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»Außer mir hatte er keine Freunde«, antwortete Schnee.

Mein Wunsch, dem Thema auf den Grund zu gehen, löste sich in Luft auf. Wenn Schnee Laids bester Freund war, dann konnte einem der Tote im Nachhinein noch leidtun.

»Brauchst du Hilfe?«, erkundigte sich Schnee lächelnd.

»Nein, danke, ich komme schon zurecht.«

»Dann mach’s dir gemütlich. Frische Bettwäsche müsste im Schrank sein. Vielleicht passt dir von den Sachen was, ihr habt fast die gleiche Figur. Schlimmstenfalls lässt du sie ändern!«

Offenbar machte er mir das Angebot in vollem Ernst. Kriegten die Soldaten hier denn keine Uniform – wie in jeder noch so erbärmlichen russischen Garnison?

»Ich schau in einem Stündchen wieder vorbei. Dann gehen wir was essen.«

»Gut.«

Schnee verließ das Zimmer. Ich stand da und schaute auf die geschlossene Tür. »Ich darf wohl davon ausgehen, angemustert zu sein«, sagte ich halblaut.

Womit sie wohl kämpften? Worum es sich bei diesen Deltas wohl handelte? Um Flugzeuge, Hubschrauber, Raumschiffe, Bodeneffektfahrzeuge? Um Papier-Ufos?

Was sollte das nun schon wieder? Welche Rolle spielte es schon? Schließlich hatte ich ja wohl nicht die Absicht, gegen kleine grüne Männchen zu kämpfen, die von der Idee besessen waren, eins mit der Natur zu werden, oder?

Ich schüttelte den Kopf und verscheuchte das Phantasiebild. Dann inspizierte ich das Zimmer, schaute aus dem Fenster mit dem ach so malerischen Blick auf die Kasernen, die Startbahnen und den Platz. Das Schiff, mit dem wir gekommen waren, stand schon nicht mehr dort. Alles war leer und ruhig, der Wind trieb den Staub vor sich her. Eigentlich machte das Ganze sogar einen ziemlich sauberen und grünen Eindruck. Die Ökos von uns auf der Erde hätten hier beim besten Willen nichts gefunden, woran sie hätten herumkritteln können … Was gab es noch im Zimmer? Hinter einer unscheinbaren Tür entdeckte ich die Duschkabine. Auf einem Schlauch saß eine Brause, der Hahn war ganz normal. Das Waschbecken hatte dagegen keine Hähne, nur eine Öffnung unterm Rand. Anscheinend musste man die Hände auf die deutsche Art waschen, im gefüllten Waschbecken. Ich hasse das.

Auf einem Regal unterm Spiegel stand eine Flasche. Ich öffnete sie und schnupperte an der hellgrünen Flüssigkeit. Eine Art Shampoo. Ein Stück Seife fand ich auch. Ein Rasierer wäre jetzt noch schön, denn ich war inzwischen ziemlich zugewachsen. Das letzte Mal hatte ich mich noch auf dem Raumkreuzer der Alari rasiert, vor tausend Jahren … Nun erinnerte ich eher an einen kaukasischen Freischärler auf alten Propagandaplakaten.

Gut, wenigstens duschen konnte ich mich. Ich machte die Tür zu und zog mich aus. Als ich mir mit der Hand über die Wange fuhr, spürte ich den Dreitagebart. Was hätte es den Cualcua schon gekostet, die Barthaare zu beseitigen, als er mir mein eigentliches Äußeres zurückgab? Oder hatte er, während ich im Körper von Rimer steckte, akribisch berechnet, wie stark der Bart gewachsen sein musste?

Stören dich die Haare im Gesicht?

Cualcua!

Ich freute mich nicht einfach – ich wäre vor Freude beinahe in die Luft gesprungen. Ein Hilfsangebot, noch dazu bei einer winzigen, nicht lebenswichtigen Sache, stellte ein Novum im Verhalten meines Symbionten dar.

Ja. Kannst du den Bart entfernen?

Den Schnauzer und den Bart?

Ja.

Ich wollte es lieber nicht riskieren, auf seine Barbierfähigkeiten zu vertrauen. Sollte er mich ruhig glattrasieren.

Du kannst die Härchen jetzt abschütteln.

Ich fuhr mir mit der Hand übers Gesicht. Kleine Härchen rieselten zu Boden, genau wie nach einer Trockenrasur.

