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„Nein! Niemals! Ich kann es nicht! Ich werde es nicht!“ Doch trotz der Proteste konnte Eranikus die beiden nicht davon abhalten, ihn auf den Nebel zuzuziehen. Dort erschienen die Hände und griffen aus Vorfreude auf den kämpfenden Riesen in die Luft.

Weder Broll noch Tyrande konnte irgendetwas tun, sie waren kaum in der Lage zu verhindern, dass sie selbst überwältigt wurden. Nur weil Eranikus derzeit im Fokus des korrumpierten Drachen stand, hatten die Nachtelfen noch eine Gnadenfrist.

Purpurnes Feuer, das hinter Yseras Gemahl aufstieg, umschloss Smariss und Lethon. Erschreckt und wütend ließen sie los und flüchteten in den Nebel. Eranikus zog sich augenblicklich zurück, in seiner Furcht vergaß er seine beiden Begleiter völlig.

Doch sie erhielten weitere Hilfe. Zwei große Hände aus sanfter roter Energie schoben den dunklen Pulk hinfort, dann hoben sie den Druiden und die Hohepriesterin an, als wären sie Spielzeuge. Die Hände zogen sich zurück und holten sie aus dem Portal heraus.

Die dunklen smaragdgrünen Kräfte wirkten augenblicklich wieder normal.

Eranikus war vornübergefallen, Yseras Gemahl keuchte. Sein Blick wurde zu der Stelle gelenkt, wo die Nachtelfen und ihr Retter standen.

Ihr Retter war... noch ein anderer Drache.

Ein roter Drache.

Ein sehr großer roter Drache, einer, gegen den selbst Eranikus klein wirkte.

Zwei massige Hörner stiegen von dem stolzen Reptilienkopf auf. Der größte Teil vom Körper des Riesen war von überwältigendem Purpur. Doch auf der Brust prangte ein großer silberner Fleck von derselben Farbe wie die Klauen.

Aber was den Drachen von allen anderen unterschied, waren – neben seiner immensen Größe – die Augen. Es waren keine glitzernden Kugeln wie bei Eranikus’ Sippe üblich, sondern eher schwelende goldene Lichter, die, trotz der Erlebnisse der Nachtelfen, Ruhe und Hoffnung vermittelten.

Als der Drache sprach, klang seine Stimme eher befehlend denn beruhigend. „Sie sind geflohen. Mit mir hatten sie nicht gerechnet. Traurig zu sagen, dass ich sie auch nicht erwartet hatte. Denn sonst hätte ich euch von Anfang an geholfen.“

„Ihr... seid ein Aspekt...“, erklärte Tyrande feierlich. „Ihr seid...“

Der riesige Drache verneigte den Kopf. „Ich bin... Alexstrasza. Und ich kenne dich, Tyrande Wisperwind. Zum einen aus dem Krieg der Ahnen, und von der Segnung Nordrassils, die kurz danach stattfand.“

„Alexstrasza...“ Die Hohepriesterin war gerührt beim Gedanken an einen anderen Namen, der im Zusammenhang mit dem Aspekt stand. Es war ein zweiter Verbündeter. „Ist Krasus auch hier? Lebt er noch? Er könnte ein paar Antworten für uns haben...“

Der Drache schüttelte den Kopf. Ihr Blick war besorgt. „Es gibt viele Schläfer, Tyrande Wisperwind... und er gehört dazu.“

Die Elfe runzelte die Stirn. „Das tut mir für Euch leid.“

Der Aspekt neigte den Kopf, erschreckt. „Es tut dir für mich leid?“ Alexstrasza blickte zu Broll, der seine Neugierde so gut versteckte, wie es ging. Wie die meisten Druiden kannte er die beiden Magier, Krasus und Rhonin, denen nachgesagt wurde, eine wichtige Rolle in Malfurions Geschichte vor zehntausend Jahren gespielt zu haben. Was das genau war, hatte ihm sein Shan’do nie verraten. „Und gilt das auch für ihn?“

„Er weiß es nicht. Ich habe es von Malfurion erfahren.“

„Das ist in Ordnung, wenn man deinen Anteil an dieser Geschichte berücksichtigt, Tyrande Wisperwind.“ An Broll gewandt sagte Alexstrasza: „Und es ist genauso in Ordnung, dass du es ebenfalls weißt. Mein Gemahl Korialstrasz und der Magier Krasus sind ein und dieselbe Person.“

„Ein und dieselbe Person?“ Das erklärte so vieles. Doch Broll war klar, dass er allein niemals zu diesem Schluss gekommen wäre.

Der große Drache erhob sich auf die Hinterbeine und faltete die Flügel ein. Dabei begann sie zu schrumpfen. Ihre Flügel wurden kleiner, verwandelten sich schnell in Wülste, dann verschwanden sie. Alexstraszas Vorderbeine wurden zu Armen, ihre Beine drehten sich nach außen und erinnerten nun mehr an die eines Nachtelfen.

