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»Kelos müssen wir unterwegs noch in seiner Welt absetzen.«

»Gut. Wir nehmen den Tunnel, durch den wir auch hergekommen sind.« Mascha nickte. »Ich bin gleich wieder da.«

Sie eilte davon, hinein in die Dunkelheit.

»Wohin willst du denn?«

»Ich hole die MPi, du Dussel. Ist dir etwa nicht aufgefallen, dass diese Fünf bewaffnet waren?«

»Nein.«

»Ich hab’s aber gesehen.«

Ich blieb allein zurück, und sofort durchrieselte mich ein kalter Schauder. Mein Gott, worauf ließen wir uns hier ein? Der verrückte Kelos, der sich über Jahrhunderte daran gewöhnt hatte, Probleme mit Gewalt zu lösen … Mascha mit ihrer pathologischen Kampfeslust … und ich. Immerhin konnte ich für mich keine sonderliche Waffenliebe geltend machen.

Wir befanden uns in einer Welt des Schattens. In seiner allerersten Welt. In der sich obendrein zwei Gruppen trafen: diejenigen, welche die Tore erschaffen hatten und inzwischen auf eine andere, völlig unvorstellbare Entwicklungsstufe aufgestiegen waren, und die Vertreter der Handelsliga, die uns näher waren, dafür jedoch eine fürchterliche Macht repräsentierten. Man würde uns auslöschen, noch bevor wir unser Ziel erreicht hatten. Oder bei dem Versuch, den Samen zu klauen. Vielleicht würde man uns auch die Wiedergeburt verweigern … oder uns in irgendeinem Nest auferstehen lassen … Vorwärts zur Verwirklichung der Gesetze des Karma!

»Pjotr …« Kelos war lautlos an mich herangetreten. »Wo ist Mascha?«

»Hier.« Sie tauchte fast genauso lautlos auf. Ihre Hand hielt die Maschinenpistole fest gepackt.

»Verstehe.« Kelos sah sie billigend an. »Mir nach.«

Das ist dumm!, schrie es in mir auf. Trotzdem folgte ich Kelos. Er und Mascha berieten sich mit raschen Worten.

»Pjotr! Mascha!«

Mein Großvater. Er spürte, dass etwas im Busch war.

»Schneller!«, verlangte Kelos. In der Dunkelheit zeichnete sich die Silhouette eines Flyers ab, genauso einer wie der, mit dem wir zur Station der Liga gekommen waren. »Steigt ein!«

Ich tauchte in die verdichtete Dunkelheit ein, schwebte in dem elastischen Raum. Mascha stieg ein, zuckte zunächst irritiert zusammen und versuchte dann, eine bequeme Position zu finden. In einer solchen Maschine war sie noch nie geflogen.

»Wir haben es nicht weit«, sagte Kelos, der zwischen uns Platz nahm. »Ich denke, wir sind wieder da, noch bevor eure Freunde sich überhaupt Sorgen machen können.«

Sobald wir in dem transparenten Flyer saßen, wurde es um uns herum rapide heller. Was für eine kunstvolle Bildbearbeitung. Tief im Dunkel machte ich die blendende Blume des Lagerfeuers und die an ihm erstarrten Schatten von Danilow und meinem Großvater aus, die hilflos in die Nacht spähten.

»Jetzt nur nicht den Schwanz einziehen«, brummelte Mascha. Die MPi hielt sie zwischen die Knie gepresst, gerade strich sie sich rasch übers Haar. Etwas Unpassenderes hatte ich noch nie gesehen. »Fliegt dieses Aquarium schnell?«

»Keine Sorge, Fischlein, das tut es«, antwortete Kelos grinsend.

Der Flyer stieg in die Luft. Im Nu an Höhe gewinnend, drehte er nach Westen ab. Ja … bei uns war schon tiefe Nacht … Aber dort, wo sich die fünf schwarzhäutigen Aliens aufhielten, war es noch hell … von wegen: nicht weit …

»Sag mal, Kelos, die mit dem Samen … die sind doch schon durchs Tor gegangen, oder? Werden sie wiederbelebt – wenn sie sterben?«

»Ich weiß es nicht.«

»Eine gute Antwort«, bemerkte Mascha. »Also, mein Spielzeug tötet nicht. Überlasst alles mir.«

»Ich fürchte, ihre Spielzeuge sind etwas tödlicher«, entgegnete Kelos. »Wir werden uns der Situation anpassen.«

»Ob wir sie vielleicht einfach bitten sollen, uns den Samen zu geben?«, fragte Mascha. Doch ohne die Antwort abzuwarten, seufzte sie: »Schon gut.«

Der Flyer bewegte sich durch die Nacht. Die blauen Schatten, die durch die Risse in der Wolkendecke leuchtende Sternenfülle, die Lichter am Boden – diese Welt war im Grunde recht dicht besiedelt, sie gab ihre Ödnis nur vor.

