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Amber setzte sich mühsam auf. »Ich erledige das sofort.« Eine Hand legte sich sanft auf ihre Schulter und hielt sie zurück. Als sie aufsah, erkannte sie Cybil Barnard.

»Dafür ist später noch genug Zeit«, sagte die Ärztin. »Jetzt werden Sie erst mal gründlich untersucht, und dann schlafen Sie acht Stunden. Mr. Thorpe, bitte lassen Sie mich mit meiner Patientin allein.«

»Ich verschwinde schon, Doc.«

»Und Sie sagen meinem Sklaventreiber von einem Ehemann, dass seine Assistentin bis morgen verhindert ist. Also dann, Amber, bitte machen Sie den Arm frei.«

Amber saß an den Kontrollen im Teleskopüberwachungsraum der Admiral Farragut und betrachtete auf dem Bildschirm eine Nahaufnahme des Jupiter. Der Anblick erinnerte sie an das erste Foto, das sie von dem Planeten gesehen hatte.

Die Oberfläche des Gasriesen bestand aus einer Reihe von abwechselnd weißen und blassroten Wolkenstreifen. An ihren Rändern bildeten die Streifen komplizierte Wirbel aus Dunkelrot und Blassgelb. Andere Streifen wiederum hatten blaue oder graue Ränder. Viele der Wirbel waren größer als die Erde, doch beim Jupiter machten sie die kleinsten erfassbaren Einzelheiten aus. Die Strudel und Zyklone waren charakteristisch für die Jupiteratmosphäre.

Indem sie den Gottvater der Welten aufmerksam betrachtete, bemerkte Amber, dass sich die Fadenkreuze in der Bildschirmmitte langsam nach rechts bewegten. Sie griff nach vorn und korrigierte die Bewegung per Joystick. Von weither kam das knallende Geräusch der Steuerdüsen, als diese auf ihren Befehl reagierten.

Die Fadenkreuze kamen in der Nähe eines schwarzen Flecks zur Ruhe, der sich seinerseits über die Oberfläche des Planeten bewegte. Unter Berücksichtigung des Einfallswinkels des Sonnenlichts suchte und entdeckte Amber bald darauf das, was eine Verzerrung der Jupiteratmosphäre zu sein schien. Die Verzerrung war der Jupitermond Io, der sein Muttergestirn überflog. Der schwarze Fleck war sein Schatten.

»Wieder mal mit dem Jupiter beschäftigt, wie ich sehe!«

Als Amber sich umwandte, stand hinter ihr Cragston Barnard. Ihr ehemaliger Professor an der Universität Luna lächelte, als er sich zu dem Sitz an Ambers Seite zog. Barnard hatte das schlaksige, ein wenig unbeholfen wirkende Äußere, das bei Lunariern häufig anzutreffen war. Von einer zu weit vorstehenden Nase abgesehen, war er recht stattlich und zu Ambers Universitätszeiten der Gegenstand nicht weniger Spekulationen seiner Studentinnen gewesen.

»Fertig mit den Vorbereitungen zur Kometenbeobachtung?«

»Fertig«, antwortete sie. »Ich dachte mir, ich seh mir mal den Dicken an, solange ich auf Sie warte.«

»Das kann einem schon den Atem verschlagen, finden Sie nicht?«

Amber nickte. »Aber wirklich.«

Barnard tippte mehrere Befehle in den Kontrollcomputer des Teleskops ein. »Ehe wir mit der Arbeit anfangen, was halten Sie davon, wenn wir uns Callisto ansehen? Er müsste um diese Zeit eigentlich hinter dem Planeten hervorkommen.«

Amber bewegte die Fadenkreuze des Teleskops zur derzeitigen Position von Jupiters äußerstem Mond.

»Erhöhen Sie die Vergrößerung auf einhundert«, ordnete Cragston an, als die Steuerdüsen die Rotation des Schiffes stoppten.

Amber reagierte entsprechend und wurde mit dem Anblick eines nur wenig aus dem Zentrum des Bildschirms verschobenen runden Himmelskörpers belohnt. Callisto hatte die Größe des Merkur und war mit Einschlagskratern übersät. Die Krater unterschieden sich jedoch von denen des Mondes oder des Mars. Wo Lunas Krater in der Mitte eine Erhebung hatten, waren sie auf Callisto gleichmäßig flach. Manche besaßen sogar Vertiefungen in der Mitte. Der Grund für diese andersgeartete Struktur war die Zusammensetzung von Callistos Oberfläche, die zum größten Teil aus gefrorenem Wasser bestand. Unter der Eiskruste lag ein Meer von flüssigem Wasser, ein Meer zweihundertmal tiefer als jedes auf der Erde.

Dass Callisto bewohnt war, zeigte sich innerhalb von Sekunden. Nahe dem Mondäquator erschien ein heller grüner Fleck.

