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Ellen Porath

Stahl und Stein

Für alle, die es gewagt haben,

den Düsterwald zu betreten.

Mein Dank gilt Mary Kirchoff, die mir eine Chance gab,

Pat McGilligan für seine unverhohlene Kritik,

J. Eric Severson für den Titel und viele kluge Ideen,

Bill Larson für die sorgfältige Bearbeitung

und B. Wolfgang Hoffmann für das Foto.

Prolog

Nebel lag über dem feuchten Gelände und klammerte sich an die verstreuten, schmutzigen Schneereste, als die Nacht dem Grau der Morgendämmerung wich. Eine schwarzhaarige Frau, der Nebelschwaden um die kniehohen, glänzend schwarzen Stiefel wogten, klatschte auf ihrem Weg durch ein nahezu stilles Lager mit der bloßen Hand an die Leinenzelte. Ein paar Dutzend Soldaten waren schon wach; sie sahen auf und lächelten, als sie vorbeikam.

»Zeit, daß ihr euch euren Sold verdient, ihr faulen Wiesenschnecken«, schimpfte sie mit den Schlafenden. »Auf, auf!« Hinter ihr hörte man Flüche, mit denen die Männer die Vorfahren der Frau beschimpften, während sie nach Waffen, Stiefeln und Helmen tasteten. Einer nach dem anderen schlug die Zeltplane zurück und trat in die winterlich kühle Luft. Die Soldaten zogen ihre Wollmäntel am Hals zu und verwünschten die beißende Kälte.

»Bei den Göttern, hätten der verrückte Valdan und sein verdammter Zauberer nicht bis zum Sommer warten können?« beschwerte sich ein bärtiger Mann, der über seine rote Nase und einen sandfarbenen Schnurrbart hinweg zu zwei großen Zelten schaute, die hundert Schritt abseits vom Hauptlager auf einem Hügel aufgestellt waren.

»Sei still, Lloiden!« warnte sein Kamerad. Ein älterer Mann war plötzlich in der Öffnung des kleineren Zelts aufgetaucht und fixierte die beiden Nörgler. Die schwarze Robe des Alten wurde von einer Silberschnur um die Taille gehalten, an der ein Dutzend verschiedener Beutel hingen. Hagere Finger spielten mit dem einen Beutel, und Lloidens Kamerad wurde blaß. Wieder gab er seinem Zeltnachbarn einen Wink, er möge schweigen.

Die Frau blieb stehen und wandte sich zu dem bärtigen Soldaten um. Leise sagte sie: »Der Kopf des letzten Mannes, der die Entscheidungen des Valdans in Frage gestellt hat, liegt südlich von hier am letzten Bergpaß. Es heißt, er habe größte Ähnlichkeit mit einer Kröte. Der Valdan ist reich genug, um seine Söldner gut zu entlohnen. Das ist das einzige, was uns etwas angeht, Lloiden.«

Der erste Mann schob trotzig das Kinn vor. Er winkte mit der Hand, als sei die Sache erledigt, und wartete, bis sich der Magier umdrehte und zurück ins Zelt ging. Dann begann Lloiden abermals zu nörgeln.

»Klar, der Sold ist ein Grund, aber wo bleibt die Strategie?« quengelte er. An seinem Bart hingen Tautropfen. »Was soll das, daß wir nach nur zwei Wochen Belagerung angreifen? Ich war schließlich bei der Belagerung von Festwild dabei, nördlich von Neraka. Ist Jahre her. Achtzehn Monate haben wir vor den Toren gelegen, und die letzte Schlacht hat drei Tage gedauert, so sehr hat sich der Gegner noch aufgebäumt.«

Andere Soldaten hielten in ihren Vorbereitungen inne und warfen der Frau mit dem Lockenkopf und ihren streitlustigen Untergebenen neugierige Blicke zu.

Sie verdankte ihren Rang bestimmt nicht ihrem Alter. Sie mochte kaum älter als Anfang Zwanzig sein. Schwarzes Leder verhüllte ihren Körper vom Hals abwärts, aber das Kettenhemd darüber verbarg die jugendliche Geschmeidigkeit ihres Körpers nur wenig. Warmer Iltispelz besetzte den Halsausschnitt ihres Wollumhangs und säumte das feste Leder, das ihre Arme von der Hand bis zum Ellenbogen schützte. Ihr Schwertknauf glitzerte.

Lloidens Zeltgenosse schob sich davon. Ein anderer Mann flüsterte unüberhörbar: »Nu’ macht Hauptmann Kitiara Lloiden aber gleich ’n Kopf kürzer, wenn er weiter so redet. Das wird was.« Die Soldaten stießen einander in die Rippen und grinsten.

