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Dann erkannte Thura, warum der Druide nur so kurz geflogen war. Die große dunkle Gestalt, die in den Himmel aufstieg, war dieselbe, die sie zuvor als Schatten gesehen hatte. Jetzt flog sie auf den Ort zu, wo das Trio eben noch gestanden hatte, und obwohl sie alle drei sehr flink waren, selbst der Mensch, waren sie sicherlich dem Tode geweiht. Die Orcfrau fluchte, weil sie erkannte, dass der beste Hinweis auf den Verbleib ihrer Beute im Begriff war, gefressen zu werden.

Dann geschah etwas Erstaunliches.

Die vermeintlichen Opfer des Drachen lösten sich einfach in Nichts auf. Eben noch rannten sie um ihr Leben, und in der nächsten Sekunde waren sie fort. Nur der Hauch eines grünlichen Schimmers lieferte Thura einen Hinweis darauf, was geschehen war. Sie vermutete, dass einer der Nachtelfen irgendeinen Zauber gewirkt hatte, der das Trio an einen weit entfernten Ort versetzte.

Doch als sie wieder zu dem Drachen blickte, überraschte sie etwas noch viel mehr. Das riesige Tier wandte sich gerade ab und verschwand mit kraftvollem Flügelschlag außer Sicht. Es zögerte nicht, sondern drehte eiligst ab.

Am merkwürdigsten daran war, dass es, obwohl die Dunkelheit keinen optimalen Blick auf den Riesen gewährte, für Thura so aussah, als wäre der Drache, von plötzlicher Furcht ergriffen, vor etwas geflohen...

9

Wie man einen Drachen jagt

Die Druiden waren müde. Sie hatten gegeben, was man nur geben konnte, und obwohl Fandral ihnen gesagt hatte, dass ihre Bemühungen nicht umsonst waren, fiel es ihnen schwer, das auch zu glauben. Teldrassil sah nach wie vor nicht anders aus... und für Hamuul Runentotem war etwas an dem Weltenbaum, das ihn nur mehr störte.

Seine Sorge wurde noch durch Fandrals plötzliches Interesse an Brolls Abwesenheit verstärkt. Angesichts so vieler Druiden und der drängenden Probleme hätte Brolls Verschwinden eigentlich unbemerkt bleiben müssen. Doch nun schien der erste Erzdruide sich diesem Thema ganz besonders anzunehmen.

Hamuul hatte versprochen, nach Broll zu suchen, doch das war hauptsächlich geschehen, um Fandral zu beschwichtigen. Mehr konnte Hamuul nicht tun, um ein anderes Versprechen einzuhalten, das er voller Schuldbewusstsein wohl nicht würde erfüllen können.

Er hatte versucht, sich so weit wie möglich von der Versammlung fernzuhalten, doch er wusste, dass seine eigene Abwesenheit ebenfalls bemerkt werden könnte. Er hoffte, weitere Fragen zu vermeiden, und hielt sich am Rand der Gruppe auf. Ging hierhin und dorthin, als würde er nach etwas suchen.

Hamuul trat zu Naralex. Obwohl er so erschöpft wie der Rest war, betrachtete der Nachtelf interessiert einen einzelnen Samen in seiner Hand. Als der Tauren näher kam, bewegte Naralex sanft seine Hand über den Samen und murmelte etwas wie zu einem Kind.

Der Samen platzte auf. Eine kleine Ranke stieg daraus hervor. Nachdem sie mehr als zehn Zentimeter gewachsen war, bewegte Naralex die freie Hand nach links. Der Pflanzenspross wölbte sich in diese Richtung.

Der Nachtelf machte eine Bewegung nach rechts. Und die neue Pflanze folgte dieser Geste.

„Das ist unsere eigentliche Aufgabe“, meinte Naralex feierlich zu Hamuul. „Hüter des Lebens, Gärtner des Paradieses...“

„Wenn denn Azeroth perfekt wäre, ja“, stimmte ihm der Tauren zu. „Aber das ist es nicht.“

„Nein... das ist es nicht.“ Naralex setzte den Samen zu Boden. Er zog einen Kreis um den Samen herum.

Der Boden um den Kreis rührte sich. Der Samen sank ein, bis nur noch der Schössling übrig blieb.

Naralex reinigte den Bereich um die Pflanze, dann wandte er seine Aufmerksamkeit Hamuul zu. „Und habt Ihr unseren Bruder Broll gefunden?“

Der Tauren bemühte sich nicht zu schnauben. „Ich suche immer noch nach ihm.“

Die Augen des Nachtelfen verengten sich. „Wir beide wissen, dass er nie mit uns zurückgekommen ist, Bruder Hamuul.“

Hamuul bestätigte es nicht, aber genauso wenig widersprach er. „Ich habe dem Erzdruiden Fandral Hirschhaupt versprochen, nach Broll zu suchen. Ich muss weiter.“

Naralex streckte die Hand vor, um den Tauren aufzuhalten, was unter anderen Umständen eine gefährliche Aktion gewesen wäre. „Erzdruide Fandral kümmert sich gerade um etwas anderes. Er ist im Augenblick nicht einmal hier, Bruder Hamuul.“

„Nicht hier?“ Erneut versuchte der Tauren, jedes Anzeichen von Vorsicht zu verbergen.

