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Egwene schüttelte den Kopf.

»Ich zögere noch immer, Mutter«, sagte Bryne.

Egwene erschuf ihr Gewebe neu. »Ihr lasst mein Heer eintreten? Ihr nehmt die anderen Aes Sedai zurück in die Gemeinschaft auf und setzt die Blaue Ajah wieder ein?«

»Wir haben diese Forderungen erwartet«, sagte Andaya. »Man wird sie erfüllen.«

Stille kehrte ein, die nur vom Rauschen der Wellen unterbrochen wurde, die unter ihnen ans Ufer schwappten.

»Dann akzeptiere ich«, sagte Egwene über die Brücke.

»Mutter«, sagte Simon vorsichtig. »Das könnte voreilig sein. Vielleicht solltet Ihr vorher …«

»Es ist nicht voreilig.« Egwene ließ das Gewebe los und spürte Hoffnung in sich aufsteigen. »Es ist das, was wir gewollt haben.« Sie warf Siuan einen Blick zu. »Davon abgesehen, Ihr wollt mich über voreilige Handlungen belehren?« Siuan schaute zu Boden. »General, bereitet Eure Männer vor, damit sie zur anderen Seite marschieren, und holt die Sitzenden. Entsendet Läufer mit der Neuigkeit ins Lager der Aes Sedai, und kümmert Euch darum, dass Eure Männer an den anderen Brücken Bescheid wissen und sich zurückziehen.«

»Ja, Mutter.« Bryne zog sein Pferd herum und gab die nötigen Befehle.

Egwene holte tief Luft, dann trieb sie ihr Pferd an und ritt auf die Brücke. Siuan murmelte einen Fischerfluch und folgte ihr. Egwene konnte Gawyns Pferd ebenfalls folgen hören, dann eine Abteilung Soldaten, die Brynes barschen Befehl befolgten.

Egwene ritt über den Fluss, und der Wind wehte ihr mit roten Bändern geschmücktes Haar nach hinten. Einen Moment lang erlebte sie ein seltsames Gefühl - die Last der Erkenntnis -, als sie darüber nachdachte, was sie gerade alles vermieden hatten. Es wurde schnell durch wachsende Zufriedenheit und Freude ersetzt.

Die weiße Stute unter ihr warf den Kopf ein Stück zurück und strich ihre seidige Mähne über Egwenes Hand. Auf der anderen Seite der Brücke warteten ernst die Sitzenden. Direkt voraus erhob sich die Weiße Burg. Verletzt. Blutend.

Aber sie stand noch immer. Beim Licht, sie stand!

46

Um neu geschmiedet zu werden

Nach dem triumphalen Einzug in Tar Valon erschien der Rest des Tages Egwene beinahe wie ein Traum. Sie eilte zur Weißen Burg, und Siuan und Gawyn konnten kaum mit ihr Schritt halten. An der Burg wurde Egwene bereits von einer Gruppe Diener erwartet; die Sitzenden selbst erwarteten sie im Saal.

Die Diener führten sie in einen schmucklosen holzgetäfelten Raum mit zwei mit Leder bezogenen Stühlen. Egwene war noch nie zuvor dort gewesen; anscheinend war es eine Art Wartezimmer in Nähe des Saals. In der Ecke brannte ein kleines Kohlenbecken, und es roch nach Leder.

Kurz darauf trat eine kleine, krötenähnliche Schwester der Braunen namens Lairain ein und instruierte Egwene über die folgende Zeremonie. Die kleine Frau schien die Bedeutung des Augenblicks nicht im Mindesten zu interessieren, und Egwene war ihr noch nie zuvor begegnet. Vermutlich war sie eine der Braunen, die ihr Leben hinter den Regalen der Bibliothek verbrachten und nur einmal jedes Jahrhundert oder so erschienen, um den angehenden Amyrlin Instruktionen vorzuleiern. Egwene hörte sorgfältig zu; sie hatte die Zeremonie schon einmal durchgeführt, aber sie war ziemlich kompliziert.

Sie konnte sich noch immer genau daran erinnern, wie nervös sie an jenem Tag vor vielen Monaten gewesen war, als man sie in Salidar erhoben hatte. Damals war sie noch immer völlig verwirrt über das gewesen, was da mit ihr geschah. Sie? Die Amyrlin?

Dieses Zögern gab es nicht mehr. Im Grunde machte sie sich auch keine Sorgen mehr, bei der Zeremonie Fehler zu machen. Es war nur eine Zeremonie, und die wichtigen Entscheidungen waren bereits getroffen worden. Während sie also Lairain zuhörte, konnte sie Siuan sich vor der Tür mit einer Schwester streiten hören; sie behauptete, dass man Egwene bereits erhoben hatte und die Zeremonie darum überflüssig war. Egwene unterbrach Lairain mit einer Handbewegung und rief Siuan herein.

Siuan streckte den Kopf durch den Türspalt.

