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»Nein«, sagte Min. »Ihr irrt Euch.«

Corele runzelte die Stirn. »Kind, wollt Ihr sagen, dass Ihr uns über die Dinge angelogen habt, die Ihr gesehen habt?«

»Nein. Aber wenn Rand verliert, dann gibt es kein Muster mehr.«

»Das Mädchen hat recht.« Cadsuane klang überrascht. »Das Kind sieht Gewebe aus dem Muster, die noch in der Zukunft liegen - aber wenn der Dunkle König gewinnt, wird er das Muster völlig vernichten. Nur auf diese Weise könnten sich diese Visionen nicht erfüllen. Das Gleiche gilt für andere Prophezeiungen und Vorhersagen. Unser Sieg ist keinesfalls sicher.«

Das ließ Schweigen in den Raum einkehren. Sie spielten hier nicht mit Dorfpolitik oder nationaler Dominanz. Die Schöpfung selbst stand auf dem Spiel.

Beim Licht. Kann ich diese Information für mich behalten, wenn auch nur die geringste Möglichkeit besteht, dass sie Lan hilft? Es zerriss ihr das Herz, an ihn zu denken, und ihr standen doch nur so wenige Möglichkeiten zur Verfügung. Lans einzige Hoffnung schien in den Heeren zu bestehen, die Rand aufstellen konnte, und in den Wegetoren, die seine Männer erschaffen konnten.

Rand musste sich ändern. Für Lan. Für sie alle. Und leider fiel ihr nichts ein, was sie tun konnte, außer Cadsuane zu vertrauen. Nynaeve schluckte ihren Stolz herunter und sprach. »Kennt Ihr den Ort der Statue eines gewaltigen Schwertes, das sich in den Boden gebohrt hat, als wollte sie ihn aufspießen?«

Corele und Merise sahen einander verwirrt an.

»Die Hand des Amahn’rukane.« Cadsuane wandte den Blick von Min. »Die Statue wurde nie vollendet, soweit es die Gelehrten wissen. Sie befindet sich an der Jehannahstraße.«

»Perrin lagert in ihrem Schatten.«

Cadsuane schürzte die Lippen. »Ich hatte angenommen, er würde nach Osten reisen, auf die von alThor eroberten Länder zu.« Sie holte tief Luft. »Also gut. Wir gehen sofort zu ihm.« Sie zögerte, dann wandte sie sich an Nynaeve. »Um Eure frühere Frage zu beantworten, Kind, eigentlich ist Perrin überhaupt nicht für unsere Pläne von Bedeutung.«

»Ist er nicht?«, fragte Nynaeve. »Aber …«

Cadsuane hob einen Finger. »Bei ihm sind Leute, die von entscheidender Bedeutung sind. Und vor allem einer.«

45

Die Burg hält stand

Egwene ging langsam in einem blutroten Reitgewand durch das Rebellenlager. Die Farbe sorgte für nicht wenige gehobene Brauen. Zog man die Taten der Roten Ajah in Betracht, würden die hier zusammengekommenen Aes Sedai wohl kaum diese Farbe tragen. Sogar die Dienerinnen des Lagers hatten das begriffen und ihre roten und rotbraunen Kleider verkauft oder zu Lumpen verarbeitet.

Egwene hatte ganz bewusst Blutrot verlangt. In der Weißen Burg hatten sich die Schwestern angewöhnt, nur die Farben ihrer eigenen Ajah zu tragen, und diese Praxis hatte die Gräben nur noch vertieft. Natürlich war es gut, auf die Zugehörigkeit zu seiner Ajah stolz zu sein, aber es war gefährlich, wenn man von der Annahme ausging, niemandem in anderen Farben vertrauen zu können.

Egwene verkörperte alle Ajahs. Heute symbolisierte das Rot viele Dinge für sie. Die unmittelbar bevorstehende Wiedervereinigung mit der Roten Ajah. Eine Erinnerung an die Spaltung, die beendet werden musste. Ein Zeichen, dass Blut vergossen würde, das Blut guter Männer, die die Weiße Burg verteidigen wollten.

Das Blut der toten Aes Sedai, die nicht einmal vor einer Stunde durch Egwenes Befehl enthauptet worden waren.

Siuan hatte ihren Großen Schlangenring gefunden; es fühlte sich gut an, ihn wieder zu tragen.

Der Himmel zeigte eine eisengraue Farbe, und der Geruch nach Schmutz lag in der Luft und begleitete die Geschäftigkeit im Lager. Mägde wuschen eilig, als müssten sie ihre Herrschaft noch schnell für ein Fest vorbereiten. Novizinnen eilten von Unterricht zu Unterricht, liefen buchstäblich. Aes Sedai standen mit verschränkten Armen da, dazu bereit, jedem Feuer unter dem Hintern zu machen, der das Tempo nicht einhielt.

