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Also hatte er in letzter Zeit Kontakt mit Perrin gehabt. Beim Licht! Wie hatte Cadsuane das nur wissen können, und wieso hatte sie selbst davon nichts mitbekommen? »Rand, wenn du Perrin etwas für dich erledigen lässt, warum hast du das dann geheim gehalten? Ich verdiene doch wohl…«

»Ich habe mich nicht mit ihm getroffen, Nynaeve«, sagte Rand. »Beruhige dich. Das sind einfach Dinge, die ich weiß. Wir sind miteinander verbunden, Perrin, ich und Mat.«

» Wie? Was hast du …«

»Das ist alles, was ich dazu zu sagen habe«, unterbrach er sie mit leisen Worten.

Wieder biss Nynaeve die Zähne zusammen. Die anderen Aes Sedai sprachen immer davon, ihre Gefühle unter Kontrolle zu haben, aber offensichtlich mussten sie sich auch nicht mit Rand al’Thor abgeben. Nynaeve konnte auch ruhig sein, solange man nicht von ihr erwartete, den stursten Narren von Mann zu leiten, der je ein Paar Stiefel angezogen hatte.

Eine Weile ritten sie schweigend. Der bewölkte Himmel hing wie ein fernes Stück Torf über ihnen. Der Treffpunkt mit den Grenzländern war eine in der Nähe befindliche Kreuzung. Sie hätten auch direkt dorthin Reisen können, aber die Töchter hatten Rand abgerungen, ein kurzes Stück davor anzukommen und sich ihr vorsichtig zu nähern. Das Schnelle Reisen war außerordentlich bequem, aber es konnte auch gefährlich sein. Wenn deine Feinde wussten, wo du erscheinen würdest, konnte man ein Wegetor öffnen und sich plötzlich einer Reihe Bogenschützen gegenübersehen. Selbst vorher Späher durch das Tor zu schicken war nicht so sicher, als an eine Stelle zu Reisen, an der einen niemand erwartete.

Die Aiel lernten und passten sich schnell an. Das war wirklich überraschend. Die Wüste war schrecklich eintönig; jeder Teil sah gleich aus. Natürlich hatte Nynaeve ein paar Aiel etwas Ähnliches über die Feuchtlande sagen hören.

Diese besondere Kreuzung war schon seit Jahren nicht mehr von Bedeutung. Wäre Verin oder eine andere der Braunen Schwestern da gewesen, hätten sie bestimmt erklären können, warum das so war. Nynaeve wusste bloß, dass das Königreich, zu dem dieses Land einst gehört hatte, vor langer Zeit untergegangen war, und die unabhängige Stadt Far Madding war das einzige Überbleibsel davon. Das Rad der Zeit drehte sich. Die meisten prächtigen Königreiche stürzten irgendwann und verwandelten sich in Felder, die dann nur noch von Bauern beherrscht wurden, deren einziges Trachten darin bestand, eine besonders gute Gerstenart zu züchten. So war es Manetheren ergangen, und es war auch hier passiert. Große Straßen, auf denen einst Legionen marschiert waren, waren nur noch obskure Landstraßen, die einer dringenden Instandsetzung bedurft hätten.

Nynaeve ließ Mondlicht zurückfallen. Das brachte sie an Narhismas Seite. Wie die meisten Asha’man trug auch er Schwarz, und an seinem Kragen funkelten Schwert und Drachen. Er hatte sich verändert, seit er vor Monaten einen Behüterbund eingegangen war. Wenn sie ihn ansah, war da kein Junge mehr. Das hier war ein Mann mit der Anmut eines Soldaten und dem aufmerksamen Blick eines Behüters. Ein Mann, der den Tod gesehen und gegen Verlorene gekämpft hatte.

»Narishma, Ihr seid doch ein Grenzländer«, sagte Nynaeve. »Habt Ihr irgendeine Ahnung, warum die anderen ihre Posten verlassen haben?«

Er schüttelte den Kopf und musterte die Landschaft. »Ich war der Sohn eines Schuhmachers, Nynaeve Sedai. In den Beweggründen von Lords und Ladys kenne ich mich nicht aus.« Er zögerte. »Außerdem bin ich kein Grenzländer mehr.« Die Bedeutung war klar. Er würde Rand beschützen, ganz egal, welche anderen Loyalitäten an ihm zerrten. Die typische Denkweise eines Behüters.

