Obwohl er sich bemühte, wurde der Nachtelf von diesen Worten erschüttert. Wusste dieses schreckliche Wesen Bescheid?
Lass uns ein paar deiner Betrachtungen teilen... lass uns ein paar deiner Ambitionen teilen...
Der Erzdruide vergrub seine Gedanken so tief wie möglich. Sein Plan war der Erfüllung nahe. Er hatte eine Chance...
Der Albtraumlord lachte in seinem Kopf. Und was das Wichtigste ist, Malfurion Sturmgrimm, lass uns über deinen närrischen Rettungsplan reden...
13
Am Rande des Albtraums
Die Druiden waren erschöpft. Sie hatten sich derart verausgabt, dass mehrere von ihnen sicherlich tagelang keine Zauber mehr wirken konnten. Ihre vereinte Macht hatte Teldrassil immer mehr genährt, doch es war ohne sichtbaren Erfolg geblieben... zumindest, soweit Hamuul es beurteilen konnte.
Der Tauren war für die meisten der anderen ein Ausgestoßener geworden. Obwohl er offiziell nicht getadelt wurde, es keine Verdammung durch den Erzdruiden gab. Fandral hatte Hamuul nicht einmal verraten, was Broll eigentlich getan hatte. Er hatte den Tauren nur lange missbilligend angeschaut, sodass die anderen mitbekamen, dass Hamuul seine Gunst verloren hatte.
Naralex und ein paar andere machten dabei nicht mit. Doch Hamuul gab sein Bestes, ihnen aus dem Weg zu gehen, aus der Sorge heraus, dass auch sie darunter zu leiden hätten. Der alte Tauren nahm freiwillig die Verantwortung auf sich, wodurch er es Broll ermöglichte, lange unbemerkt zu bleiben. Er vertraute seinem Freund. Fandral hatte allerdings auch jedes Recht verärgert zu sein.
Der Erzdruide hatte darauf bestanden, dass sie alle in der Nähe von Teldrassil blieben, weit weg von Darnassus. Nur er selbst war in die Stadt zurückgekehrt. Jedes Mal, wenn er wieder kam, drängte er die Druiden auf eine andere Art. Er versicherte ihnen, dass sie Fortschritte machen würden, dass der Weltenbaum allmählich gesund wurde.
Hamuul musste zugeben, dass er nicht ausreichend bewandert war, um zu spüren, was Fandral tat.
Der Tauren saß im Schneidersitz ein wenig von den anderen entfernt. Die Druiden meditierten, versuchten, die Stärke für Fandral s nächsten Zauber aufzubauen. Hamuul hatte sich noch nie in seinem Leben so ausgelaugt gefühlt, nicht einmal während der wochenlangen Jagd, die Teil seines Ritus des Übergangs gewesen war, mit der der Eintritt zum Erwachsenensein zelebriert wurde. Während der ganzen Prüfung hatte er fasten müssen.
Ich werde alt..., war sein erster Gedanke. Dennoch schien keiner der Nachtelfen stärker als er zu sein. Bislang hatten die Pläne des obersten Erzdruiden lediglich erreicht, dass jedes Mitglied am Rand der Erschöpfung stand.
Hamuul dachte erneut an Fandral. Doch er konnte ihn nirgendwo finden. Der Tauren vermutete, dass Fandral vielleicht zur Enklave des Cenarius zurückgekehrt war, um einen alten Text zurate zu ziehen. Hamuul hoffte, dass er sie mit mehr greifbaren Resultaten als bislang versorgen würde.
Momentan konnte er nicht mehr meditieren und stand deshalb auf. Als er sah, dass keiner der anderen auf ihn achtete, ging er auf den Weltenbaum zu.
Auch wenn Hamuul nicht zu denen gehört hatte, die solch einen Weltenbaum gewollt hatten, konnte er dessen Majestät nur bewundern. Ebenso Teldrassils Einfluss auf die Welt. Als Tauren glaubte Hamuul sehr an das Gleichgewicht zwischen der Natur und dem Leben der verschiedenen Völker auf Azeroth. Deshalb war er ursprünglich zu Malfurion Sturmgrimm gegangen und hatte darum gebeten, in den druidischen Künsten unterwiesen zu werden. Und auch wenn Hamuul erst seit ein paar Jahren Druide war, hatte er sich gut bewährt. Sonst wäre er wohl kaum zu einem der wenigen Erzdruiden ernannt worden, dem Einzigen seines Volkes.
Der Tauren wünschte sich, dass er mehr für Broll hätte tun können. Er glaubte immer noch, dass Broll die richtige Entscheidung getroffen hatte, wie sehr sie auch Fandrals gute Absichten durchkreuzen mochte. Er stand vor Teldrassil und blickte hoch in die Wolken, wo Darnassus lag. Wenn das Portal sehr nahe gewesen wäre, wäre Hamuul vielleicht versucht gewesen, einfach durchzugehen. Aber so wie es war, hätte er schon dahin fliegen müssen...
