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Falk wollte vor Entsetzen schreien, doch kein Laut drang über seine Lippen – sie bewegten sich nicht einmal. Selbst die Zunge in seinem Mund war gelähmt von dem heimtückischen Gift des stecknadelgroßen Hornstachels, der in seinem Hals stak. Er schaffte es gerade noch, keuchend Luft zu holen. Dann erschlaffte sein ganzer Körper, und er fiel reglos auf sein Lager zurück, wo er, auf der Seite liegend, mit ansehen musste, wie immer neue Spinnen aus ihren Löchern krochen, eine ganze Horde riesiger behaarter Leiber, die wie eine Woge auf ihn zuschössen. Dann schwappte die Welle trippelnd über ihn hinweg, und Falk spürte die Spinnen überall auf seinem Körper. Es war, als würden ihn Dutzende winziger Hände auf einmal berühren, denn auch wenn sich Falk nicht bewegen konnte, spürte er doch alles, was mit ihm geschah.

Sie krochen nicht nur über ihn hinweg, sie hoben seinen gelähmten Körper sogar an, drehten ihn hin und her. Falks Ekel schlug in nacktes Grauen um, als er sah, wie ihn die Spinnen mit klebrigen Fäden, die aus den deutlich sichtbaren Spinnwarzen an ihren Hinterleibern quollen, einsponnen.

Innerhalb kürzester Zeit steckte sein Oberkörper in einem weißen, fest anliegenden Kokon aus Spinnenseide. Bis unters Kinn war er eingesponnen, und nun machten sich die Viecher auch über seinen Kopf her.

Falk versuchte erneut zu schreien, doch er konnte nur stumm daliegen, während die Spinnen Faden um Faden um seinen Kopf spönnen. Bald war sein linkes Auge zugeklebt, dann sein rechtes. Das zuckende Bein einer Spinne geriet zufällig in seinen Mund, und Falk biss zu. Eigentlich war er sicher, auch seine Kiefer nicht bewegen zu können, doch seine Vorderzähne klackten wie die Bügel einer Bärenfalle zusammen, und Falk biss der Spinne eins ihrer acht Beine ab.

Die Spinne bäumte sich auf und gab einen Laut von sich, als würde jemand mit einem Mund voller Speichel tief Luft holen; das Geräusch war nicht besonders laut, doch irgendwie versetzte es die Pferde in Aufregung, die ein paar Schritte weiter im Schutz des Felsüberhangs angebunden waren. Kjell wieherte leise und scharrte mit den Hinterhufen, als wollte er die Spinnen warnen, ihm ja nicht zu nahe zu kommen, und das wiederum reichte, um Jael zu wecken, die auf ihrem Deckenlager auf der anderen Seite des Feuers blinzelnd die Augen aufschlug.

Im ersten Moment war sie noch ein wenig verschlafen, doch als sie erkannte, was sich nur wenige Schritte entfernt abspielte, war sie mit einem Schlag hellwach. Mit einem Satz sprang sie auf, griff nach dem Schwert, das neben ihrem Lager auf dem Boden lag, und riss fluchend die Klinge aus der Scheide.

Aus den Augenwinkeln sah sie, wie auch Zara hochschreckte, doch während die Vampirin noch zu begreifen versuchte, was los war oder ob sie womöglich nur träumte – Spinnen, groß wie Katzen, und Falk, von Kopf bis Fuß eingesponnen in Spinnenseide –, stürmte Jael schon vor, holte mit dem Schwert aus und ließ die blitzende Klinge auf eine Spinne niedersausen. Ein grünlicher Schleim quoll aus dem im Todeskampf zuckenden Leib.

„Verdammte Krabbelviecher!“, keuchte Jael angeekelt und schlug erneut zu.

Eine zweite Spinne starb, Vorderkörper und Hinterleib von einem Schwertstreich sauber durchtrennt. Die anderen Spinnen wuselten scheinbar planlos umher, doch als Jael erkannte, dass sie nicht flohen, sondern im Gegenteil zum Angriff übergingen, war es bereits zu spät.

Ein giftiger Hornpfeil schoss heran und bohrte sich durch den Stoff ihres Rocks in ihre linke Schulter. Ein zweites stecknagelgroßes Geschoss traf sie nur einen Herzschlag später in den rechten Handrücken, und sofort verlor sie die Kontrolle über ihre Finger, die sich plötzlich anfühlten, als hätte sie sie in Eiswasser getaucht.

Die Seraphim versuchte verzweifelt, ihr Schwert zu halten, doch der Griff entglitt ihren gelähmten Fingern, und die Waffe fiel nutzlos zu Boden, während Jael gegen das Schwindelgefühl ankämpfte, das sie zu überwältigen drohte.

Bei Falk war die Lähmung beinahe augenblicklich eingetreten, doch er war nur ein Mensch – Jael nicht. Das Blut, das durch ihre Adern floss, war das der Alten Götter selbst, die Jael wie alle anderen Seraphim einst geschaffen hatten, damit diese göttlichen Kriegerinnen die Schlacht des Guten gegen das Böse für sie entschieden.

