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Falk sah sich nach dem Wolf um. „Thor ... hm?“ Er dachte darüber nach. „Ja, Thor ist ein guter Name. Passt irgendwie zu dem Burschen. Ich kannte mal einen, der Thor hieß, ein riesiger muskulöser Kerl, groß wie ein Ork und mit Schultern, breit wie ein Kleiderschrank. Und genau das war sein Problem, denn Thors Libido war mindestens ebenso stark ausgeprägt wie seine Muskeln, was ihm den Zuspruch des Weibsvolks von ganz Pagania einbrachte. Die Frauen holten sich Thor reihum ins Bett, um zu sehen, ob er auch ansonsten mit körperlichen Vorzügen gesegnet war.“ Er machte eine Pause und schüttelte den Kopf, ehe er fortfuhr: „Nun, ob er nun so gut bestückt war, wie sich die Weiber erhofften, kann ich weder bestätigen noch verneinen. Sicher aber ist, dass er nach einem seiner Schäferstündchen von einem eifersüchtigen Ehemann zum Duell gefordert und im ersten Antritt erschossen wurde. Der gehörnte Ehemann war ihnen auf die Schliche gekommen, als er eines Tages früher als erwartet nach Hause kam und der riesige Thor sich nirgendwo verstecken konnte, da der Kleiderschrank im Schlafgemach zu klein für ihn war.“ Falk giggelte fröhlich. Als er Zara grinsend ansah und die Vampirin ihn nur verständnislos anstarrte, fiel sein Grinsen in sich zusammen. Er räusperte sich. „Thor“, sagte er wieder. „Guter Name ...“ Er wandte sich an Jael und wechselte abrupt das Thema: „Was ist an diesem Sakkara-Kult eigentlich so schlimm gewesen, dass sich alle vor ihm fürchteten? Ich meine, es hat im Laufe der Jahrhunderte immer wieder irgendwelche verrückten Zauberer gegeben, die versucht haben, die Krone an sich zu reißen.“

Jael nickte. „In Ancaria hat es tatsächlich schon viele magische Kreise, Hexenzirkel, Sekten und Kulte gegeben, die mit Hilfe dunkler Magie Macht erlangen wollten“, bestätigte sie. „All diese Gruppen strebten in irgendeiner Weise danach, die Herrschaft über Ancaria zu erlangen, doch im Gegensatz zu allen anderen wäre dies dem Sakkara-Kult seinerzeit um ein Haar sogar gelungen.“

„Was genau ist passiert?“, fragte Falk.

Jael wiegte den Kopf. „Nun, Einzelheiten des Falls wurden nie öffentlich gemacht und alle Beteiligten von König Aarnum I. selbst zu absolutem Stillschweigen verpflichtet. Doch wenn man so lange lebt wie ich und so viel herumkommt, hört man einiges, und nach allem, was ich weiß, war Iliam Zak einst ein getreuer Diener der Krone, bis er die Magie für sich entdeckte und sich von einem Tag auf den anderen gänzlich aus dem Hofleben zurückzog, um fortan das Leben eines Eremiten und Einsiedlers zu führen – zumindest schien es nach außen hin so. Im Verborgenen allerdings betrieb Iliam Zak wie besessen schwarzmagische Studien, und je mehr Wissen er sich aneignete, desto größer wurde seine Macht. Gerüchte besagen, er habe sogar einen Pakt mit der Hölle selbst geschlossen. Unterstützt von den dämonischen Kräften des Orkus, die seit jeher danach trachten, die Welt zu unterjochen, ging Iliam Zak später daran, ein Heer von Jüngern um sich zu scharen, da ihm klar wurde, dass er allein trotz all seiner Fähigkeiten nicht im Stande sein würde, den König um seine Krone zu bringen und selbst den Thron zu besteigen. Also versprach er allen, die sich ihm anschlossen, große Macht und Ländereien – ein Leben in Saus und Braus, dem selbst der Tod kein Ende setzen würde. Bald saßen seine Handlanger überall, sogar bei Hofe wimmelte es vor Sakkara-Jüngern, die im Stillen alles taten, um den großen Traum ihres Meisters Wirklichkeit werden zu lassen. Es ist nicht bekannt, wie genau Iliam Zak es anstellte, so viele seiner Anhänger in hochrangige Ämter zu hieven – ob mit Magie oder durch Erpressung und Bestechung –, doch nach einer Weile tanzte selbst der Vizekönig nach Iliam Zaks Pfeife. Er manipulierte die Menschen, blendete sie mit seinem Zauber und versprach ihnen, ihre geheimsten Wünsche zu erfüllen.“