Mit einem Grunzen lehnte er sich mit einer Hand gegen Teldrassil. Er musste mehr tun. Wenn Broll...
Jemand flüsterte.
Hamuul trat vom Baum weg und suchte nach dem Sprecher. Doch das Flüstern verstummte augenblicklich.
Gedankenvoll runzelte er seine dichten Brauen und näherte sich wieder dem Stamm.
Das Flüstern begann erneut. Hamuul starrte auf Teldrassil... dann blickte er hinunter zu seinem Fuß. Dort berührte er mit der rechten Seite eine der Wurzeln des Weltenbaums.
Er legte die Hand auf den Stamm.
Das Flüstern erfüllte seinen Kopf. Hamuul konnte es nicht verstehen. Es war keine Sprache, die von den intelligenten Völkern Azeroths gesprochen wurde. Stattdessen erinnerte sie ihn an etwas anderes, etwas, das die Tauren gut kannten...
„Shakuun, leite meinen Speer...“, murmelte er und sprach damit einen Taurenschwur aus. Shakuun war der Vater seines Vaters gewesen, und Tauren riefen ihre verehrten Ahnen an, damit sie über sie wachten. Der Schwur sollte allerdings nicht wörtlich genommen werden. Hamuul bat seinen Großvater um Hilfe, damit er verstand, was er entdeckt hatte.
Der Erzdruide lauschte der Stimme Teldrassils.
Alle Druiden kannten die Sprache der Bäume, obwohl einige sie besser verstanden als andere. Dies war nicht das erste Mal, dass Hamuul dem Weltenbaum zugehört hatte. Doch es war das erste Mal, dass er dieses Flüstern hörte. Die Stimme des Weltenbaums konnte man normalerweise im Rascheln der Äste und der Blätter hören und durch das Fließen des Safts, der wie Blut den großen Stamm durchströmte. Es war ebenfalls ein Flüstern, allerdings eins, das man verstehen konnte.
Doch Hamuul konnte nicht verstehen, was er gerade hörte. Das Flüstern war ohne richtigen Rhythmus, ohne Form. Als der Erzdruide weiter zuhörte, setzte es sich immer weiter fort, als ob...
„Was macht Ihr da, Hamuul Runentotem?“ erklang Fandrals Stimme plötzlich hinter ihm.
Seinen Schrecken unterdrückend wandte sich der Tauren zu dem obersten Erzdruiden um. Er hatte nicht gespürt, wie der Nachtelf sich genähert hatte, was einiges über Hamuuls gegenwärtigen Geisteszustand aussagte. Als Tauren rühmte er sich der Fähigkeit, dass sein Volk sich als Einziges an Fandrals Volk anschleichen konnte.
Hamuul wollte ehrlich sein. Diese Sache war etwas, das Fandral vor allen anderen Druiden erfahren sollte.
Doch wie erklärte man es am besten? „Erzdruide Fandral, wirst du Teldrassil einen Augenblick lang zuhören? Ich fürchte, dass die Dinge schlimmer sind, als wir gedacht haben! Als ich mit meiner Hand den Stamm berührt habe, gerade eben...“
Der Nachtelf wartete nicht darauf, dass der Tauren ausredete. Fandral legte seine flache Handfläche gegen Teldrassil. Er schloss die Augen und konzentrierte sich.
Ein paar Atemstöße später blickte der oberste Erzdruide den Tauren an. „Ich spüre nichts anderes als vorher. Teldrassil geht es nicht gut, doch es gibt Fortschritte.“
„Fortschritte?“ Hamuul starrte ihn mit offenem Mund an. „Erzdruide, ich spürte...“
Fandral unterbrach ihn mit einem mitfühlenden Gesichtsausdruck. „Ihr seid müde, Hamuul, und ich war Euch gegenüber nicht sehr nett. Ihr wart Broll nur ein loyaler Freund, der sich für dessen Rücksichtslosigkeit verantworten musste. Es ist unter meiner Würde, die Enttäuschung an Euch auszulassen, wenn Broll eigentlich schuld ist.“
„Ich...“
Fandral hob eine Hand. „Hört mich an, guter Hamuul. Ich habe gerade einige interessante Dinge erfahren. Wir müssen einen neuen und stärkeren Versuch starten, um Teldrassils Schmerz zu heilen. Ihr, mit Eurem starken Geist, wäret eine große Hilfe dabei, doch Ihr müsst Eure Stärke erst zurückgewinnen. Wenn Ihr befürchtet, dass dem Weltenbaum doch noch mehr fehlt, werdet Ihr mich sicherlich bei dem neuen Versuch unterstützen.“