»Wenn ich nur selbst wüsste, was ich suche …«, flüsterte ich.
Galis nickte. »Das verstehe ich. Lass mich dir einen Rat geben, Pjotr … geh durchs Tor.«
Damit war der Vorschlag, den Planeten zu verlassen, auf dem Tisch.
»Das habe ich schon versucht.«
Galis rieb sich das Kinn. »Dann weiß ich auch nicht weiter. Dann habe ich mich geirrt. Gut. Vertrauen wir auf den Schatten.«
»Ja, vertrauen wir darauf«, erwiderte ich zögernd. Na! Nun sag schon noch irgendwas!
»Komm mit! Ich zeige dir deine Delta«, forderte mich Galis auf. »Solange du noch hier bist, wirst du die gleichen Aufgaben übernehmen wie die anderen Jungen. Vielleicht findest du dich dabei selbst …«
Diesen letzten Satz sprach er ohne jede Überzeugung aus.
»Gibt es viele Männer im Stützpunkt?«, wollte ich auf dem Weg zum Hangar wissen. Diese Leere kam mir allmählich merkwürdig vor.
»Im Moment ist hier niemand außer uns. Normalerweise sind dreihundertsechsundzwanzig Mann stationiert.«
Oho. Und ich hatte schon geglaubt, an diesem Krieg nehme nur ein Dutzend Fanatiker teil.
»Ohne dich«, fügte Galis nach einer kurzen Pause hinzu. »Vorerst zähle ich dich noch nicht mit, einverstanden?«
Das konnte er halten, wie er wollte. Ob er mich mitzählte oder nicht – so oder so war ich in dieser Welt ein Fremder.
Die Türen des Hangars glitten vor uns auseinander. Galis blieb kurz stehen. »Du bist nicht an das mentale Befehlssystem gewöhnt, oder?«, fragte er.
»Nein.«
»Gut. Der Code für den Einlass ist ›Alarm‹.«
»Ich werde es mir merken«, versprach ich, während ich gierig alles in dem spärlich beleuchteten Hangar in mich einsaugte. Der Raum war nicht sehr groß, das Gleiche galt für die hier untergebrachten Maschinen. Etwas kleiner als ein Zerstörer bei uns auf der Erde. Der Name Delta ging offenbar auf die dreieckige Form zurück. Wenn man wollte, hätte man kleine dicke Flügel ausmachen können. Eine verspiegelte Haube schloss das Cockpit ab. Die Deltas standen direkt auf dem flachen Bauch, Räder oder Stützen entdeckte ich keine.
»Soweit ich es verstanden habe, kennst du unsere Maschinen nicht«, bemerkte Galis.
»Absolut nicht.«
»Das hier ist deine.« Der Hauptmann trat an die am nächsten stehende Maschine heran und klopfte gegen die glatte Verkleidung. »Alle Maschinen hier drinnen sind neu. Das Cockpit öffnet sich auf das Wort … das Wort ›Gast‹.«
Ich unterdrückte ein Kichern.
Da Galis auf etwas wartete, sagte ich leise: »Gast …«
Die verspiegelte Haube schmolz, verwandelte sich in ein funkelndes, geschmeidiges Band, das nach unten kroch wie die Zunge eines metallenen Tiers.
»Steig ruhig ein«, schlug mir Galis in amüsiertem Ton vor.
Unsicher trat ich auf das glänzende Band und wollte schon hinaufklettern, doch das war nicht nötig. Das Band erzitterte unter mir und zog mich zum Cockpit hinauf. Ich verlor das Gleichgewicht und fiel in den breiten Sitz. Der rührte sich prompt unter mir und schloss sich um meinen Körper. Die »Treppe« hatte sich bereits wieder in die Haube zurückverwandelt. Von innen war sie perfekt durchsichtig.
»Und? Wie gefällt’s dir?«, wollte Galis von unten wissen.
»Höchst interessant«, brummte ich. Ob er mich überhaupt hörte?
Die Kabine war sehr klein, im Vergleich zu ihr war es in dem Scout der Geometer regelrecht geräumig gewesen. Es gab ein Pult – und zwei Trichter mit einer silbrigquecksilbrigen Flüssigkeit!
»Kommst du mit der Steuerung zurecht?«, erkundigte sich Galis. »Oder ist dir das System ebenfalls unbekannt?«
Ob er mir am Ende doch misstraute?
Mit einer entschlossen Bewegung versenkte ich die Hände in den Trichtern.
Ein pikender Schmerz. Ein kurzer Schwindelanfall. Ich spürte förmlich, wie die Delta mit meinem Bewusstsein verschmolz.
Du bist der Pilot?
Ja.