„Während Ihr... anderswo wart... schlug er vor, dass wir alle tun, was wir können, um unsere Gedanken zu reinigen, damit wir nach unserer Rückkehr mit einem neuen Zauber für Teldrassil beginnen können.“

„Und wo ist er in der Zwischenzeit hin?“

Naralex blickte hoch... und noch höher. „Zur Enklave natürlich. Er sagte, dass er in der Abgeschiedenheit seines Sanktums nach Führung sucht.“

Hamuul schnaubte, bevor er es unterdrücken konnte. Er hatte eine Vermutung, wo Broll Bärenfell hingeflogen sein mochte, obwohl er über das genaue Ziel nur spekulieren konnte. Der Tauren konnte sich vorstellen, was Broll dort wollte. Doch er selbst wäre nicht so kühn gewesen... oder doch?

Naralex senkte den Arm. „Ich dachte, Ihr wüsstet es vielleicht gern. Glaubt Ihr, dass unser Bruder Broll vielleicht einen ähnlichen Gedanken gehabt haben könnte... Führung in der Enklave zu suchen, meine ich natürlich?“

Völlig gefasst antwortete Hamuuclass="underline" „Ich bezweifle, dass Broll Bärenfell dort oben gefunden werden kann.“

Der Nachtelf nickte leicht. „Das bezweifle ich ebenfalls. Ich bin froh, dass wir einer Meinung sind.“

Hamuul verließ Naralex und dachte nach. Naralex hatte versucht, ihn zu warnen, für den Fall, dass Broll oben in der Enklave wäre. Der Nachtelf hatte sich wahrscheinlich gefragt, warum Broll nicht zur Versammlung zurückgekehrt war und war zu dem Schluss gekommen, den er vermutlich für die naheliegendste Antwort hielt.

Und das bedeutete, dass der oberste Erzdruide vielleicht zu dem gleichen Schluss gekommen war.

Stirnrunzelnd lehnte sich der Tauren zurück, um nach Darnassus hinaufzublicken. Er hoffte, dass er mit einer Sache richtig lag. Dass Broll Bärenfell nicht oben in der Enklave war. Denn der Druide hatte dort eigentlich nichts verloren, es sei denn, dass er etwas im Sanktum von Erzdruide Fandral suchte. Hamuul befürchtete, dass es sich dabei um das Götzenbild des Remulos handeln könnte. Der Tauren konnte sich nichts anderes vorstellen. Immerhin war das Götzenbild an den Smaragdgrünen Traum gebunden, in dem Erzdruide Malfurion Sturmgrimms Traumgestalt verloren gegangen war.

Und es war an etwas gebunden, dass jemand so Ungestümes wie Broll hätte nutzen können, um den vermissten Shan’do zu finden.

Das würde er nicht tun... Broll würde das nicht riskieren...

Hamuul blinzelte. Doch. Broll würde.

Ein Schatten glitt über ihn. Er drehte sich und sah, wie eine große Sturmkrähe landete. Das konnte nur Fandral sein, der zurückkehrte. Der oberste Erzdruide zog diesmal die Schnelligkeit der Fluggestalt dem ehrwürdigeren Auftritt vor, den er bei Beginn der Versammlung gewählt hatte.

Als die Sturmkrähe landete, wurden aus Flügeln Arme, die Beine wuchsen, und aus Krallen wurden Füße. Die Federn flogen fort oder wurden zu Haaren und Kleidung. Der Schnabel wich zurück, verwandelte sich in einen Mund und die Nase...

Fandral, der wieder er selbst war, straffte sich. Unter allen versammelten Druiden richtete er seinen Blick auf den entfernt stehenden Hamuul.

Erhebliche Enttäuschung erfüllte den Blick des Erzdruiden. Hamuul erkannte sofort, dass Fandral über alles im Bilde war, was Broll getan hatte.

Der Tauren betete darum, dass sein Freund wusste, was er riskierte.

Sie waren schon wieder gesprungen. Broll wusste es, obwohl er sich wieder einmal nicht lange genug auf den Ort konzentrieren konnte, von dem sie gekommen waren. Er war sicher, dass es der Smaragdgrüne Traum gewesen war... doch warum waren dann seine Erinnerungen an diese Momente so flüchtig wie der Nebel, der Auberdine umgab?