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Ob den beiden Frauen dabei mehr Glück beschieden war als ihm selbst, vermochte Falk nicht zu sagen. Von seiner Position aus konnte er ihre Gesichter nicht sehen, doch außer seinem eigenen ruhigen Atem und dem leisen Prasseln des Lagerfeuers war so gut wie kein Laut zu hören. Und was machte er sich Sorgen darüber, ob Zara oder Jael in dieser Nacht Schlaf finden würden? Sie besaßen Kräfte, die ihnen – direkt oder indirekt – von den Göttern selbst gegeben worden waren. Er aber war bloß ein normaler Mensch, dem nach einem Tag im Sattel der Hintern schmerzte wie nach einer gewaltigen Tracht Prügel.

Unter der Decke hielt er Elas Halstuch gegen Mund und Nase gepresst, um den Geruch nach Zedern und Rosenseife, der dem Stoff anhaftete, mit jedem Atemzug in sich aufzunehmen. Er fragte sich, ob Ela schon schlief. Oder lag sie vielleicht wach in ihrem Bett, starrte zur Zimmerdecke empor und dachte genauso sehnsüchtig an ihn wie er an sie? Falk hoffte es. Es war eine schöne Vorstellung, und manchmal reichte das aus, um einem Mann die Kraft zu geben, weiterzumachen.

Wie lange würde es wohl noch dauern, bis sie Burg Sternental erreichten? Ehe sie aufgebrochen waren, hatte Zara gesagt, dass es eine Sieben-Tages-Reise wäre, doch Falk kam es vor, als seien sie schon seit einer Ewigkeit unterwegs, und ein Ende schien nicht in Sicht. Er konnte nur hoffen, dass sie ihr Ziel bald erreichten, sonst wäre er durch das ewige Auf und Ab im harten Ledersattel am Ende so wundgeritten, dass er erst mal einige Tage auf dem Bauch würde verbringen müssen ...

Aus irgendeinem Grund ließ dieser Gedanke Falk schmunzeln. Vielleicht erheiterte ihn aber auch eher die Vorstellung, wie Ela ihm dreimal am Tag seinen nackten Hintern mit lindernder Salbe einrieb. Ach, Ela! Nachts, wenn er wie jetzt auf dem Boden lag, einsam und frierend in seinen Decken, vermisste er sie doch sehr – ihre warme weiche Haut, wenn sie sich an ihn drückte, und den Duft ihres Haars ... ihre sanften Berührungen wie in jener einen Nacht in Moorbruch, die sie gemeinsam auf dem Heuboden im Stall neben der Taverne Zum Güldenen Tropfen verbracht hatten, weil Ela sich geniert hatte, Falk mit nach Hause zu nehmen, obwohl Jahn und Wanja gewiss nichts dagegen gehabt hätten. Aber so war Ela nun mal, schüchtern bis über die Ohren. Und genau das war einer der Gründe, warum er sie so mochte.

„O Ela“, murmelte Falk verträumt, „ich wünschte, du wärst hier...“

Plötzlich runzelte er die Stirn.

Hatte er da nicht gerade etwas gehört?

Er schob die Decke ein Stückchen von seinem Gesicht und lauschte in die frostige Dunkelheit, doch die Nacht war vollkommen still – so unnatürlich still, dass es schon unheimlich war. Man hörte weder das Rufen von Nachtvögeln noch das Rascheln nächtlicher Beutejäger im Unterholz oder das leise Flattern von Fledermäusen.

Alles, was an Falks angestrengt gespitzte Ohren drang, war das leise Jammern des Windes, der über den Felsüberhang strich, und das Rascheln der Sträucher, wenn der Wind durchs Dickicht fuhr und die Zweige der Büsche gegeneinander rieben. Sonst nichts.

Falk horchte noch einen Augenblick erfolglos in die Finsternis, dann schalt er sich selbst einen Narren. Er sollte wirklich zusehen, dass er eine Mütze voll Schlaf bekam, wenn er schon so erschöpft war, dass er sich irgendwelche ominösen Geräusche einbildete ...

Mit einem missmutigen Brummeln, weil er so unsanft aus seinen Gedanken an Ela gerissen worden war, zog er sich die Decke wieder übers Gesicht und versuchte, Schlaf zu finden.

Er hatte die Augen kaum geschlossen, als das Geräusch erneut erklang, und diesmal war es gewiss keine Einbildung. Da war ein Geräusch: ein leises hohes Summen oder Pfeifen, das man im ersten Moment für das Wispern des Windes halten konnte, nur dass es dafür zu gleichmäßig klang – und zu lebendig. Und da war noch etwas anderes, ein vager, irgendwie huschender Laut ... nein, viele huschende Laute!

