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Wilde und klagende Schreie betäubten ihre Ohren. Völlig reglos brach der grüne Drache den Angriff schnell ab. Broll und Tyrande hielten sich die Ohren angesichts der schrecklichen Geräusche zu. Das waren nicht die Schreie sterbender Monster.

„Möge Ysera mir vergeben!“, stieß Eranikus aus, als der Nebel wich und seine Opfer enthüllte.

Es waren vernunftbegabte Wesen gewesen – Nachtelfen, Menschen, Orcs, Zwerge... Mitglieder aller sterblichen Völker. Alles, was nach Eranikus’ gnadenlosem Angriff übrig geblieben war, waren verbrannte Leichen, die weiterhin zuckten, als wollten sie die Arme Hilfe suchend ausstrecken oder zumindest ihrem Leiden ein Ende setzen.

Das Ungeziefer ignorierend, lief Broll zum nächsten Opfer. Tyrande war an seiner Seite. Eranikus blieb, wo er war. Der grüne Drache war offensichtlich erschüttert über das Unglück, das er verursacht hatte.

„Die Schläfer...“, erkannte Broll. „Das sind die Schläfer...“

„Vielleicht habe ich sie alle in Azeroth getötet. Es ist, als hätte ich über dem Bett jedes Einzelnen gestanden und sie gleich dort verbrannt!“, knurrte Yseras Gefährte. „Sie konnten ihren Träumen nicht entkommen und hätten dort genauso gelitten, so wie sie es hier getan haben!“

„Das wisst Ihr nicht“, bemerkte der Druide. „Ihr wisst es nicht...“

Die brüchigen Knochen des Nachtelfen, über dem er gerade kniete, bewegten sich.

Eine geschwärzte fleischlose Hand griff nach seinen Handgelenken und ein Totenschädel mit zwei verbrannten Augen hob sich ihm entgegen.

Der zerstörte Körper kreischte seinen Schmerz wieder hinaus. Es streckte seine verzehrten Finger nach ihm aus.

Broll zerrte, so fest er konnte. „Ich kann mich nicht selbst befreien!“

Das Kreischen ließ nach. Das Skelett schwand.

Doch andere Opfer begannen jetzt zu stöhnen. Tyrande setzte ihre Gebete fort, sie benutzte ihre Hand, um die Macht ihrer Herrin über der Landschaft auszubreiten.

Die geschundenen Leichen verschwanden. Erst als der letzte Tote fort war, hörte die Priesterin damit auf. Sie zitterte.

Broll und Eranikus erging es nicht viel besser. „Sie haben gelitten!“, fauchte der Druide. „Sie haben wirklich gelitten!“

„Das konnte ich nicht ahnen!“, antwortete der Drache. „Ich könnte den Unschuldigen nie etwas antun! Das war der Albtraum“, meinte Eranikus. „Er weiß, was euch am meisten schmerzt, was ihr am meisten fürchtet... und er nährt sich davon...“

Tyrande schöpfte etwas Hoffnung. „Dann ist all das nur eine Illusion?“

„Nein... der Albtraum ist deshalb so gefährlich, weil er immer realer, wirklicher wird.“

Broll traf eine Entscheidung. „Wir müssen Malfurion finden, und zwar schnell...“ Er blickte in den Nebel und erkannte zum ersten Mal die Ungeheuerlichkeit seines Vorschlags. „Aber... in welche Richtung müssen wir gehen?“

„Ich werde ihn finden“, erklärte die Hohepriesterin mit äußerster Überzeugung. Sie blickte sich gehetzt um. „Niemand, nicht einmal Ihr als sein folgsamer Druide, kennt ihn so gut wie ich, Broll.“

Er bestritt diese Tatsache nicht. „Doch ich habe auch eine Idee, wie wir ihn finden können. Ich...“

Die Landschaft bewegte sich plötzlich. Die Nachtelfen stürzten auf den mit Unkraut überwucherten Boden. Eranikus stieg in die Luft auf. Doch auch dort wurde er erschüttert.

Schließlich beruhigte sich wieder alles. Tyrande stand auf und wischte schnell all die Tausendfüßler und das andere Aasgetier weg, das noch an ihr klebte. Broll murmelte einen Zauber, doch das Ungeziefer hörte nicht auf ihn. Sie waren nicht wie die Fauna auf Azeroth. Wie die Hohepriesterin zuvor, resignierte er und schüttelte die Tiere einfach ab.

Eranikus landete. Der Hohepriesterin beobachtete ihn tadelnd. Überraschenderweise blickte der grüne Drache schuldbewusst zur Seite.

„Was ist denn da geschehen?“, fragte Broll Eranikus. Sie waren nun in einer hügligeren Region, mit merkwürdigen, schattigen Pfaden, die in dem teuflischen Nebel verschwanden.