Aber Kitiara schüttelte bloß resigniert den Kopf. Dieses Thema hatten sie schon oft genug durchgekaut. »Aberwitzige Ungeduld«, stimmte sie zu. »In den zwei Wochen sind die Vorräte des Meir doch kaum angekratzt. Auch wenn der Meir gefallen ist, war die Zeit viel zu kurz, um die Verteidiger der Burg mürbe zu machen.«

»Also, ich frag’ noch mal, warum der Angriff?« wollte Lloiden wissen. »Warum nicht aushungern?«

Kitiara machte den Mund auf, doch nur um ihn sofort wieder zu schließen. Sie fuhr sich mit der Hand durch das feuchte, schwarze Haar. Ihr übliches, gaunerhaftes Grinsen war von ihren Lippen verschwunden, als sie zum Zelt des Magiers hochblickte. »Der Valdan will, daß die Sache schnell zu Ende kommt.«

Ein anderer Soldat meldete sich fast flüsternd zu Wort. »Manche sagen, der Valdan hat Angst, seine Tochter könne noch Meiri-Truppen gegen ihn aufstellen.«

»Besonders jetzt«, bestätigte ein weiterer. »Nachdem ihr Mann tot ist, sehen die Meiri in Dreena ihre einzige Hoffnung im Kampf gegen ihren Vater.«

Kitiara sagte: »Jedenfalls waren die Generäle mit der Hast des Valdan einverstanden, und sie werden kaum auf die Einwände eines einfachen Hauptmanns hören.« Sie machte eine Pause, die ihre Verachtung für die Befehlshaber ausdrückte. »Besonders da der Zauberer jeden Befehl des Valdan stützt. Also Schluß damit, Lloiden.« Ihr Ton ließ keinen Widerspruch gelten. Lloiden schüttelte den Kopf und ging wieder an seine Vorbereitungen.

Hauptmann Kitiara blieb vor ihrem eigenen Zelt stehen und hob die Stimme. »Aufstehen, Mackid! So müde kannst du nicht sein. Mich hast du gestern abend jedenfalls nicht lange wachgehalten.«

Die anderen Söldner brachen in schallendes Gelächter aus, und einige boten an, Caven Mackids Platz in Kitiaras Zelt zu übernehmen, aber es kam keine Antwort von hinter der Plane.

»Caven?« Kitiara zog die Zelttür zur Seite. Und so schnell, wie sie sie fallen ließ, wußten die Zuschauer, daß Caven Mackid anderswo war. Ihr halb verärgerter, halb bewundernder Blick zum provisorischen Korral weiter unten verriet, wo sie Mackid vermutete. »Verwünschter Malefiz«, murmelte sie. »Kann der Mann sich nicht mal genausoviel seinem Schwert widmen wie diesem Hengst?« Sie ging wieder daran, ihrer Truppe Beine zu machen. Die Soldaten schlangen ihr Frühstück, Käse und Trockenfleisch, hinunter, während sie sich für die Schlacht rüsteten.

Kitiara hatte den westlichen Rand des hochgelegenen Lagers erreicht und blieb stehen, um auf einen Bergzug im Osten zu blicken. Mit der Dämmerung wurde der Himmel hellgrau. Weit im Westen lagen die Spitzen eines anderen stillen, baumbestandenen Bergzugs noch in der Dunkelheit. Im Süden liefen die zwei Bergzüge zu einem zerklüfteten V zusammen, das die Stadt Kernen barg, aus der der Valdan stammte – der jetzt wie ein Luchs vor der Tür seines Nachbarn lauerte.

Es war allgemein bekannt, daß der Valdan sein einziges Kind mit dem Meir verheiratet hatte, weil er den jungen Mann dazu bringen wollte, das Königreich der Meir mit dem des Valdan zu vereinen. Die Heirat hatte nicht den erwünschten Erfolg gehabt, woraufhin der Valdan Rache geschworen hatte.

Jetzt lauschte Kitiara dem gedämpften Klirren und Fluchen einer Söldnerarmee, welche die wenigen, aber loyalen Meiri-Truppen überrennen wollte. Sie suchte sich ihren Weg über den nebligen Abhang voll abgeschlagener Äste, um sich einen möglichst guten Überblick über das vorgesehene Schlachtfeld zu verschaffen. Natürlich hatte sie sich das Gelände in den zwei Wochen, seit sie hier lagerten, oft angesehen, aber im Winter konnte sich der Boden rasch und tückisch verändern.

Rufe aus dem Lager zogen Kitiaras Aufmerksamkeit auf sich. Sie sah, daß sich die Söldner dem Schloß des Meirs zuwandten, welches sich in eine baumlose Mulde duckte. Kitiara hatte die weibliche Gestalt auf den Zinnen bereits bemerkt, aber nicht erkannt, um wen es sich handelt. Jetzt wurde es ihr klar. Die Frau, deren blonde Haare fast weiß schimmerten, trug prächtige Kleider in Königsblau und Blutrot, den Farben der Meiri.