Nynaeve nickte langsam. »Habt Ihr eine Ahnung, was uns erwarten wird?«

»Sie werden ihr Wort halten«, erwiderte Narishma. »Ein Grenzländer würde eher sterben, als sein Wort brechen. Sie haben versprochen, eine Delegation zu schicken, die sich mit dem Wiedergeborenen Drachen trifft. Das werden sie auch tun. Aber ich wünschte, wir hätten unsere Aes Sedai mitbringen dürfen.«

Berichten zufolge verfügte das Heer der Grenzländer über dreizehn Aes Sedai. Eine gefährliche Zahclass="underline" die nötige Anzahl, um eine Frau oder einen Mann zu dämpfen. Dreizehn Frauen in einem Zirkel konnten auch den stärksten Machtlenker von der Quelle abschneiden. Rand hatte darauf bestanden, dass ihre Delegation nicht mehr als von vier dieser dreizehn Aes Sedai begleitet wurde; im Gegenzug hatte er versprochen, ebenfalls nicht mehr als vier Machtlenker mitzubringen. Zwei Asha’man - Narishma und Naeff - sowie Nynaeve und Rand selbst.

Merise und die anderen hatten auf typische Aes Sedai-Weise getobt - als Rand ihnen verboten hatte, ihn zu begleiten, hatte es also viele nach unten gezogene Lippen und Fragen wie » Seid Ihr sicher, dass Ihr das tun wollt?« gegeben.

Nynaeve bemerkte Narishmas Anspannung. »Ihr macht nicht den Eindruck, als würdet Ihr ihnen vertrauen.«

»Ein Grenzländer sollte die Grenze bewachen, da ist sein Platz«, sagte Narishma. »Ich war der Sohn eines Schuhmachers, und selbst mich hat man an Schwert, Speer, Bogen, Axt und Schleuder ausgebildet. Schon bevor ich zu den Asha’man ging, konnte ich vier oder fünf ausgebildete Soldaten des Südens im Duell schlagen. Unser Leben ist die Verteidigung. Und doch sind sie gegangen. Ausgerechnet jetzt, mit dreizehn Aes Sedai.« Er musterte sie mit seinen dunklen Augen. »Ich will ihnen vertrauen. Ich weiß, dass es gute Menschen sind. Aber auch gute Menschen können das Falsche tun. Vor allem, wenn Leute im Spiel sind, die die Macht lenken können.«

Nynaeve schwieg. Narishma hatte da nicht unrecht, aber welchen Grund sollten die Grenzländer haben, Rand zu schaden? Seit Jahrhunderten kämpften sie gegen das Näherrücken der Großen Fäule und ihres Schattengezüchts, und der Kampf gegen den Dunklen König war in ihre Seelen eingeprägt. Sie würden sich nicht gegen den Wiedergeborenen Drachen wenden.

Grenzländer hatten eine besondere Ehre an sich. Das konnte frustrierend sein, sicher, aber so waren sie nun einmal. Lans Verehrung für seine Heimat - vor allem, da so viele andere Malkieri ihre Identität abgestreift hatten - war mit ein Grund, warum sie ihn liebte. Oh, Lan. Ich finde jemanden, der dir hilft. Ich werde dich nicht allein in den Rachen des Schattens reiten lassen.

Als sie sich einem kleinen grünen Hügel näherten, kehrten mehrere Aiel von ihrem Spähtrupp zurück. Rand ließ die Gruppe anhalten und wartete, dass die in den Cadin ‘sorgekleideten Späher ihn erreichten. Mehrere von ihnen trugen die roten Stirnbänder mit dem uralten Symbol der Aes Sedai. Die Späher waren nicht außer Atem, obwohl sie den ganzen Weg zum Treffpunkt und wieder zurück gelaufen waren.

Rand beugte sich auf seinem Sattel vor. »Haben sie getan, worum ich bat? Haben sie nicht mehr als zweihundert Männer und nicht mehr als vier Aes Sedai mitgebracht?«

»Ja, Rand al’Thor«, sagte einer der Späher. »Ja, sie haben Eure Forderungen auf bewundernswerte Weise erfüllt. Sie haben große Ehre.«

Im Tonfall des Mannes erkannte Nynaeve den seltsamen Aiel-Humor.

»Was?«, fragte Rand.

»Ein Mann, Rand al’Thor«, sagte der Aiel. »Das ist ihre ganze ›Delegation‹. Er ist ein kleiner Wicht von einem Mann, auch wenn er aussieht, als wüsste er, wie man den Tanz der Speere tanzen muss. Die Kreuzung ist hinter diesem Hügel.«

Nynaeve schaute in die Richtung. Da sie jetzt wusste, worauf sie zu achten hatte, konnte sie in der Tat eine andere Straße sehen, die aus dem Süden kam und ihre vermutlich direkt hinter dem Hügel kreuzte.

»Was für eine Falle soll das sein?«, fragte Naeff und ritt an Rands Seite. Sein schmales Kriegergesicht zeigte Besorgnis. »Ein Hinterhalt?«

Rand hielt die Hand hoch, damit alle ruhig waren. Er trieb sein Pferd an, und die Späher hielten ohne ein Wort der Klage mit. Beinahe wäre Nynaeve hinter ihnen zurückgeblieben; Mondlicht war ein viel friedlicheres Tier, als sie selbst gewählt hätte. Nach ihrer Rückkehr nach Tear würde sie ein ernstes Wort mit dem Stallmeister wechseln müssen.