Sie spüren die Bedeutung dieses Tages, dachte Egwene. Und sie können nicht vermeiden, sich davon anstecken zu lassen. In der vergangenen Nacht der Angriff der Seanchaner. Gefolgt von der Rückkehr der Amyrlin, die den Morgen damit verbracht hatte, die Aes Sedai zu säubern. Und jetzt der Nachmittag, und die Kriegstrommeln schlugen.

Sie bezweifelte, dass Brynes Lager sich in einem ähnlichen Zustand befand. Er würde seine Männer zum Angriff bereit stehen haben. Vermutlich hätte er die Weiße Burg an jedem Tag der Belagerung sofort angreifen können. Seine Soldaten würden diesen Krieg entscheiden. Egwene würde ihre Aes Sedai nicht in die Schlacht reiten lassen, würde nicht zulassen, dass sie sich um ihren Eid herummogelten, mit der Macht nicht zu töten. Sie konnten hier warten, bis man sie rief, um zu Heilen.

Oder man sie rief, falls sich ihre Schwestern aus der Weißen Burg ernsthaft am Kampf beteiligten. Hoffentlich sorgte das Licht dafür, dass Elaida weise genug war, das zu verbieten. Falls sich die Aes Sedai gegenseitig mit der Einen Macht angriffen, würde dies in der Tat ein schwarzer Tag werden.

Kann dieser Tag denn überhaupt noch finsterer werden?, fragte sich Egwene. Viele der Aes Sedai, an denen sie im Lager vorbeiging, warfen ihr Blicke voller Respekt, Ehrfurcht und nicht geringem Entsetzen zu. Die Amyrlin war nach langer Abwesenheit zurückgekehrt. Und sie brachte Zerstörung und hielt Gericht.

Über fünfzig Schwarze Schwestern waren gedämpft und danach hingerichtet worden. Bei dem Gedanken an ihren Tod verspürte Egwene Übelkeit. Sheriam war beinahe erleichtert erschienen, als sie an die Reihe kam, aber dann hatte sie doch angefangen, sich schluchzend zu wehren. Sie hatte mehrere schwere Verbrechen gestanden, als hätte sie die verzweifelte Hoffnung, durch ihre Bereitwilligkeit zur Kooperation begnadigt zu werden.

Man hatte ihr Haupt auf den Richtblock gelegt und ihn abgeschlagen, genau wie bei den anderen. Dieser Anblick würde niemals in Egwenes Erinnerung verblassen - wie ihre ehemalige Behüterin der Chroniken mit auf den Block gedrücktem Kopf dort lag und ihr blaues Kleid und feuerrotes Haar plötzlich in warmes goldenes Licht getaucht wurden, als eine dünne Wolkenschicht plötzlich die Sonne freigab. Dann die funkelnde Axt, die zuschlug und ihren Kopf forderte. Vielleicht würde das Muster das nächste Mal gnädiger zu ihr sein, sollte es ihr wieder einen Faden in seinem großen Gewebe zugestehen. Aber vielleicht auch nicht. Der Tod war keine Flucht vor dem Dunklen König. Sheriams Entsetzen am Ende war ein deutlicher Hinweis, dass sie möglicherweise genau diesen Gedanken gehabt hatte, als die Axt auf sie niedersauste.

Jetzt verstand Egwene endgültig, warum die Aiel bei simplen Prügeln lachen konnten. Hätte sie doch nur ein paar Tage unter der Rute durchmachen müssen, statt die Hinrichtung von Frauen zu befehlen, die sie gemocht und mit denen sie zusammengearbeitet hatte!

Einige der Sitzenden hatten sich für ein Verhör statt für eine Hinrichtung ausgesprochen, aber Egwene hatte sich nicht darauf eingelassen. Fünfzig Frauen waren bei weitem zu viele, um sie abschirmen und bewachen zu können, und wo nun allen bekannt war, dass man das Dämpfen wieder Heilen konnte, kam das nun gar nicht mehr infrage. Nein, die Geschichte hatte bewiesen, wie schlüpfrig und gefährlich die Mitglieder der Schwarzen sein konnten, und Egwene war es leid, sich darüber Sorgen machen zu müssen, was passieren konnte. Sie hatte bei Moghedien gelernt, dass Gier ihren Preis kostete, selbst wenn es nur die Gier nach Informationen war. Sie und die anderen waren zu gierig gewesen - zu stolz auf die »Entdeckungen«, die sie gemacht hatten -, um die Welt von einer der Verlorenen zu befreien.