Jael spürte, wie sich das lähmende Gift mit jedem Herzschlag weiter in ihrem Leib ausbreitete, doch es gelang ihr, sich mühsam auf den Beinen zu halten, selbst wenn ihre Bewegungen stetig langsamer und schwerfalliger wurden. Sie schwankte, trat nach einer Spinne, die auf Falks komplett eingesponnenen Körper hockte.

Das Tier hatte einen stricknadelgroßen Hornstachel aus seinem hoch aufgerichteten Hinterleib hervorschellen lassen und wollte das zu Ende bringen, wobei die Spinnen zuvor gestört worden waren. Jael traf den haarigen Körper gerade noch rechtzeitig und kickte die Spinne mitten ins Feuer, das sich gierig über die neue Nahrung hermachte. Das dichte Haar der Spinne ging sofort in Flammen auf. Das Tier stieß einen hohen, schrillen Laut aus und sprang mit einem Satz aus der Glut, um als brennender Feuerball über den Boden zu flitzen, auf das Unterholz zu. Auf halber Strecke dorthin zerplatzte der Hinterleib durch die Hitze, und die Innereien spritzten als schleimiger Sprühregen zu allen Seiten weg.

Die anderen Spinnen hielten einen Augenblick kollektiv inne, als wollten sie eine Schweigeminute für ihre gefallene Kameradin einlegen – dann setzten sie sich erneut in Bewegung, eine wallende Masse, die bloß aus Beinen, Haaren und Giftstacheln zu bestehen schien.

Drei weitere Spinnen schossen mit ihren aufgerichteten Hinterleibern Giftstachel auf Jael ab, die längst viel zu langsam und zu träge war, um ihnen auszuweichen.

Die Giftmenge, die nun in ihrem Blut floss, hätte ausgereicht, um einen Olifanten zu lähmen, trotzdem hielt sich die Seraphim immer noch wankend auf den Beinen. Ihr Blick suchte nach Zara, dann sah sie einen vagen Schatten vor dem hellen Hintergrund des zuckenden Feuers.

„Diese Spinnen ...“, brachte Jael benommen hervor, „... gefahrliche kleine Biester ...“ Es fiel ihr zunehmend schwerer zu sprechen, doch sie kämpfte mit eisernem Willen dagegen an. „Nach dem Einspinnen ... spritzen sie einem mit ihrem Stachel ... eine Säure, die ... alles zersetzt und verflüssigt... Fleisch, Muskeln, Knochen ... Alles wird ... zu Brei...“ Die Worte gingen mehr und mehr ineinander über und wurden schließlich zu einem undeutlichen Lallen, dessen Sinn man mehr erahnen als verstehen konnte.

„... musst sie ... töten ...“, war das Letzte, was Jael unter größter Anstrengung über die Lippen bringen konnte. Dann wurde ihr Blick plötzlich starr, und sie stürzte mit einem Seufzen neben Falk zu Boden. Sie hatte die Erde noch nicht ganz berührt, als die Spinnen auch schon emsig auf sie zuschwärmten, ein wogender Teppich haariger Leiber, bereit, sie einzuspinnen.

Doch bevor die albtraumhaften Wesen die Seraphim erreichen konnten, setzte Zara über das Lagerfeuer hinweg und schlug noch im Sprung mit ihren beiden Schwertern zu. Die rasiermesserscharfen Klingen teilten pfeifend die Luft, und eine besonders dicke Spinne, die gerade ihren geschwollenen Hinterleib reckte, um einen Giftpfeil auf Zara abzuschießen, fand dreigeteilt ihr Ende.

Als wäre das Ableben der Spinne ein Signal für die anderen, schwenkten die übrigen Insekten unvermittelt herum, änderten ihre Laufrichtung und stürzten statt auf Jael auf die Vampirin zu. Hinterleiber ruckten in die Höhe, und dann schössen drei, vier, fünf Giftpfeile auf Zara zu.

Doch die Vampirin war schnell, flink und entschlossen. Sie wich den Stachelpfeilen geschickt aus, wirbelte herum und ließ die Schwerter in ihren Händen kreisen wie die Flügel einer Windmühle.

Die Spinnen rückten ein Stück weit von ihr ab, doch mit einem Satz war Zara direkt zwischen ihnen, die Klingen sirrten durch die Luft, und dann spritzten grüner Schleim und abgeschlagene Gliedmaßen umher.

Die Spinnen stießen wieder diese hohen, jammernden Laute aus, als Zara zwei von ihnen die Köpfe abschlug und drei weitere beinahe in der Mitte halbierte, und die Tiere versuchten eilig, vor ihr zurückzuweichen, um ein paar Schritte entfernt einen Giftpfeilhagel auf die Vampirin niedergehen zu lassen.