»Wenn du wegen dieser Geschichte Ärger kriegst … komm einfach zur Erde«, sagte Mascha ernst. »Wir vergessen nicht, wer etwas Gutes für uns getan hat.«

Sie sprach in einem derart selbstsicheren Ton, als bekleide sie mindestens das Amt des amerikanischen Präsidenten.

Kelos hüllte sich in Schweigen.

»Außerdem sind die am Ende selbst schuld«, fuhr Mascha fort. »Ich meine, die Liga. Bei ihren Möglichkeiten wäre es doch eine Kleinigkeit für sie gewesen, der Erde zu helfen. Sie haben uns ja direkt zu diesem Schritt gezwungen!«

»Jede Welt betritt den Schatten auf ihre eigene Weise …«, bemerkte Kelos leise. »Die eine durch Liebdienerei und inständiges Bitten. Die andere durch Arbeit und Plackerei. Wieder eine andere … durch Raub oder Diebstahl. Insofern müssen wir uns keine Gedanken machen.«

Mascha erwiderte kein Wort. Und falls sie etwas sagen wollte, um ihre Nerven zu beruhigen, unterdrückte sie diesen Wunsch.

»Wir landen in ihrer Nähe«, erklärte Kelos. »Wir müssen rasch handeln, ohne zu zögern. Pjotr, bist du bereit?«

»Ja.«

Danach sagte niemand mehr ein Wort. Der Flyer flog dahin, die bläuliche Finsternis löste sich auf, wich einer normalen Dämmerung. Die schwarzen Felsen erstreckten sich unter uns.

»Genau wie in meiner Jugend«, sagte Kelos. Er stand auf – und eine Welle wogte förmlich über seinen Körper hinweg. Seine Haut leuchtete stahlgrau auf, seine Augen schienen zu versteinern, die Handflächen wurden breiter, wie bei einer aufblasbaren Gummipuppe.

»Bist du ein Roboter?«, schrie Mascha.

»Ein Cyborg«, antwortete Kelos kalt. »Ein Cyborg, der versucht, ein Mensch zu sein.«

Der Flyer ruckte und ging tiefer. Die Beschleunigung spürten wir nicht, das Kraftfeld absorbierte sie völlig. Nur die Felsen kamen rasant näher.

»Viel Glück«, sagte Mascha plötzlich. Sie streckte sich aus und wollte Kelos berühren. Aber die Kabine schmolz bereits, und etwas drückte uns nach oben.

Eine ausgesprochen interessante Methode der Landung …

Einen Moment lang meinte ich, ich könnte meinen Körper nicht mehr kontrollieren und würde mit dem Kopf gegen den Felsen prallen. Es wäre ein bemerkenswertes Ende für dieses Abenteuer gewesen.

Aber das Kraftfeld, das uns nach draußen geschleudert hatte, setzte seine Arbeit noch fort. Es wirbelte mich herum, bremste mich und stellte mich auf dem Felsen ab, ganz akkurat, mit dem Gesicht zu den fünf Fremden.

Es muss höchst beeindruckend ausgesehen haben …

Wir standen uns auf einem schmalen Gebirgspfad gegenüber. Auf der einen Seite ragte eine Steilwand auf, auf der anderen klaffte ein fast senkrechter Abgrund. Der Flyer versperrte den Pfad von hinten. Die fünf reglosen Aliens befanden sich dicht vor uns.

Nein, ihre Haut war nicht schwarz, sondern dunkelblau. Funkelnd, als sei sie lackiert. Die Facettenaugen, groß wie Untertassen, rührten sich nicht, sondern blickten starr vor Entsetzen. Ihre Extremitäten schienen ein Gelenk zu viel aufzuweisen.

Waren das überhaupt Menschen?

Ich war ihnen am nächsten. Von demjenigen, der mit dem Samen in der Hand voranschritt, trennte mich nur ein guter Meter. Die kleine Feuerkugel loderte wie ein vom Himmelsrand gefallener Stern. Was für ein kaltes, blendendes Feuer!

»Gib her!«, sagte ich und streckte die Hand aus. Natürlich war es dumm, auf einen Kompromiss zu hoffen. Trotzdem musste ich das sagen. »Gib her! Wir brauchen es dringender.«

Der schmale, zahnlose Mund öffnete sich. Wir sprachen jetzt dieselbe Sprache, dieses Geschenk verweigerte der Schatten niemandem.

»Nein.«

Ich nahm den Geruch wahr. Einen flüchtigen, säuerlichen Geruch. Mir war völlig unklar, wie diese beinahe chitinartige Haut überhaupt Schweiß absondern konnte. Aber es war der Geruch der Angst.