Выбрать главу

Nun, sie würde hier keine ähnlichen Fehler zulassen. Das Gesetz war allgemein bekannt, der Saal hatte sein Urteil gefällt, und es war nicht hinter verschlossenen Türen geschehen. Verin war gestorben, um diese Frauen aufzuhalten, und Egwene würde dafür sorgen, dass ihr Opfer eine Bedeutung hatte.

Das hast du gut gemacht, Verin. So gut. Jede Aes Sedai im Lager hatte die Drei Eide noch einmal leisten müssen, und es waren nur drei Schwarze entdeckt worden, die nicht auf Venns Liste gestanden hatten. Ihre Nachforschungen waren sehr gründlich gewesen.

Die Behüter der Schwarzen standen unter Bewachung. Um sie würde man sich später kümmern müssen, wenn man Zeit dazu hatte, um festzustellen, welche von ihnen tatsächlich zu den Schwarzen gehörten und welche nur über den Verlust ihrer Aes Sedai außer sich waren. Die meisten von ihnen würden den Tod suchen, selbst die Unschuldigen. Vielleicht konnte man die Unschuldigen davon überzeugen, lange genug am Leben zu bleiben, um sich in die Letzte Schlacht zu stürzen.

Trotz allem waren beinahe zwanzig von den Schwarzen Schwestern auf Verins Liste entkommen, trotz Egwenes Vorkehrungen. Sie wusste nicht mit Sicherheit, wie sie es erfahren hatten. Brynes Männer hatten ein paar der Schwächeren bei ihren Fluchtversuchen festnehmen können, und dabei waren Soldaten gestorben. Und trotzdem waren viele entkommen.

Sinnlos, deswegen Tränen zu vergießen. Fünfzig Schwarze waren tot; das war ein Sieg. Ein furchteinflößender Sieg. Trotzdem ein Sieg.

Und so ging sie durch das Lager, in einem roten Kleid mit Reitstiefeln, und ihr braunes Haar flatterte im Wind. Die hineingeflochtenen roten Riemen sollten die Ströme von Blut anzeigen, die sie vor nicht einmal einer Stunde vergossen hatte. Den Schwestern ringsum nahm sie weder die verstohlenen Seitenblicke übel noch ihre verhüllte Sorge oder ihre Furcht.

Oder ihren Respekt. Falls je irgendwelche Zweifel daran bestanden hatten, dass Egwene die Amyrlin war, waren sie nun ausgeräumt. Sie akzeptierten sie, sie fürchteten sie. Sie würde nie wieder so zu ihnen gehören wie zuvor. Sie stand getrennt von ihnen, und das würde sich auch nie wieder ändern.

Eine entschlossene Gestalt in Blau suchte sich ihren Weg an den Zelten vorbei und näherte sich Egwene. Die Achtung gebietende Frau machte den Knicks, der sich gehörte, da sie aber so schnell gingen, hielt Egwene nicht an, um sie den Großen Schlangenring küssen zu lassen. »Mutter«, sagte Lelaine. »Bryne hat die Nachricht geschickt, dass alles zum Angriff bereit ist. Er sagt, dass die westlichen Brücken die ideale Stelle dafür sind, aber er schlug auch vor, dass man mit Wegetoren eine flankierende Streitmacht seiner Leute hinter die Linien der Weißen Burg bringt. Er fragt, ob das möglich wäre.«

Damit würde man die Macht nicht als Waffe benutzen, auch wenn es nahe dran war. Eine feine Unterscheidung. Aber als Aes Sedai ging es nur um feine Unterscheidungen. »Sagt ihm, ich werde das Wegetor selbst erschaffen.«

»Ausgezeichnet, Mutter«, erwiderte Lelaine und neigte den Kopf, die perfekte loyale Gefolgsfrau. Es war schon erstaunlich, wie schnell sich doch die Einstellung dieser Frau Egwene gegenüber verändert hatte. Sie musste erkannt haben, dass ihr nur die Möglichkeit blieb, sich Egwene ohne Wenn und Aber anzuschließen und sie mit ihren Versuchen aufhören musste, sich Macht zu sichern. Auf diese Weise sah sie nicht wie eine Heuchlerin aus und würde vielleicht durch Egwene in eine höhere Position gelangen. Vorausgesetzt, Egwene konnte sich als mächtige Amyrlin etablieren.

Es war eine gute Annahme.

Lelaine musste sich sehr über Romandas geänderte Einstellung geärgert haben. Und wie aufs Stichwort wartete die Gelbe voraus am Wegesrand. Sie trug ein Kleid in der Farbe ihrer Ajah, das Haar zu einem eindrucksvollen Knoten zurückgebunden. Sie machte einen Knicks vor Egwene und hatte kaum einen Blick für Lelaine übrig, bevor sie sich rechts von Egwene einreihte, auf der anderen Seite von Lelaine. »Mutter, ich habe die Erkundigungen eingezogen, um die Ihr mich gebeten habt. Es hat keinen Kontakt zu jenen gegeben, die zur Schwarzen Burg geschickt wurden. Nicht einmal ein Flüstern.«

»Kommt Euch das nicht seltsam vor?«, fragte Egwene.