Jetzt war sie knapp doppelt so groß wie Broll und hatte nur noch einen Bruchteil ihres früheren Körperumfangs. Der Aspekt fuhr mit der bemerkenswerten Umwandlung fort. Ihr Maul wurde zu einem Gesicht, Nase und Mund bildeten sich. Die Hörner schwanden, und ihr üppiges Haar wuchs. Einen Augenblick später war die Verwandlung beinahe komplett, und die Gestalt, die teilweise elfischer Abstammung war, stand vor dem Druiden und seiner Begleiterin.

Üppige Locken von feurigem Haar, mit züngelnden Flammen, die stets der wilden Mähne entkommen wollten, fielen auf ihre schlanken Schultern hinab. Alexstrasza war wie eine weibliche Kämpferin gekleidet, mit langen, gepanzerten Stiefeln, die bis zu den Oberschenkeln reichten und einem Brustpanzer, der die Formen ihres weiblichen Körpers betonte. Ihre Hände wurden von aufwendigen Handschuhen geschützt, die fast bis zur Armbeuge reichten, und ein purpurner Mantel, der an ihre Flügel erinnerte, wehte hinter ihr her. Was einst die Hörner gewesen waren, war nun, zu Brolls Erstaunen, entweder zu einem komplizierten Kopfschmuck geworden... oder zu deutlich kleineren Hörnern.

Ihre Kleidung war von Purpur, Violett und einem Hauch von Schwarzblau – alle eingerahmt von einem goldenen Rand – und ihre Haut schimmerte in einem sanften bräunlichen Rot. Ihr Gesicht war runder als das von Tyrande oder jedes anderen Nachtelfen, fast, als steckte etwas Menschliches darin. Die Nase war kleiner und ihr Mund perfekt geformt. Das Haar rahmte ihr Gesicht auf beiden Seiten ein.

Nur die Augen des Aspekts hatten sich nicht verändert, abgesehen davon, dass sie sich der Größe angepasst hatten. Broll und Tyrande gingen beide auf die Knie und neigten huldigend ihre Häupter. Obwohl sie einem anderen Herrn dienten, ehrten doch alle die Lebensbinderin.

„Erhebt euch“, befahl sie. „Ich suche keine Untergebenen, sondern Verbündete...“

Tyrande erhob sich und sagte ernst: „Wenn Elune es zulässt, erbiete ich Euch die Kraft meiner Gleve und meiner Gebete. Ich habe mit Euch zusammen vor zehntausend Jahren gegen die Dämonen gekämpft, und wenn unsere Probleme heute dieselben sind, dann werde ich wieder zu Euch stehen!“

„Das sind sie.“ Die herrliche Gestalt blickte zu Broll. „Und du, Druide? Was sagst du?“

„Wir schulden Euch bereits unsere Leben, Herrin, und auch Eurer Schwester Ysera. Ihr seid hier, um uns zu helfen, und deshalb gibt es keine Diskussion: Ich biete Euch meine Hand...“

Sie nickte dankbar. „Mein Korialstrasz, mein geschätzter Gefährte, liegt in diesem Schlaf, aus dem er nicht erwachen kann, obwohl ich spüre, wie er es versucht. Er ist nicht der Einzige, wie ihr, meine Kinder, sicher bereits vermutet habt. Doch es betrifft nicht nur uns Drachen – wobei es allerdings weniger sind, weil wir nicht so viel schlafen wie die anderen Völker-, dieser schreckliche Schlaf bedroht auch jedes andere Volk. Zudem scheint dieser unnatürliche Schlaf vor allem die Wichtigen und Mächtigen zu betreffen... Magier, Könige, Generäle, Philosophen...“

„Shandris!“, keuchte Tyrande.

„Wenn sie eine der Euren ist, mein Kind, dann hat sie eine bessere Chance. Die Nachtelfen leiden nicht so sehr wie andere Völker. Ich finde das faszinierend. Ich glaube, dass wir noch einen weiteren Verbündeten haben, obwohl ich gespannt bin, ob meine Vermutung stimmt...“

Bevor sie mehr sagen konnte, erklang von der Seite her ein Stöhnen. Broll blickte zu Eranikus, der immer noch dort lag, wo er hingestürzt war, als er seinem korrumpierten Artgenossen entkommen war. „Einen besseren Verbündeten als dieser traurige Anblick, hoffe ich mal! Er rannte um sein Leben, nachdem er uns hierher geführt hat. Er sollte es besser wissen...“

Der grüne Drache hob den Kopf. Seine reptilienartigen Gesichtszüge waren zu einem erbärmlichen Anblick verzerrt.

„Du verstehst es auch jetzt noch nicht, kleiner Druide! Nicht einmal nach diesem schwachen Vorgeschmack auf den Albtraum, den du erlebt hast! Hast du sie nicht gesehen? Hast du nicht verstanden, was Lethon und Smariss geworden sind? Wolltest du nicht auch fliehen?“