»Offenbar möchte die Forschungsstation mit Kapitän Olafson sprechen«, sagte Barnard und deutete auf den Schirm. »Sollen wir mithören?«

»Nur, wenn Sie den Rest des Flugs bei Wasser und Brot verbringen wollen«, scherzte Amber. »Kommen Sie, lassen Sie uns mit der Kometenbeobachtung anfangen.«

Kapitän Olafson lehnte sich in die Beschleunigungsliege zurück und starrte besorgt zum Jupiter an der Kuppel über sich hinauf. Das Bild des Planeten war nicht vergrößert, so dass der König der Welten geringfügig kleiner erschien als von der Erde aus betrachtet der Mond. Drei der Jupitermonde waren an einer Seite des Planeten aufgereiht. Zwei waren so groß, dass sie deutlich als Scheiben zu erkennen waren, während der dritte noch ein rötlicher Lichtpunkt war. Doch was Karin Olafson Sorgen machte, war weder der Planet noch seine Monde. Was sie beschäftigte, waren die wohlbekannten Strahlenrisiken des Jupitersystems.

Wie die Erde besaß auch der Jupiter ein Magnetfeld, das Partikel des Sonnenwinds einfing, sie konzentrierte und zu Strahlungsgürteln formte. Da das Magnetfeld des Jupiter weitaus stärker als das der Erde war, war auch sein Strahlungsgürtel bedeutend ausgedehnter und stärker – an manchen Stellen 10.000-mal so stark wie der der Erde. Als die erste Raumsonde, Pioneer 10, das Jupitersystem durchquert hatte, war sie einer Strahlung ausgesetzt gewesen, die das Hundertfache der für einen ungeschützten Menschen tödlichen Dosis betrug.

Die Van-Allen-Gürtel der Erde wurden häufig als den Äquator umkreisende alte Autoreifen beschrieben. In Wahrheit jedoch war die ringförmige Strahlungsregion keineswegs symmetrisch. Der Sonnenwind und die magnetischen Felder der Sonne trugen gemeinsam dazu bei, die Strahlung über der Tageshemisphäre auszudünnen, während sie sie in mehreren Planetendurchmessern Entfernung über der Nachthemisphäre verstärkten. Das Bild, das sie sich vorstellte, war ein Boot, das im munter dahinfließenden Fluss des Sonnenwinds vor Anker lag. Die Strömung warf eine kleine Bugwelle auf, ließ dem Heck jedoch ein langgestrecktes Kielwasser folgen.

Das Gleiche galt für den Jupiter. Die Strahlungsgürtel des Planeten durchmaßen über der sonnezugewandten Seite nur wenige Planetendurchmesser, breiteten sich auf der Nachtseite jedoch Millionen Kilometer weit aus. Die Folge davon war, dass Callisto während zwölf von sechzehn Tagen in einer Niedrigstrahlenregion umlief. Die restliche Zeit über war der Mond in einen unsichtbaren tödlichen Nebel gehüllt. Diese Tatsache vor allem machte die Navigation im Jupitersystem für Schiffsführer so quälend.

Kapitän Olafsons erstes Problem betraf das Ansteuern von Callisto. In sechs Tagen würden sie während des Abbremsvorgangs bis auf eine Million Kilometer an Jupiter herangekommen sein. Wenn sich ihre Fahrt erst einmal verlangsamt hatte, würden sie um die Riesenwelt herumschwingen, um Callisto von rückwärts und unten her einzuholen, und dann mit dem Mond weit über der Tageshemisphäre und den Strahlungsgürteln zusammentreffen. Wenn sie jedoch hinter dem Planeten vorbeiflog, würde die Admiral Farragut ins Herz einer der stärksten Strahlenregionen des Jupiter eintauchen.

Die Abschirmung des Frachters reichte zwar für die meisten Zwecke aus, war jedoch völlig unzureichend, um die Besatzung vor der Jupiterversion der Van-Allen-Gürtel zu schützen. Zum Glück hatten die Schiffsdesigner für diesen Fall vorgesorgt. Aus Strahlenschutzgründen hatten sie den Kontrollraum in die Mitte des Habitatmoduls gelegt und mit den schweren Trägern des Stützrahmens umgeben. Hinter dem Kontrollraum befand sich ein gleichermaßen gut abgeschirmter Raum, der ›Sturmbunker‹ des Schiffes, in den sich die Besatzung während der Strahlungsstürme zurückziehen konnte. Für die Kometenexpedition war der Sturmbunker mit Kälteschlaftanks ausgerüstet worden. Und während die Passagiere und die Crewmitglieder die meiste Zeit über in den Außendecks lebten und arbeiteten, würden sie sich während des Flugs durch den Strahlungsgürtel des Jupiter dorthin begeben.