Wie intelligent war sie? Handelte es sich bei ihr um einen kastrierten Verstand wie bei den Schiffen der Geometer, eine vollständige Persönlichkeit oder nur um ein primitives Navigationssystem?
Wir sind eins.
Ja, bestätigte ich.
Es war, als stürze ich ab, als rolle eine Lawine von Tönen, Bildern und Eindrücken über mich hinweg. Nein, die Delta war nicht intelligent. Sie war nur ein Appendix des eigenen Körpers – aber was für einer!
Ich sah durch die Mauern des Hangars hindurch. Ich nahm die Bewegungen der Maschinen in den Straßen der Stadt wahr. Ich hörte Galis’ Atem und das Rascheln der Zweige an den Bäumen. Die Welt wurde riesig, doch sie stand mir offen, hatte sich mir unterworfen. Selbst im Schiff der Geometer hatte ich nicht ein solches Gefühl von Macht verspürt … Und gleichzeitig gab es etwas, das von mir abgeschnitten war, mir verschlossen blieb. Zum Beispiel die Sterne. Als ob die Delta nur mit halber Kraft lebte.
»Ich kann die Maschine nicht vollständig kontrollieren«, teilte ich mit. Die Worte kamen mir nicht über die Lippen, sondern aus dem Metallkörper des Schiffs. Sie dröhnten als erzürntes Gebrüll durch den Hangar. Galis machte ein schmerzverzerrtes Gesicht.
»Du sollst dir nur über ihre Kraft klar werden, Pjotr. Ja, ein Teil der Funktionen ist blockiert. Ich vertraue dir nicht vorbehaltlos. Aber für einen militärischen Patrouilleflug reicht es.«
Ich achtete nicht auf seine Worte. Ich wollte die mir zur Verfügung stehende Kraft ausprobieren. Mich bewegen … fliegen … den Himmel mit einem harten Schlag durchbohren, Berge einreißen, Wasser verbrennen …
»Das ist genug. Fürs Erste ist es genug. Steig aus.«
Ich wollte widersprechen. Nicht mit Worten, sondern mit Taten. Ich wollte durch die dünne Decke schießen, mich an den unterworfenen Naturgewalten ergötzen …
In letzter Sekunde kam ich wieder zu mir. Anscheinend hatte Galis damit gerechnet, dass ich einfach losfliegen würde. Mit Bedauern, fast mit körperlichem Schmerz kappte ich das Band zu der für mich allzu starken Delta. Die Welt schrumpfte mit einem lautlosen Schrei auf den winzigen Punkt des Cockpits zusammen. Ein Krampf schüttelte mich, der Sitz, der mich in einem festen Kokon umspannt hielt, gab mich langsam wieder frei.
»Steig aus!«, wiederholte Galis.
Die Kabine öffnete sich widerwillig. Ich erhob mich und fing voller Genugtuung Galis’ Blick auf, den ich so in seinen Erwartungen enttäuscht hatte. Über die elastische Zunge der Gangway kletterte ich nach unten.
»Eine gute Maschine, Hauptmann. Danke.«
Galis hüllte sich in Schweigen.
»Stimmt etwas nicht?«
»Ich war mir sicher, dass du dich nicht würdest beherrschen können«, erwiderte der Hauptmann mit größter Ruhe.
»Warum das?«
»Sie steht schon zu lange. Ein halbes Jahr im Hangar, ohne Flüge, ohne Piloten. Die Delta ist für den Kampf gemacht und übt entsprechenden Druck auf ihren Piloten aus.«
»Aber warum musste ich dann da rein?«, fragte ich leise.
»Wenn du losgeflogen wärst, dann … hätte ich sie aufgehalten.« Galis blickte mir in die Augen. »Wir brauchen keine Piloten, die nicht in der Lage sind, die ihnen anvertraute Waffe unter Kontrolle zu halten.«
»Wie hochanständig von dir.«
Ich bemerkte nicht einmal, dass ich anfing, mit dem Hauptmann im gleichen Ton zu reden wie Schnee.
»Einer muss ja anständig sein«, parierte Galis. »In Ordnung. Ich freue mich, dass du mit der Maschine zurechtgekommen bist. Jetzt schreib dir Folgendes hinter die Ohren: Das ist deine Maschine. Du bist mein Pilot. Ich bin dein König und dein Gott. Bei einem Alarm nimmst du innerhalb von zwei Minuten deinen Platz ein. Du sitzt im Cockpit und wartest. Du erhältst einen Auftrag und führst ihn aus. Ich würde dir nicht empfehlen, über den Befehl hinaus auf eigene Faust zu handeln, noch weniger, ihn nicht zu erfüllen. Einen Verstoß gegen meinen Befehl kann ich verzeihen. Ich kann es aber auch sein lassen. Du kannst nie wissen, was für Konsequenzen eine Verfehlung nach sich zieht.«