Sie verstummte für einen Moment, um sich umzuschauen und ihr Pferd auf sicherem Pfad zu halten, während sie weiter durch den Sumpf ritten. Dann fuhr sie fort: „Doch Iliam Zak war ein kluger Mann. Er wusste, dass es ihm nichts nützen würde, den König einfach mit einem Aufstand aus dem Weg zu räumen. Egal, wie viele Anhänger der Sakkara-Kult im Reich auch haben mochte, das Gro der Menschen stand gegen sie, darunter die ancarianische Armee, die dem König seit jeher treu ergeben war. Iliam Zak war klar, dass die freien Völker niemals einen König anerkennen würden, der den Thron durch Tücke, List und vielleicht sogar Königsmord erworben hatte. Also ersann er einen perfiden Plan, um den König zu stürzen und sozusagen durch die Hintertür die Herrschaft zu ergreifen: Er zog den Bruder des Königs, Theodred, den Thronnachfolger, auf seine Seite und fädelte alles so ein, dass der Tod des Königs wie ein Unfall aussehen würde. Dann wäre Theodred König geworden, und Iliam Zak hätte im Hintergrund die Strippen ziehen können, bis der rechtmäßige König ihn zu seinem Nachfolger erklärte.“

Sie lachte leise. „Nicht, dass das vor ihm nicht schon viele andere versucht hätten, die über keine magischen Kräfte verfügten ... Doch Iliam Zak wusste seine Zauberkräfte geschickt einzusetzen, ohne dass er selbst jemals in Erscheinung trat, und am Ende zog sich die Schlinge um den Hals von König Aarnum I. immer enger zusammen. Angeblich stand bereits fest, wie er ums Leben kommen sollte – Iliam Zak wollte mit Hilfe eines Rituals dafür sorgen, dass sich in seinem Herzen so viel Druck aufbaute, dass es ihm in der Brust platzte, und all das im Tempel bei einer wichtigen Zeremonie, während sein angeblich schockierter Bruder neben ihm stand und vor den Augen der versammelten Bürger und Priesterschaft noch versuchte, dem Sterbenden das Leben zu retten. Und schon stünde die ganze Bevölkerung hinter ihrem neuen, aufopferungsvollen rechtmäßigen König, und Iliam Zak musste nur noch warten, bis Theodred lange genug auf dem Thron saß, dass es kein Aufsehen erregte, wenn er abdankte und stattdessen Zak zum König krönte. Es war ein perfekter Plan – eigentlich.“ Sie schüttelte fast unmerklich den Kopf, als könne sie die Kaltschnäuzigkeit dieses Vorhabens immer noch nicht fassen.

„Aber dazu kam es nie“, mutmaßte Falk.

„Nein“, bestätigte Jael. „Nur wenige Stunden vor der Tempelzeremonie bekam der König Wind von dem Plan; einer von Zaks Anhängern hatte sich wohl in weinseliger Laune bei einer Straßendirne verplappert, die sich vielleicht durch diesen Tipp Ansehen und Wohlstand erhoffte, und als die Verschwörer im Tempel auftauchten, um dem Schauspiel beizuwohnen, wurden sie schon von der königlichen Garde erwartet, die alle gefangen nahm. Man sandte auch Soldaten aus, um Iliam Zak zu verhaften, doch als sie bei seinem Haus ankamen, war er fort; allem Anschein nach hatte der Zauberer irgendwie davon erfahren, dass man ihm auf die Schliche gekommen war, und hatte sich umgehend aus dem Staub gemacht. Fortan war er auf der Flucht, während der König alle Verschwörer auf dem Scheiterhaufen verbrennen ließ und die Magiegesetze aus der Taufe hob, um zu verhindern, dass so etwas noch einmal geschah – und er dann vielleicht das Nachsehen hatte.“

„Also hat er die Gesetze aus reinem Egoismus erlassen“, stellte Falk fest. „All diese Zauberkundigen mussten den Flammentod sterben oder wurden über Jahre verfolgt und ins Exil verbannt, um zu verhindern, dass ihm jemand die Krone streitig machte.“

Er nahm an, dass ihm die Seraphim als treue Dienerin der Krone widersprechen würde, doch zu seiner Überraschung nickte Jael ernst.

Er schaute Zara an und sagte: „Du hast unter Aarnum I. als Ritterin gedient. Du bist mit seiner Armee in die Schlacht gezogen gegen die Burg Mhurag-Nar, wo du zum Blutsau... äh, zur Vampirin wurdest. Was sagst du dazu?“

Zara zuckte mit den Achseln. „Ich war Aarnum I. damals treu ergeben, und er rettete das Reich vor den Dunkelelfen. Sein ,Königliches Edikt wider die Nekromantie und Zauberei‘ wurde ausgerufen, nachdem ich zur Vampirin wurde – zum Blutsauger, wie du gerade sagen wolltest –, und ich erlebte mit, wie unbarmherzig und grausam Zauberkundige und solche, die man dafür hielt, verfolgt wurden. Doch sicherlich tat es Aarnum in dem Glauben, nur auf diese Weise das Reich und sein Volk schützen zu können.“ Sie schwieg einen kurzen Moment, bevor sie leise hinzufügte: „Erst unter Aarnums Erstgeborenem Morgast wurde die Verfolgung von Magiern und angeblichen Hexen richtig schlimm ...“