So als würden Dutzende und Aberdutzende kleiner Füße über die hart gefrorene Erde trippeln.

Als Falk sich neugierig auf die Ellbogen aufrichtete und angestrengt in die Finsternis jenseits des Lagerfeuers spähte, konnte er wiederum nicht das Geringste entdecken, und die Geräusche, die von überall und nirgends zu kommen schienen, waren ebenso abrupt wieder verklungen, wie sie aufgekommen waren – bloß, um ein paar Sekunden erneut einzusetzen!

Obwohl Falk mit weit aufgerissenen Augen in die Schwärze jenseits des Feuerscheins starrte, war einfach nichts auszumachen. Und dann hörten die huschenden, trippelnden Geräusche und das seltsame Summen wieder auf.

Langsam wurde Falk unruhig. Er dachte daran, was Jael ihm vor ein paar Tagen über die verbotenen magischen Experimente erzählt hatte, die die Zauberer der Enklave über Jahrhunderte hinweg getrieben hatten, und dass einige der Kreaturen, die ihren abnormen Versuchen entsprungen waren, womöglich noch immer durch die Sümpfe streiften. Er kam zu dem Schluss, dass es besser wäre, seine Begleiterinnen zu wecken, damit sie sich der Sache annahmen – nur für den Fall, dass es da draußen im Dickicht irgendetwas gab, das vorhatte, sich ihrer anzunehmen.

Er wollte Zara, die ihm am nächsten lag, gerade an der Schulter packen, um sie wachzurütteln, als er aus den Augenwinkeln plötzlich eine verstohlene Bewegung knapp außerhalb des Feuerscheins bemerkte. Im nächsten Moment spürte er einen kurzen stechenden Schmerz an der linken Seite seines Halses, wie von einem Mückenstich, und nahezu augenblicklich wurde ihm seltsam zu Mute.

Zuerst fühlte es sich gar nicht mal schlecht an, etwa so, als hätte er in rascher Folge mehrere doppelte Whiskeys gekippt. Er fühlte sich leicht, als würde er schweben, begleitet von einem unbestimmten Schwindelgefühl, das rasch Überhand nahm und dafür sorgte, dass Falk sich vorkam wie an Bord eines Schiffs, das zwischen den Wellen eines gewaltigen Sturms hin- und hergeschleudert wurde. Alles um in herum schwankte, drohte zu kippen. Er blinzelte krampfhaft, hoffend, dass sich sein Blick wieder klärte, aber stattdessen spürte er plötzlich, wie eine sonderbare kribbelnde Kälte durch seine Glieder kroch, als würde der Wind direkt unter seine Decke fahren. Er versuchte, die Hand nach Zara auszustrecken, und stellte fest, dass er es nicht konnte. Sein Arm, seine Hand, seine Finger – nichts davon rührte sich, und auch der Rest seines Körpers war wie gelähmt.

So sehr er sich auch mühte, er war einfach nicht dazu in der Lage, sich zu bewegen. Sein ganzer Körper war wie tot; allein sein Gehör, seine Augen und sein Verstand funktionierten noch, auch wenn er sich einen Moment später beinahe wünschte, dem wäre nicht so.

Denn auf einmal begann die Erde rings um ihr Lager zu beben – zumindest kam es ihm so vor. Dann jedoch sah Falk, dass es bloß Teile des Bodens waren, die sich bewegten – kreisrunde, etwa handtellergroße Erdsoden, die sich hoben wie die Deckel von Kochtöpfen, und aus diesen unterirdischen Töpfen wuselten die größten Spinnen hervor, die er je gesehen hatte.

Die Viecher waren groß wie Katzen – widerliche achtbeinige Ungetüme mit aufgeblähten Hinterleibern und faustgroßen Schädeln mit fingerlangen Kieferklauen und acht winzigen schwarzen Äuglein, je vier davon hintereinander auf jeder Seite des Kopfes. Und sie waren mit schwarzem borstigen Fell bedeckt, das bloß auf dem Rücken eine hellere, gräuliche Zeichnung aufwies, die an einen Totenschädel erinnerte. Die überproportional langen, behaarten Beine huschten blitzschnell über den Boden und erzeugten dabei dieses leise trippelnde Geräusch, das Falk bereits gehört hatte. Schon wuselten ein halbes Dutzend Spinnen um das Feuer herum, während hinter ihnen noch weitere aus der Erde krochen – und die Biester kamen geradewegs auf Falk zu!