»Siuan, ich wurde von den Rebellen erhoben«, sagte Egwene streng. »Diese Frauen verdienen die Gelegenheit, sich ebenfalls für mich zu entscheiden. Ansonsten werde ich nie ihre Loyalität beanspruchen können. Die Zeremonie muss erneut erfolgen.«

Siuan schaute finster drein, nickte aber. »Also gut.«

Lairain öffnete den Mund, um mit ihren Anweisungen fortzufahren, aber Egwene brachte sie mit einer weiteren Handbewegung zum Schweigen, was ihr einen beleidigten Blick einbrachte. »Welche Neuigkeiten habt Ihr, Siuan?«

Siuan öffnete die Tür ein Stück weiter. »Nun. Bryne hat den größten Teil seiner Männer über die Brücken geschafft und die Burgwache von ihren Positionen an den Befestigungen abgelöst, dann hat er sie unterstützt von ein paar Abteilungen seiner Männer losgeschickt, um dabei zu helfen, weitere aufflammende Brände in der Stadt zu löschen. Bei ihrer Flucht haben die Seanchaner einige Häuser in Brand gesteckt, um Verwirrung zu stiften.«

Das erklärte die mangelnden Truppen an der Barrikade - das und das Wissen, dass der Saal fleißig mit der Debatte beschäftigt gewesen war, ob sie Egwene nun erheben sollten oder nicht. Vermutlich war ihnen gar nicht bewusst, wie kurz sie vor einem Krieg gestanden hatten.

»Was wollt Ihr mit den Schwestern aus Eurem Lager machen?«, wollte Siuan wissen. »Sie fangen an, Fragen zu stellen.«

»Befehlt ihnen, sich vor dem Sonnenuntergangstor aufzustellen«, sagte Egwene. »Sie sollen sich nach ihrer Ajah formieren, die Sitzenden in der ersten Reihe. Sobald ich mit der Zeremonie fertig bin, werde ich sie begrüßen und formell ihre Entschuldigung für ihre Rebellion entgegennehmen und sie wieder in der Weißen Burg willkommen heißen.«

»Ihre Entschuldigung entgegennehmen?«, wiederholte Siuan ungläubig.

»Sie haben gegen die Weiße Burg rebelliert, Siuan«, sagte Egwene geduldig. »Welche Gründe sie dafür auch immer hatten, es gibt Grund, sich zu entschuldigen.«

»Aber Ihr wart eine von ihnen!«

»Ich repräsentiere nicht mehr nur sie allein«, sagte Egwene entschieden. »Ich repräsentiere die Weiße Burg. Und die Burg muss wissen, dass die Rebellen die Spaltung bedauern. Sie müssen nicht behaupten, sie wünschten, sie wären geblieben, aber ich halte es durchaus für angebracht, dass sie ihr Bedauern über die Härten zum Ausdruck bringen, die die Spaltung verursacht hat. Ich werde sie von jeder Schuld freisprechen, und wir können mit der Versöhnung beginnen.«

»Ja, Mutter«, sagte Siuan resigniert. Hinter ihr erblickte Egwene Tesan, und die Tarabonerin nickte, als sie die Worte hörte.

Egwene ließ Lairain mit ihren Instruktionen fortfahren, dann wiederholte sie die Worte, die sie zu sagen hatte, und die Gesten, die sie zu vollziehen hatte. Als die Braune fertig war, stand Egwene auf, öffnete die Tür und entdeckte, dass Siuan gegangen war, um ihre Befehle weiterzugeben. Tesan stand mit verschränkten Armen im Korridor und betrachtete Gawyn. Er lehnte ein Stück entfernt an der Wand, die Hand auf dem Schwertknauf ruhend.

»Euer Behüter?«, fragte Tesan.

Egwene sah Gawyn an und wurde gezwungen, sich mit einem verwirrenden Bündel an Gefühlen auseinanderzusetzen. Wut, Zuneigung, Leidenschaft und Bedauern. Welch seltsame Mischung. »Nein«, antwortete sie. Sie starrte Gawyn in die Augen. »Was ich jetzt tue, daran könnt Ihr nicht teilnehmen, Gawyn. Wartet hier.«

Er wollte protestieren, überlegte es sich anders, richtete sich steif auf und verneigte sich. Die Geste wirkte noch anmaßender, als es ein Streit vermocht hätte.

Egwene schnaubte leise - aber laut genug, dass er es hören konnte -, dann ließ sie sich von Tesan in den Saal der Burg führen. Der Saaclass="underline" ein Ort und eine Gruppe von Frauen. Denn er war beides, so wie der Amyrlin-Sitz eine Person und der Sitz waren, auf dem sie Platz nahm.

Vor der dunklen Holztür zum Saal mit der silbernen Flamme von Tar Valon blieb Egwene mit rebellisch pochendem Herzen stehen. Plötzlich tauchte Siuan mit einem Paar Hausschuhen auf und zeigte auf Egwenes Reitstiefel. Natürlich: der Saalboden war kostbar bemalt. Sie zog die Schuhe an; Siuan nahm die Stiefel. Es gab keinen Grund zur Nervosität! Hier war ich doch schon einmal, dachte sie plötzlich. Nicht nur in Salidar. Bei meiner Prüfung zur Auf genommenen. Ich stand vor dieser Tür, konfrontierte die Frauen dahinter. In meiner Prüfung …