»Ja, Mutter. Mit dem Schnellen Reisen hätten sie mittlerweile schon längst wieder zurück sein müssen. Zumindest hätten sie eine Nachricht schicken müssen. Dieses Schweigen ist beunruhigend.«

Beunruhigend in der Tat. Was noch schlimmer war, bei der Delegation waren auch Nisao, Myrelle, Faolain und Theodrin. Jede dieser Frauen hatte Egwene die Treue geschworen. Ein beunruhigender Zufall. Vor allem die Abreise von Faolain und Theodrin war besonders verdächtig. Angeblich waren sie gegangen, weil sie keine Behüter hatten, aber die Schwestern im Lager betrachteten die beiden nicht einmal als vollwertige Aes Sedai - auch wenn es niemand gewagt hätte, das Egwene ins Gesicht zu sagen.

Warum waren von den Hunderten von Aes Sedai im Lager ausgerechnet diese vier der Delegation zugeteilt worden? War das lediglich ein Zufall? Es erschien unglaubwürdig. Aber was hatte es dann zu bedeuten? Hatte jemand absichtlich die Leute weggeschickt, die Egwene gegenüber loyal waren? Aber warum hatte man dann nicht Siuan geschickt? War das vielleicht Sheriams Werk? Vor ihrer Hinrichtung hatte die Frau einige Dinge gestanden, aber das war nicht darunter gewesen.

Wie dem auch sei, etwas ging bei diesen Asha’man vor. Man würde sich um die Schwarze Burg kümmern müssen.

»Mutter«, sagte Lelaine und zog die Aufmerksamkeit wieder auf sich. Die Blaue hatte für ihre Rivalin keinen Blick übrig. »Ich habe noch andere Neuigkeiten.«

Romanda schnaubte leise.

»Sprecht«, sagte Egwene.

»Sheriam hat nicht gelogen«, sagte Lelaine. »Die Ter’angreale für die Träumer sind weg. Alle.«

»Wie ist das möglich?«, wollte Egwene wissen und ließ einen Hauch ihres Zorns durchschimmern.

»Sheriam war die Behüterin, Mutter«, sagte Lelaine schnell. »Wir haben die Ter’angreale zusammen aufbewahrt, wie es in der Weißen Burg üblich ist, unter Bewachung. Aber … nun, welchen Grund hätten diese Wächter haben sollen, Sheriam abzuweisen?«

»Was glaubt Ihr, wie wollte sie uns das erklären? Dieser Diebstahl wäre doch nicht lange verborgen geblieben.«

»Ich weiß es nicht, Mutter.« Lelaine schüttelte den Kopf. »Die Wächter sagten, Sheriam wäre … aufgeregt … erschienen, als sie die Ter’angreale holte. Das war erst vergangene Nacht.«

Egwene biss die Zähne zusammen und dachte an Sheriams restliche hervorgesprudelte Geständnisse. Der Diebstahl der Ter’angreale war bei weitem nicht die schockierendste Einzelheit gewesen, die sie erwähnt hatte. Elayne würde außer sich vor Zorn sein; unter dem Diebesgut befand sich auch der Originalring, und Egwene bezweifelte, dass Siuans versteckte Kopie als Muster taugte. Sie war bereits fehlerhaft; damit hergestellte Kopien würden vermutlich noch weniger funktionieren.

»Mutter«, sagte Lelaine leiser. »Was ist mit Sheriams anderer … Behauptung?«

»Dass sich eine weitere der Verlorenen in der Weißen Burg aufhält und sich als Aes Sedai ausgibt?«, sagte Egwene. Sheriam hatte behauptet, dieser … Person die Ter’angreale gegeben zu haben.

Lelaine und Romanda gingen stumm weiter und starrten geradeaus, als wäre jede Spekulation zu beängstigend.

»Ja, ich vermute, da hat sie nicht gelogen«, sagte Egwene. »Sie haben nicht nur unser Lager infiltriert, sondern auch den Adel in Andor, Illian und Tear. Warum also nicht auch die Weiße Burg?« Sie sparte sich die Bemerkung, dass Verins Buch die Anwesenheit einer der Verlorenen bestätigte. Es erschien vernünftiger, den Umfang von Verins Notizen geheim zu halten.

»Darüber würde ich mir keine zu großen Sorgen machen«, fuhr sie fort. »Mit dem Angriff auf die Burg und unserer Rückkehr erscheint es wahrscheinlich, dass die Verlorene - wer auch immer sie ist - es für besser halten wird, sich aus dem Staub zu machen und ein leichteres Ziel für ihre Intrigen zu suchen.«