„Dies ist der Albtraum. Frag mich nicht, warum das so ist. Ich weiß nur, dass wir es sicher nicht so wollen!“

Tyrande blickte nach vorn. „Da liegt eine Burg oder irgendein Gebäude vor uns. Dort, auf dem dritten Hügel.“

Der grüne Drache und Broll schüttelten beide den Kopf. Der Druide sagte: „Es gibt hier keinerlei Gebäude, außer beim Auge.“

„Dann war das, was auch immer ich gesehen habe, Teil des Albtraums.“ Bevor sie mehr sagen konnte, war wieder Bewegung im Nebel zu sehen. Die Hohepriesterin verschwendete keine Zeit. Sie beleuchtete die Umgebung mit dem Licht von Mutter Mond.

Doch was sie enthüllte war nicht das, was sie erwartet hatten.

Es war Lucan Euchsblut.

„Ihr!“, polterte Broll. Er packte den Menschen, bevor irgendetwas sie wieder trennen konnte. Lucan starrte ihn aus Augen an, die so groß und hohl waren wie der Tod. Der Mensch war aber eindeutig keine Sinnestäuschung.

„Du bist echt...“, flüsterte er. Ein schwaches, wahnsinniges Grinsen flackerte über sein Gesicht. „Du bist es...“ Er blickte zu Tyrande Wisperwind, und sein Grinsen wurde etwas entspannter. „... und du...“ Dann sah er, was hinter dem Nachtelfen aufragte, und seine wachsende Erleichterung verschwand.

„Wir alle sind Eure Freunde“, versicherte ihm Tyrande.

Lucan beruhigte sich. „Ihr seid echt... ihr alle...“ Sein Blick schoss zur Seite. „Ich wollte fort von hier, doch etwas hat mich hier festgehalten... Ich wollte wirklich fort, doch etwas wollte, dass sie weitermacht...“

Der Druide hakte nach. „Sie? Meint Ihr den Orc? Eine Frau?“

„Ja... ja...“

„Im Kampf unterscheiden sich weibliche und männliche Orcs kaum voneinander“, erklärte Tyrande Broll. „Man sollte keinen von beiden je unterschätzen.“

„Das will ich auch nicht bestreiten. Ich frage mich nur, wer sie sein könnte und was sie hier will.“

„Sie heißt Thura“, erklärte Lucan fast tonlos. „Sie kam, um mich zu töten. Sie kam, um Malfurion Sturmgrimm zu töten.“

Der Drache starrte ihn mit offenem Mund an. Tyrande packte Lucan an der Kehle, doch Broll konnte sie beruhigen.

„Lasst ihn ausreden, Mylady! Es ist nicht seine Schuld!“

„Er sagte, dass sie Malfurion töten will! Er brachte sie hierher...“ Doch Tyrande fasste sich schließlich. „Obwohl... es geschah gegen seinen Willen... so viel ist mir klar... Lucan... es tut mir leid.“

Lucan warf ihr ein nervöses Lächeln zu. Es war offensichtlich, dass er die Hohepriesterin mochte.

Broll brachte ihn auf die eigentliche Sache zurück. „Die Orckriegerin! Sie ist hier, um Malfurion zu töten... aber warum? Woher wusste sie, wo sie ihn finden würde? Hat sie etwas darüber gesagt?“

„Die Visionen... sie redete irgendetwas über Visionen... sie sagte, dass... Visionen sie zu mir geführt hätten... dass sie ihr den Weg hierher Stück für Stück gezeigt hätten... die Visionen helfen ihr, ihren Artgenossen zu rächen und gleichzeitig Azeroth zu retten. Das hat sie mir auch verraten...“

„Ein orcischer Blutschwur“, murmelte Tyrande. „Den kenne ich gut. Sie wird nicht ruhen, bis sie entweder tot ist oder Erfolg hatte.“ Die Hohepriesterin schüttelte den Kopf. „Und die Rettung von Azeroth... das ist doch Wahnsinn....“

„Was auch immer der Fall sein mag, jemand möchte, dass sie Erfolg hat“, fügte der Druide hinzu. An Lucan gewandt fragte er: „Doch was noch wichtiger ist... glaubt sie wirklich, dass Malfurion einen ihrer Artgenossen getötet hat? Orcs meinen damit stets den Tod in der Schlacht.“

Der Mensch konzentrierte sich. „Sie sagte – sie sagte, dass er ein feiger Mörder sei. Dass er seinen Freund verriet und ihn tötete, als der ihm den Rücken zuwandte... glaube ich zumindest.“

Das war mehr, als Tyrande ertragen konnte. Sie zog die Gleve, was Lucan besorgt einen Schritt zurückweichen ließ. „Lügen! Alles Lügen! Eine Gefahr für Azeroth? Ha! Was für ein Wahnsinn! Und dann auch noch ein Verrat – Malfurion hat so etwas nie getan! Das wäre auch nur schwerlich möglich gewesen. Denn die Orcs, mit denen er befreundet ist, kann man an einer Hand abzählen!“