Sammel sie auf! Leg die Hand darauf! Ich brauche das Elastin, bat der Cualcua.

Nach kurzem Zögern klaubte ich ein Häufchen meines Barts zusammen und legte die Hand darauf. Sollte der Cualcua sich satt essen. Er war mein Partner. Und er hatte seine Bedürfnisse.

Ich hätte sie auch durch deinen Körper aufsaugen können, aber das hätte dir Schmerzen bereitet.

Komisch.

Sehr komisch.

Niemals – selbst dann nicht, als ich mit dem Tod konfrontiert war – hatte sich der Cualcua derart fürsorglich gezeigt. Entweder musste sich mein amöbenartiger Freund gebessert haben oder …

Was ist mit dir?

Er schwieg. Meine Hand zitterte, während der Symbiont aß. Wahrscheinlich saß der größte Teil seines Körpers gerade in meiner Hand.

Aber das dürfte ihn eigentlich nicht am Sprechen hindern!

»Sitze ich am Essenstisch bin ich stumm wie ein Fisch … He, mein Freund, für dich gelten diese Kinderregeln doch nicht!«, sagte ich laut.

Ich bin in Ordnung.

Du lügst.

Der Cualcua hüllte sich in Schweigen.

Der Traum jedes Schizophrenen ist es, mit sich selbst zu sprechen. Aber ich hatte nicht die Absicht, auf eine Antwort zu verzichten!

Ich habe Angst …

Die Stimme in meinem Bewusstsein war leise, kaum zu hören. Ein Flüstern nur.

Was?

Ich habe Angst!

Ich löste die Hand vom tadellos sauberen Boden, richtete mich auf und schaute in den Spiegel. Ob mich jemand auf der anderen Seite des Spiegels beobachtete? Quatsch. Das war nun mit Sicherheit völliger Quatsch.

Wovor hast du Angst, Cualcua?, fragte ich ihn so zärtlich, als spreche ich mit einem Kind. Du fürchtest dich doch nicht einmal vor dem Tod. Oder …

Meine Ahnung schien beängstigend wahrscheinlich!

Du hast die Verbindung zu deiner Rasse verloren? Du bist jetzt allein?

Was für ein Schock das für ihn gewesen sein musste! Er, ein Teil eines Ganzen, war plötzlich völlig von der Welt abgeschnitten!

Ich brauche dein Mitleid nicht. Du irrst dich sowieso. Wenn ein Teil autonom wird, dann kann er den Verstand nicht bewahren und stirbt. Und du stirbst dann ebenfalls.

Mein Mitleid wich sofort Panik und Hass. Dergleichen hielt der Cualcua für möglich? Und was, wenn er bei unserem Flug zum Kern die Verbindung zu seinem Ganzen verloren hätte? Hätte er, eine wahnsinnig gewordene Amöbe, meinen Körper dann von innen getötet?

Ja. Verzeih. Aber die Wahrscheinlichkeit für diese Wendung der Dinge ist eigentlich minimal. Das, was mich zu einem Ganzen verbindet, lässt sich nicht abschirmen.

Ich ertappte mich dabei, dass ich mir meine gekrümmten Finger in die Brust bohrte, bis es schmerzte. Ich musste diesen Klumpen fremden Fleischs finden, ertasten, zerreißen …

Beruhige dich!

»Was ist es denn? Wovor hast du Angst?«, schrie ich. »Los, sag’s mir! Ich habe das Recht, das zu erfahren!«

Das Tor.

Ich schwieg. Offenbar hatte er sich entschlossen, die Karten auf den Tisch zu legen. Mein Herz hämmerte wie wild.

Als wir durch das Tor gegangen sind … Das war ein Fehler.

Warum?

Ich …

Eine Pause. Dieses nahezu allmächtige Wesen würde doch wohl keine Schwierigkeiten haben, mir etwas zu erklären? Bei dem ungeheuren Wissen, das ihm zur Verfügung stand und von dem andere Rassen nicht einmal zu träumen wagen durften. Außerdem könnte er mich so geschickt anlügen, dass ich ihm niemals auf die Schliche kommen würde. Wir standen nämlich nicht einfach auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen – zwischen uns klaffte ein unvorstellbarer Abgrund.

Ich werde dich nicht anlügen. Ich lüge nie. Entweder schweige ich oder ich rede. Ich habe Schwierigkeiten mit der Wortwahl.