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Zu diesem Transportsystem konnte man den Welten des Schattens nur gratulieren. Das waren nicht die schnöden »Telefonzellen« der Geometer, nein, das war etwas, das aus der umliegenden Realität selbst geschaffen worden war, aus ihrem Stein, Gras und Schmutz. Außerdem hinterließ dieses Tor im Bewusstsein eine Spur, ein Zeichen.

»Und? Was habt ihr nun davon?«, fragte ich, während ich mich umsah.

Nur zu gern wollte ich glauben, irgendjemand habe tatsächlich irgendetwas von alldem. Und dass von meinem Handeln und meinen Worten in diesem Moment etwas abhinge.

Mit ein paar Schritten trat ich in die Mitte des Tors. Erwartungsvoll blieb ich stehen.

Ich könnte hier Wurzeln schlagen, und es würde nichts passieren! Trotzdem hätte ich wahrscheinlich noch ewig so dagestanden und auf sonst was gewartet.

Doch genau in diesem Moment bewegte sich das hohe Gras am Rand des Waldes, ohne dass auch nur das geringste Lüftchen ging.

Was hatte ich doch gleich über Flora und Fauna gedacht? In null Komma nichts lag ich auf dem Boden und spähte in die grünen zitternden Halme hinein. Wir können die organischen Stoffe fremder Planeten nicht essen, das hatte ich vor gar nicht allzu langer Zeit meinem kleinen Nachbarn erklärt. Aber war das auch jedem außerirdischen Raubtier klar?

Das Gras beruhigte sich wieder. Prompt gaukelte mir meine Phantasie einen im Verborgenen auf dem Sprung lauernden Säbelzahntiger vor. Das war insofern noch gut, als es in der Galaxis ja genügend Monster gibt, bei deren Anblick du dich glatt einem Tiger in die Arme wirfst.

Wegzulaufen wäre dumm und obendrein gefährlich gewesen. Das Gleiche galt für die Idee, näher heranzugehen. Andererseits konnte ich ja wohl nicht stocksteif liegen bleiben oder mich in der Erde vergraben, oder?

Ich hockte mich erst hin, dann richtete ich mich zu voller Größe auf – manche Raubtiere schrecken ja vor einem größeren Gegner zurück – und ging los. Mit langsamen, aber möglichst sicheren Schritten.

Vielleicht konnte ich ihn abschrecken …

Doch dann erkannte ich, an wen ich mich heranschlich.

Im plattgedrückten Gras lag – die Arme ausgestreckt und in den Himmel hochschauend – ein junger Mann. Etwas jünger als ich, so zweiundzwanzig vielleicht. Aschfarbenes Haar und dunkle, leicht kupferfarbene Haut. Er trug eine grüne, sich kaum vom Gras abhebende Jacke, Hosen in derselben Farbe und schwere Schuhe mit abgelaufenen Sohlen. Seine Kleidung zeigte Spuren von eingetrocknetem Dreck, als sei der Mann durch den Sumpf gekrochen. Langsam richtete er den Blick auf mich. In den braunen Schlitzaugen spiegelte sich leichte Neugier wider. Danach starrte er wieder hoch in den Himmel.

Mich irritierte das dermaßen, dass ich selbst den Kopf in den Nacken legte.

Da gab es nichts, nur eine einzelne Wolke.

»Was ist denn mit dir?«, fragte ich, ihn in meiner Verblüffung duzend. Zu spät dachte ich daran, dass er mich ja nicht verstehen würde.

Und noch später wurde mir klar, dass ich weder Russisch noch Englisch, ja, nicht mal die Sprache der Geometer sprach.

»Ich liege hier«, antwortete der Mann leise.

Damit hatte ich Kontakt hergestellt!

Ich hockte mich hin, den Blick unverwandt auf den Unbekannten gerichtet. In meinem Kopf ballte sich eine gewaltige Dummheit zusammen, die ich natürlich auch noch aussprechen musste. »Schon lange?«

»Seit heute Morgen.«

Das Seltsamste war natürlich, dass ich ihn verstand. Kurz schoss mir der Gedanke durch den Kopf, Karel habe auch diesmal seine Finger im Spiel gehabt.

Aber warum sollte ich mich auf ihn beschränken? Hinter mir lag das Tor, das mich von einer Welt in eine andere gebracht und mir beigebracht hatte, es jederzeit wiederzufinden. Auf eine Veränderung in meiner Psyche mehr oder weniger kam es da ja wohl nicht mehr an.

Jetzt brauchte ich Rat wie nie zuvor. Aber der Cualcua, der Einzige, mit dem ich reden konnte, schwieg.

