fahrzeugräumung erledigt waren, erteilte Dondragmer zweien seiner Matrosen einen Sonderauftrag. „Ihr geht stromaufwärts und bleibt in nordwestlicher Richtung, bis ihr Kabremm und die Gwelf findet“, befahl er. „Informiert ihn über unsere Maßnahmen. Wir werden unsere Beleuchtungsanlagen so aufstellen, daß sich nur die Apparaturen menschlicher Herkunft im Licht befinden. Das wird es ihm ermöglichen, die Gwelf außerhalb dieses Areals zu landen, ohne von den Menschen gesehen zu werden. Erklärt ihm, daß der Commander anscheinend den Trick mit den Eingeborenen früher als beabsichtigt ausspielen will, infolge Kabremms Auftauchen vorder Kamera von Stakendees Kommunikator. Anschließend sucht ihr Stakendee und setzt ihn ebenfalls in Kenntnis. Ac htet darauf, daß ihr nicht in den Kamerabereich eines Kommunikators geratet; sobald ihr euch seiner Gruppe zu nähern glaubt, schaltet eure Lampen aus. Ich werde über den Satelliten mit ihm Verbindung halten, aber natürlich kann ich diese Nachricht nicht durchgeben lassen. Ihr versteht.“
„Jawohl, Captain“, antworteten die beiden zugleich und entfernten sich.
Die Stunden verstrichen. Die Hauptschleuse war freigelegt und geöffnet, und man hatte fast das gesamte Material nach draußen geschafft, als ein Anruf vom Satelliten erfolgte. Der Kommunikator aus dem Laboratorium stand nun an der Oberfläche, so daß Dondragmer direkt erreicht werden konnte. Der Anrufer war Benj.
„Stakendee hat gemeldet, daß der Strom merklich breiter und schneller fließt und daß die Wolken sich in Regen verwandeln. Ich habe ihm auf meine Verantwortung geraten, den Rückweg anzutreten.“
Der Captain blickte zum noch wolkenlosen Himmel empor und dann nach Westen. „Danke, Benj. Genau das hätte ich auch getan. Wir verlassen die Kwembly in kurzer Zeit. Die Vorschläge von Mr. McDevitt sind berücksichtigt worden. Bitte, gib dies an Barlennan weiter; sage ihm, daß wir mit aller Vorsicht auf mögliche Umtriebe von Eingeborenen achten werden; falls sie, wie er anscheinend vermutet, Kabremm als Kontaktperson vorgeschickt haben, werde ich mich bemühen, friedliche Beziehungen zu ihnen herzustellen. Ich habe Kabremm noch immer nicht persönlich gesehen, und ihr habt ihn seit seinem Auftauchen nicht mehr erwähnt, so daß ich über ihn so gut wie nichts weiß. Kümmere dich darum, daß man mich über Barlennans Überlegungen und Absichten informiert; gleiches werde ich von meiner Seite aus zu tun versuchen, aber es ist keineswegs ausgeschlossen, daß sich die Ereignisse überschlagen. Beobachtet eure Bildschirme gut.
Das ist vorläufig alles; wir brechen jetzt auf.“ Der Captain stieß einen gellenden Pfiff aus, der zum Glück für die menschlichen Ohren vom Sender nicht in wirklicher Lautstärke übertragen wurde.
Die Meskliniten bildeten eine unregelmäßige Kolonne, und innerhalb von zwei Minuten waren sie aus dem Aufnahmefeld des
Brückenkommunikators verschwunden. Der andere Kommunikator übertrug dem Bildschirm nichts als das Licht der Lampen, die an der Spitze der Kolonne getragen wurden. Die Meskliniten, die nur zwei oder drei Meter von der Kamera entfernt vorbeimarschierten, ließen sich ganz deutlich erkennen, während sie mit ihren Lasten über das steinige Gelände kletterten, mehr allerdings nicht.
Der Kolonne konnten zu beiden Seiten ganze Heerscharen von Eingeborenen auflauern, ohne daß die Menschen dies zu erkennen imstande sein würden. Aucoin war weder der erste noch der letzte, der Dhrawns eintausendfünfhundert Stunden dauernde Rotation verfluchte; es galt noch über sechshundert Stunden abzuwarten, bevor das schwache Tageslicht von Lalande 21.185 zurückkehrte.