Der Mann stemmte sich auf die Ellbogen hoch und betrachtete mich etwas aufmerksamer. »Wie heißt du?«

»Pjotr.«

»Ich kenne dich nicht.«

Er sagte das ohne Interesse oder Misstrauen, teilte es mir lediglich mit. Als ob er mich kennen müsste und das unbekannte Gesicht ihn irritierte, wenn auch nicht übermäßig, sondern nur leicht.

»Ich bin zum ersten Mal hier.«

»Klar.« Er streckte sich wieder im Gras aus. Nach kurzem Zögern folgte ich seinem Beispiel. Hundert Fragen wirbelten mir durch den Kopf, die ich auf der Stelle loswerden musste. Aber jemanden auszuquetschen, heißt ja längst nicht, auch Informationen zu bekommen. Häufig genug ist das Gegenteil der Fall, und man gibt sie preis.

»Gefällt es dir hier?«

Jetzt schwang in seiner Stimme Neugier mit.

»Weiß ich noch nicht«, antwortete ich vage.

»Mir gefällt es. Schnee.«

»Was?«

Die einzige Wolke am Himmel versprach nun weiß Gott keinen Schnee.

»So heiße ich. Schnee. Ein bescheuerter Name, oder?«

»Ah … nö … wieso denn …?«

»Eltern, die ihren Kindern sprechende Namen geben, gehören vor Gericht und wegen Rowdytum angeklagt«, erklärte der Mann voller Abscheu. »Sie behaupten, dass, als ich geboren wurde, die ganze Erde mit dem ersten Schnee bedeckt war. Und das hat sehr schön ausgesehen.« Er verstummte kurz, um dann nachdenklich hinzuzufügen: »Nur gut, dass an diesem Tag nicht die Kanalisation geplatzt ist …«

Ich lachte. Nicht wegen seines Witzes, den er garantiert schon tausend Mal gebracht hatte. Nein, auf diese Weise entlud sich meine Anspannung.

Die Bewohner des Schattens waren uns Menschen von der Erde weitaus näher als die Geometer.

»Hat dein Name was zu bedeuten?«

»Nein.«

»Glückspilz. Hast du was zu futtern?«

»Ja.«

Der Mann katapultierte sich mit überraschender Energie hoch. »Warum hast du das nicht gleich gesagt? Dann rück mal raus damit!«

Ich zog die beiden Dosen aus meinen Taschen. Ich hatte keine Lust, etwas zu essen, schon gar nicht das Essen der Geometer. Die Begeisterung, mit der Schnee sich auf das Essen stürzte, ließ mich allerdings stutzen.

»Gibt es hier denn nichts zu essen?«

»Im Dschungel?« Der Mann blickte zu dem wuchernden Grün hinüber. »Doch. Aber das ist alles verseucht. Wenn du sterben willst, dann bedien dich … Aber sag mal, was für einen Rotz hast du hier eigentlich angeschleppt?«

»Das ist Universalnahrung«, knurrte ich. »Da ist alles Notwendige drin: Eiweiße, Fette, Kohlenhydrate, Spurenelemente. Und Wasser. Und Zellulose, damit der Magen voll ist.«

»Klar, da war für Geschmackstoffe einfach kein Platz mehr.« Trotz der Kritik aß der Mann mit erstaunlichem Appetit und kratzte die Dosen sogar mit den Fingern aus. »Trotzdem danke. Du denkst offenbar mit.« Er schlug mir auf die Schulter. »Da wirst du es noch weit bringen! Wenn du nicht in den Sümpfen verreckst.«

Schnee war das ganze Gegenteil der Geometer. Mal faul, dann – sobald es ums Essen ging – wieder voller Energie. Nach einem satten Schnaufen ließ er jede Menge langweiliger Witze vom Stapel. Mit irgendwelchen höheren Zielen schien er sich nicht zu belasten. In einer Gefühlsaufwallung brachte er es fertig, sein Gegenüber einfach zu umarmen. Ich sah ihn an, und mein Eindruck, jemand versuche mich für dumm zu verkaufen, verfestigte sich von Minute zu Minute.

Beobachtete man mich vielleicht tatsächlich? Und starrten irgendwo, Hunderte von Kilometern, ja, womöglich gar Hunderte von Lichtjahren entfernt, Danilow, Mascha und Karel ebenfalls in die Gesichter irgendwelcher verschwatzter und gutmütiger Unbekannter?

»Siehst du die Lichtung da?«, fragte Schnee. Zur Veranschaulichung seiner Worte schleuderte er die leere Dose in den Sumpf.